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Medizin

Eingesetzt werden können die Spezialmikroskope in Krankenhäusern, der Forschung und der Wirtschaft. Mit ihnen soll es möglich sein, virale Strukturen besser zu erkennen und vor allem deren Beweglichkeit zu dechiffrieren. Helfen sollen dabei Videos: Sie liefern Informationen über Bewegung und Aktionen der Viren. Denn um eine Ansteckungskrankheit behandeln zu können, ist es unerlässlich, deren virale Strukturen zu kennen, um Schlüsselproteine im Infektionszyklus zu erkennen.

Das Problem: bisherige Elektronenmikroskope zeigen Viren nur als Präparate. Um Viren und deren Mobilität exakter zu verstehen, müssen Forschende allerdings beobachten können, wie diese sich bewegen. Es gilt zu erkennen, wie Viren in Zellen vordringen und sich dort einnisten.

Nur zwei Röntgenmikroskope in ganz Deutschland vorhanden

Röntgenmikroskope können das zwar, doch in Deutschland gibt es davon derzeit nur zwei Stück. Im Berliner Helmholtz-Zentrum und in Hamburg am DESY-Campus sind sie zu finden. Und ihre Maße sind beachtlich: Sie sind gut 2000 Meter lang und damit unbeweglich. Auch sind zwei Röntgenmikroskope zu wenig, um damit rasch Mutationen ausfindig zu machen.

Prof. Milutin Kovacev von der Leibniz-Uni ist einer der Forschenden, die nun im international besetzten Team kompaktere Röntgenmikroskope entwickeln wollen. Kovacev promovierte vor Jahren in Frankreich, schon damals lernte er Wissenschaftler in ganz Europa kennen. Diese aktivierte er nun und zügig setzte sich ein interdisziplinäres Team zusammen. Das Forschungsprojekt NanoXCAN entstand.

Forschungsprojekt NanoXCAN

Das Forschungsprojekt NanoXCAN vereint KI mit Erfolgen der Universität in Hannover, Forscher entwickeln dort das Konzept der diffraktilen Bildgebung sowie einen ultraschnellen Faserlaser. Beides wurde 2018 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet. Hinzu kommt: Bisherige mikroskopische Bildtechniken liefern oft unbrauchbare Ergebnisse. „Sie verzerren oder rauschen“, verdeutlicht Kovacev. Wer sie anschaue, sehe oft nur ein flimmerndes schwarz-weiß-Motiv. Das neue Verfahren soll laut dem Physiker in der Lage sein, realistische Aufnahmen zu erzeugen, statt aus Datenschnipseln Szenarien zu interpolieren.

NanoXCAN will dafür Signale exakter herausfiltern als altbekannte Methoden dies können. Dazu soll ein intensiver Laserstrahl für harte Röntgenstrahlen mit hoher Photonenenergie erzeugt werden. Der Wissenschaftler nennt das inkohärente, diffraktive Bildgebung. Durch diese Technik sollen viele 1000 Bildsequenzen aufgenommen und zu einem Video zusammengebaut werden. Kovacev: „Je größer die Photonen-Leistung, desto besser werden Licht sowie Bildgebung“.

Auch arbeiten die Wissenschaftler daran, das künftige Mikroskop mit kleineren Maßen zu entwickeln. Die Idee ist, dass statt mehreren Werksgebäuden künftig zwei Institutszimmer reichen. „Eines für den Laser und ein weiteres zum Röntgen erzeugen“, so Kovacev. „Erste Experimente laufen bereits“, sagt der Forscher. Dazu stellt Alexander Heisterkamp, der in Hannover am Gamma Knife Zentrum ansässig ist, „Viren-Dummies“ her. An ihnen sehen die Forscher, wie sich Viren verhalten, wenn sie auf Zellen stoßen.

Interaktionen der Viren mit Zellen beobachten

Eines der wichtigsten Forschungsergebnisse dürfte wohl sein, dass es möglich wird, die Interaktionen der Viren mit Zellen über eine gewisse Zeit zu beobachten und darzustellen. Kovacev meint, kompaktere Röntgenmikroskope seien auch mit Perspektive auf Long Covid hilfreich. Wissenschaftler wären mit ihrer Hilfe besser in der Lage, virologische Ereignisse zu entschlüsseln. Gäbe es zudem deutschlandweit mehrere kleine Geräte, die gleichzeitig nutzbar wären, beschleunige dies den Prozess. Das wiederum räume obendrein der Wirtschaft Möglichkeiten ein. Ein passendes Patent würde derzeit geprüft. So könne das Verfahren etwa beschädigte Batteriefolien ausfindig machen. Hersteller könnten diese ausbessern oder auswechseln, was eine längere Nutzung der Batterien ermögliche und sich am Ende schonend auf die Umwelt auswirke. Vor allem jedoch verdeutliche die Coronazeit, dass eine rasche und exakte Analyse von Viren viele Menschen retten könne. Insbesondere, weil immer wieder neue Virenstämme auftauchen. Denn weil sich das Klima weltweit immer rascher verändere, suchen Tiere frische Umgebungen, um darin zu überleben. Im Gepäck haben sie: neuartige Virenvarianten und Krankheitserreger.

Information: Gefördert wird das Forschungsprojekt NanoXCAN über das Horizon-Programm, das die EU-Kommission bis Ende 2026 mit rund vier Milliarden Euro unterstützt. Es soll helfen, den Klimawandel zu bekämpfen und die EU international wettbewerbsfähig machen.