Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Steuerrecht

Wird ein Unternehmen oder eine Arztpraxis im Ganzen verkauft, dann haftet der Käufer nach § 75 AO anschließend für die Steuern und Steuerabzugsbeträge des Betriebs – und zwar auch rückwirkend. Im Umkehrschluss hat der Käufer dann auch Ansprüche auf Erstattung von Steuervergütungen.

Voraussetzung ist, dass die Steuern seit Beginn des letzten Kalenderjahrs entstanden sind und vom Finanzamt innerhalb von 12 Monaten (nach Ummeldung durch den Käufer) festgesetzt oder angemeldet wurden. Die Haftung des Käufers beschränkt sich auf den Bestand des übernommenen Vermögens. Für einen Käufer ist es also ausgesprochen wichtig, sich – am besten noch vor dem Kauf – über die Steuerverbindlichkeiten der Praxis zu informieren.

Keine allgemeine Beratungspflicht des Finanzamts

Auf Unterstützung des Finanzamts sollte man hier allerdings nicht hoffen. Es gibt keine allgemeine Pflicht des Finanzamts, Käufer auf die Möglichkeit hinzuweisen, eine Einwilligung des Verkäufers zur Auskunft in seine Steuerschulden einzuholen.[1]

Nach § 89 Abs. 1 S. 1 AO soll die Finanzbehörde die Abgabe von Erklärungen, die Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis unterblieben oder unrichtig abgegeben und gestellt worden sind. Gemäß Satz 2 der Vorschrift erteilt sie, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten. Das Finanzamt trifft aber keine allgemeine Beratungspflicht. Zur Steuerberatung ist es in den Massenverfahren des Steuerrechts schon faktisch nicht in der Lage. Dies ist auch nicht seine Aufgabe. Die Hilfe von Angehörigen der steuerberatenden Berufe kann und will § 89 Abs. 1 AO nicht ersetzen.[2]

Eine allgemeine Pflicht des Finanzamts, einen Steuerpflichtigen auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass der Betriebsveräußerer in die Auskunft einwilligen könnte, besteht nicht. Denn es ist im Allgemeinen nicht für das Finanzamt offenkundig, dass der Steuerpflichtige die Möglichkeit verkennen könnte, eine entsprechende Einwilligung des Betriebsveräußerers einzuholen. Dies sollte nach Meinung der Finanzbehörden für einen geschäftskundigen Steuerpflichtigen selbstverständlich sein. Ebenso wenig besteht eine allgemeine Verpflichtung des Finanzamts dahin, einen Steuerpflichtigen zu beraten, wie er eine Haftungsinanspruchnahme im Falle der Betriebsübernahme vermeiden könnte. Sofern der Steuerpflichtige nicht über die nötigen eigenen Kenntnisse oder Erfahrungen verfügt, muss er einen fachkundigen Berater – sprich Steuerberater – konsultieren.

Wofür der Käufer der Arztpraxis gerade stehen muss

Die Haftung des Arztes erstreckt sich auf die auf dem Betrieb lastenden Steuern und Steuerabzugsbeträge einschließlich Rückforderungsansprüchen. Betriebssteuern sind die Gewerbesteuer und die Umsatzsteuer. Steuerabzugsbeträge sind insbesondere die Lohnsteuer i.S.d. § 38 Abs. 3 EStG, die Kapitalertragsteuer i.S.d. § 43 Abs. 1 EStG und die als Steuerabzug zu erhebende Einkommensteuer i.S.d. § 50a Abs. 5 EStG. Der Praxiserwerber braucht keine Kenntnis von den rückständigen Steuern zu haben.

Der Steuerberater sollte den erwerbenden Arzt darauf hinweisen, dass etwaige interne Freistellungsklauseln zum Schutz des Erwerbers (§ 25 HGB) vom hinzuziehenden Rechtsanwalt im Kaufvertrag aufgenommen werden sollten.

Bittet ein Kaufinteressent das zuständige Finanzamt um Auskunft über Rückstände an Betriebssteuern und Steuerabzugsbeträgen, für die eine Haftung potenziell infrage kommt, kann die Auskunft nur erteilt werden, wenn der Betriebsinhaber nach § 30 Abs. 4 Nr. 3 AO diesem zustimmt.

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[1] Vgl. FG Düsseldorf, Urteil vom 10.05.2017 – 2 K 899/15, juris.

[2] Vgl. Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 89 AO, Rz. 4 m.w.N.