Welche Fachärzte besonders häufig in juristische Auseinandersetzungen verwickelt sind
Judith MeisterDie Zahl der Patienten, die sich als Opfer eines Behandlungsfehlers wähnen, stagniert. Das Risiko, mit einer Klage überzogen zu werden, kann je nach Facharztgruppe aber deutlich variieren.
Wo Menschen arbeiten, passieren Fehler. Das gilt auch für die Medizin. Hier sind die Folgen, tatsächlich oder gefühlt, allerdings oft weitreichender als in anderen Lebensbereichen. Dennoch ist es schwierig, valide Zahlen zu erhalten, wie häufig Patienten tatsächlich durch den Fehler eines Arztes zu Schaden kommen. Denn zu Behandlungsfehlern oder Behandlungsfehlervorwürfen gibt es keine Bundesstatistik.
Aussagekräftige Zahlen erheben jedoch der Medizinische Dienst Bund und die Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen der Ärzteschaft. Diese rekrutieren sich aus den Auswertungen der Behandlungsfehlergutachten, die Patientinnen und Patienten beantragt haben. Auch die großen Krankenkassen sind eine gute Quelle, um ein Gefühl für die echten und behaupteten Behandlungsfehler im deutschen Gesundheitswesen zu erhalten.
Nur ein Drittel der gemeldeten Verdachtsfälle erweisen sich als Behandlungsfehler
Mit mehr als elf Millionen Versicherten ist die Techniker Krankenkassen die größte Kasse der Bundesrepublik – und traditionell eine der ersten, die alljährlich mit neuen Statistiken an die Öffentlichkeit geht. So auch in diesem Jahr. Danach haben 2022 knapp 6000 Menschen bei der TK vorgesprochen, weil sie vermuteten, Opfer eines Behandlungsfehlers geworden zu sein.
Nach einem starken Anstieg der Fälle in den Jahren 2015 bis 2019 verharren die Zahlen nach Angaben der TK-Vertreter damit auf „hohem Niveau“. Allerdings lasse sich nur jeder dritte vermutete Behandlungsfehler im Verlauf der Überprüfung als echter Behandlungsfehler erhärten.
Sehr unterschiedlich ist zudem die Aufteilung der gemeldeten Verdachtsfälle auf die unterschiedlichen Fachbereiche: Stolze 67 % der von TK-Versicherten gemeldeten Verdachtsfälle entfallen auf vier Facharztgruppen.
Chirurgen und Zahnärzte werden am häufigsten gemeldet
Spitzenreiter sind dabei traditionell die operativen Behandlungen.
- Auf die Chirurgie entfallen mit 30 % fast ein Drittel der gemeldeten Fälle.
- Die Zahnmedizin landet mit immerhin 17 % auf Platz zwei.
- Allgemeinmediziner und Geburtshilfe / Gynäkologie belegen mit jeweils 10 % Platz drei.
- Vermutete Pflegefehler machen 7 % der gemeldeten Fälle aus, es folgt die Orthopädie mit 5 % und die Augenheilkunde mit 4 %.
Während man bei der TK naturgemäß bemängelt, dass Gerichtsverfahren bei Behandlungsfehlerprozessen oft zu lange dauern, weil die Berufshaftpflichtversicherungen der beklagten Mediziner auf Zeit spielten, betonen Ärztevertreter seit Jahren, dass zwar jeder Behandlungsfehler einer zu viel sei. Die absolute Zahl liege angesichts der immens steigenden Fallzahlen jedoch im Promille-Bereich.
So stieg etwa die schiere Masse der ambulanten Behandlungsfälle zwischen den Jahren 2004 und 2019 um 183 Millionen auf insgesamt 719 Millionen. In den Kliniken erhöhte sich die Zahl der Behandlungsfälle im gleichen Zeitraum um 2,6 Millionen auf 19,4 Millionen Fälle.