Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Es kommt selten vor, doch es stellt immer einen Vertrauensbruch dar: die MFA, die Medikamente einsteckt, oder der Mitarbeiter am Empfang, der Briefmarken abzweigt. Auch wenn es nur kleine Dinge sind, die Mitarbeitende entwenden – strafrechtlich handelt es sich um Diebstahl.

Bei Straftaten von Mitarbeitern muss man etwas genauer hinsehen. Was Mitarbeiter in ihrer Freizeit machen und was keinen Bezug zum Arbeitsverhältnis hat, geht den Praxischef nichts an. Wenn die MFA im Drogeriemarkt beim Stehlen erwischt wird, ist das ihre Sache. Auf das Arbeitsverhältnis hat es keinen Einfluss.

Es sei denn, sie trägt dabei Dienstkleidung, wie etwa ein Poloshirt mit dem Aufdruck der Arztpraxis. Dann sind Rückschlüsse auf die Praxis möglich, die das Ansehen in der Öffentlichkeit schädigen können. In diesem Fall können private Aktivitäten auf das Arbeitsverhältnis durchschlagen.

Privat begangene Straftaten können ausnahmsweise auch dann Einfluss auf das Arbeitsverhältnis haben, wenn deutlich wird, dass der Arbeitnehmer für die geschuldete Arbeitsleistung ungeeignet ist. Wer etwa wegen bestimmter Vermögensdelikte verurteilt wurde, kann zum Verwalten von Geldern ungeeignet sein.

Fristlose Kündigung ist möglich

Bei Straftaten, die den Praxisinhaber schädigen, steht ganz klar eine verhaltensbedingte Kündigung im Raum. Im Kündigungsrecht gilt aber das Ultima-Ratio-Prinzip. Das bedeutet: Bevor der Arbeitgeber eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen kann, muss er den Arbeitnehmer in vielen Fällen zunächst abmahnen. Der Mitarbeiter soll dadurch die Chance erhalten, sein Verhalten für die Zukunft zu ändern.

Das gilt aber natürlich nicht uneingeschränkt. Ist das Arbeitsverhältnis so schwer gestört, dass eine Wiederherstellung des Vertrauens nicht erwartet werden kann, bedarf es keiner vorherigen Abmahnung. Das ist in der Regel der Fall bei Diebstählen. Hier kann der Arbeitgeber direkt mit einer ordentlichen Kündigung reagieren, also einer Entlassung unter Einhaltung der Kündigungsfrist. Ob auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Denn hier müssen die Interessen des Arbeitgebers an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses und die des Arbeitnehmers an der Weiterarbeit bis zum Ablauf der Frist gegeneinander abgewogen werden. Die Kündigung muss außerdem verhältnismäßig sein. Hier ist vor allem bei Bagatelldelikten Vorsicht geboten. Gerade Diebstähle geringwertiger Sachen, wie etwa ein Mundschutz oder ein paar Blatt Druckerpapier, können bei einem langjährigen Arbeitsverhältnis zur Unverhältnismäßigkeit und damit zur Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung führen.

Vorsicht bei Bagatellen

So hat zum Beispiel das Arbeitsgericht Hamburg entschieden, dass die fristlose Kündigung einer Krankenschwester wegen acht entwendeter Brötchenhälften nach 23 Dienstjahren unverhältnismäßig sei. Der Entlassung hätte zunächst eine Abmahnung als milderes Mittel vorausgehen müssen. Auch die Kündigung einer Kassiererin wegen eines unterschlagenen Pfandbons im Wert von 1,20 Euro hielt das Bundesarbeitsgericht für unwirksam.

Drohung mit Kündigung

Manchmal bietet der Arbeitgeber dem Mitarbeiter bei einer Straftat einen Aufhebungsvertrag an, um eine Kündigung zu vermeiden. Mitarbeiter behaupten dann im Nachhinein, ihnen sei mit einer Kündigung gedroht worden, wenn sie nicht unterschreiben. Sie fechten den Aufhebungsvertrag an. Die Drohung mit einer fristlosen Kündigung ist immer dann widerrechtlich, wenn ein verständiger Arbeitgeber eine solche Kündigung nicht ernsthaft in Erwägung ziehen durfte. Wenn daher absehbar ist, dass die angedrohte fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht wahrscheinlich keine Chance hat, darf nicht mit ihr gedroht werden.