Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Grundsätzlich muss jeder Vertragsarzt Bereitschaftsdienst leisten. Eine Allgemeinärztin, alleinerziehend mit drei kleinen Kindern, Vollzeit in eigener Praxis arbeitend, war in der Babyzeit zunächst vom Bereitschaftsdienst befreit. Danach beantragte sie bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Bayerns eine weitere Befreiung. Die Teilnahme am Bereitschaftsdienst, vor allem nachts, kollidiere mit ihrer Aufsichtspflicht. Für die Nachtstunden sei auch keine Betreuung zu finden. 68 Stunden Bereitschaftsdienst pro Jahr entsprächen sieben Tagen Bereitschaftsdienst. Das sei ihr aufgrund ihrer familiären Belastung nicht zumutbar.

Die KV lehnte eine Befreiung ab. Die Ärztin klagte vor dem Sozialgericht München, musste aber nun eine Niederlage einstecken (04.05.2023, Az. S 38 KA 392/22). Nach der Bereitschaftsdienstordnung der KV Bayerns kann ein Bereitschaftsarzt aus schwerwiegenden Gründen ganz, teilweise oder vorübergehend und zusätzlich befristet vom ärztlichen Bereitschaftsdienst befreit werden. Ein schwerwiegender Grund muss aber durch die Vorlage geeigneter Unterlagen nachgewiesen werden. Festgeschrieben ist auch, dass ein schwerwiegender Grund in der Regel nicht vorliegt, wenn der Antragsteller unvermindert oder über dem Durchschnitt der Fachgruppe vertragsärztlich arbeitet.

Ärztin blieb Nachweise für Befreiungsgründe schuldig

Das war hier der Fall. Die Praxis der Ärztin lag über dem Fachgruppendurchschnitt. Man geht dann davon aus, dass die Ärztin oder der Arzt auch in der Lage ist, am Bereitschaftsdienst teilzunehmen. Es besteht aber auch hier die Möglichkeit, dies zu widerlegen. Dazu reichen allerdings pauschale Schilderungen nicht aus. Was genau als Nachweis gefordert wird, sagt das Gericht nicht. Einen Nachweis ist die Ärztin aber schuldig geblieben.

Das Gericht argumentierte außerdem, dass die Dienste rund ein Jahr im Voraus feststünden, Wunschdienste möglich seien und die Dienste in die Tagesstunden gelegt werden könnten. Zudem könnten die Dienste im Notfall an einen Poolarzt oder einen Vertreter abgegeben werden. Doch auch hier sei die Ärztin ihrer Nachweispflicht nicht nachgekommen. Die pauschale Behauptung, es sei ihr nicht möglich, die Kinderbetreuung sicherzustellen, genüge nicht. Sie hätte aktiv nachweisen müssen, dass sie sich vergeblich darum bemüht hat. Die Entscheidung ist juristisch nachvollziehbar, aber unbefriedigend. Alleinerziehenden Ärztinnen und Ärzten mit mehreren kleinen Kindern muss geraten werden, ihre fehlgeschlagenen Bemühungen, die Kinderbetreuung zu organisieren und den Bereitschaftsdienst zu stemmen, genauestens zu dokumentieren und sich juristisch gut beraten zu lassen.

Kommentar
Kein Wille, kein Weg
Alleinerziehende haben es schwer, alleinerziehende Ärztinnen, die mit drei kleinen Kindern Vollzeit in eigener Praxis arbeiten, haben es noch schwerer. Die KV Bayerns verlangt von einer solchen Ärztin die Teilnahme am Bereitschaftsdienst. Muss das wirklich sein? „Mitgegangen, mitgehangen“ könnte man sagen, schließlich ist sie ja freiwillig Vertragsärztin geworden. Man kreidet der Ärztin an, dass sie auch Samstagssprechstunden und Abendtermine anbietet. Wer so viel arbeitet, der kann ja nicht so fertig sein, keinen Bereitschaftsdienst mehr leisten zu können. Dabei bleibt im Dunkeln, warum die Ärztin so schuftet – vielleicht, um den Kredit für ihre Praxis abzubezahlen oder den Lebensunterhalt für ihre Familie zu sichern? Was man ihr ebenfalls ankreidet: Sie habe nur pauschal behauptet, dass ihr der Bereitschaftsdienst in ihrer Situation nicht zumutbar sei, das aber nicht belegt. Das ist zwar tatsächlich Voraussetzung für eine Befreiung. Doch jeder, der Kinder hat und arbeitet, weiß, wie hart die ersten Jahre sind, schon mit einem Kind und schon dann, wenn man einen Partner oder eine Partnerin an seiner Seite hat, der oder die mit anpackt. Drei kleine Kinder, alleinerziehend, Vollzeit als Ärztin tätig — schon bei der bloßen Vorstellung fallen einem vor Erschöpfung die Augen zu. Dann soll man noch Fehlschläge in der Organisation des Bereitschaftsdienstes dokumentieren. Da muss es doch eine andere Lösung geben. Wo ein Wille ist, sollte auch ein Weg sein.