Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Geklagt hatte eine Fachärztin für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie. Sie war 2010 bis 2015 in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) als hausärztlich tätige Internistin angestellt. Ihre Stelle als angestellte Ärztin wurde im Frühjahr 2015 in eine eigene Zulassung umgewandelt (§ 95 Abs. 9b SGB V) und sie gründete eine Facharztpraxis für Innere Medizin. Mit Schreiben vom 24.03.2015 und 16.06.2016 beantragte sie bei ihrer KV die Einstufung als „junge Praxis“ für die ersten vier Quartale nach der Gründung im April.

Was das Jungpraxenprivileg bedeutet 

Das Jungpraxenprivileg bedeutet, dass bei der Honorarabrechnung nicht das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt wird, sondern die – in der Regel günstigeren – Fallzahlen des Vorgängers.

Den Antrag erklärte die Internistin so: Sie sei im Rahmen ihrer Angestelltentätigkeit in dem MVZ durch die geringeren Plausibilitätszeiten und die Fallpauschalen in erheblichem Maße gebunden gewesen. Sie sei dort zeitweise nur einer Teilzeitbeschäftigung nachgegangen. Im Quartal II/15 seien ihr beispielsweise 364 Fälle zugewiesen worden, in ihrer Praxis habe sie aber bereits Anfang Juni über 500 Fälle behandelt. Auch entstünden durch die Gründung einer Einzelpraxis und einer damit einhergehenden selbständigen Tätigkeit höhere laufende Kosten, während in dem MVZ beispielsweise durch die Personalzusammenlegung Kostenersparnisse möglich seien.

Die beklagte KV lehnte die beantragte Änderung des Regelleistungsvolumens allerdings ab und begründete dies mit der vorangegangenen Festanstellung der Ärztin. Die erstmalige Niederlassung der Klägerin sei unter Einbeziehung ihrer Tätigkeit im MVZ bereits zum 01.07.2007 und somit nicht innerhalb von zwei Jahren vor dem Aufsatzquartal erfolgt. Der Widerspruch der Ärztin gegen die Bescheide wurde zurückgewiesen.

Anstellung in MVZ spielt doch eine Rolle

Auch das Sozialgericht wies die anschließende Klage ab und bestätigte, dass sich die Ärztin nicht mehr auf das Jungpraxenprivileg berufen könne.

Ein Vertragsarzt könne nach langjähriger Tätigkeit nicht durch den Eintritt (oder das Einbringen seiner Praxis) in ein neu gegründetes MVZ wieder zum “Wachstumsarzt” werden und die Anwendung der Sonderregelungen zur “Jungpraxis” beanspruchen. Das gelte auch im umgekehrten Fall, also wenn der langjährig zugelassene Arzt das MVZ verlässt und eine eigene Praxis gründet. Ebensowenig führt die Verlegung des Standortes einer Praxis dazu, dass sie erneut als Aufbaupraxis zu behandeln ist. Auch durch die Anstellung junger Ärzte lasse sich dieser Status nicht reaktivieren.

Die Klägerin war aber, so das Gericht weiter, seit Jahren als internistische Onkologin im MVZ angestellt. Im Aufsatzquartal hatte sie bereits ihre vormalige Teilzeittätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit aufgestockt. Von daher hat die Beklagte zu Recht die Bewilligung einer Sonderregelung als sog. Jungpraxis abgelehnt und daher waren die angefochtenen Honorarbescheide nicht zu beanstanden.

Dazu Philip Christmann, Fachanwalt für Medizinrecht: “Wer aus einem MVZ ausscheidet und die Zulassung des MVZ in eine eigene umwandelt, kann das Jungpraxenprivileg also nur nutzen, wenn das vom Arzt betreute Fachgebiet nach seinem Ausscheiden weiter in dem MVZ betreut wird.” Dies sollte bei einer solchen Umwandlung beachtet werden.