Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Am 30. Juni 2023 ist die geänderte Arzneimittel-Richtlinie in Kraft getreten. Sie konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen Ärztinnen und Ärzte Cannabis auf Kassenrezept verordnen dürfen. In weiten Teilen ist dies alter Wein in neuen Schläuchen, da der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) vor allem die geltende Rechtsprechung in die Verordnung gegossen hat. Daneben gibt es aber einige erfreuliche Aspekte.

Nach § 31 Abs. 6 Satz 1 des Fünften Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB V) haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Arzneimitteln mit dem Wirkstoff Dronabinol oder Nabilon, wenn

  • eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt,
  • nach der begründeten Einschätzung des behandelnden Vertragsarztes beziehungsweise der Vertragsärztin unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes des Versicherten eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung im Einzelfall nicht zur Anwendung kommen kann,
  • eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht,
  • bei der ersten Verordnung vor Beginn der Therapie ein Antrag für den Wirkstoff gestellt wird.

Die Genehmigung darf nur in begründeten Ausnahmefällen abgelehnt werden. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sind keine hohen Anforderungen an die Prognose der Erfolgsaussicht zu stellen. Es ist ausreichend, dass im Hinblick auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome nach wissenschaftlichen Maßstäben objektive Erkenntnisse dazu vorliegen, dass die Behandlung mehr nutzt als schadet.

Prüffrist in der Palliativversorgung nur drei Tage

Nach der Konkretisierung gilt nun Folgendes:

  • Nur die Erstverordnung von Cannabis sowie ein grundlegender Therapiewechsel bedürfen der Genehmigung durch die Krankenkassen. Folgeverordnungen, Dosisanpassungen oder der Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Form bedürfen keiner erneuten Genehmigung. Sofern eine Genehmigung für eine Therapie mit Cannabis bereits vor Inkrafttreten der neuen Regelungen des G-BA erteilt worden ist, gilt diese auch weiterhin.
  • Die Erstgenehmigung darf von den Krankenkassen nur in begründeten Ausnahmefällen versagt werden.
  • Cannabis-Verordnungen im Rahmen der Spezialisierten Ambulanten Palliativversorgung (SAPV) bedürfen grundsätzlich keiner Genehmigung.
  • Im Rahmen der Allgemeinen Ambulanten Palliativversorgung (AAPV) oder bei Beginn einer Cannabistherapie bereits während einer stationären Behandlung besteht zwar eine Genehmigungs­pflicht, die Prüffrist der Krankenkassen beträgt hier aber nur drei Tage.
  • Es gibt keinen Facharztvorbehalt für die Verordnung von medizinischem Cannabis, das heißt, alle Ärztinnen und Ärzte sind verordnungsbefugt. Dies ist vor allem für die Versorgung von Patientinnen und Patienten in der AAPV und der SAPV von erheblicher Bedeutung, weil hier Allgemeinmedizinerinnen und -mediziner große Teile der Patientenversorgung sicherstellen.
  • Bevor Ärzte getrocknete Cannabisblüten oder -extrakte verordnen, sollen sie prüfen, ob zur Behandlung des jeweiligen Patienten geeignete cannabishaltige Fertigarzneimittel zur Verfügung stehen. Die Verordnung von Cannabisblüten ist zu begründen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot ist zu beachten.
  • Ärztinnen und Ärzte müssen die Zweckmäßigkeit einer Weiterbehandlung mit Cannabis innerhalb der ersten drei Monate engmaschig und anschließend in regelmäßigen Abständen beurteilen. Art, Dauer und Ergebnis des Einsatzes von Cannabisarzneimitteln müssen Ärzte in der Patientenakte dokumentieren.
Verordnung von Cannabis
Insgesamt wurden 2022 im Rahmen der Gesetzlichen Krankenversicherung deutschlandweit rund 431.600 Cannabis-Verordnungen registriert. 93.100 davon wurden für cannabishaltige Fertigarzneimittel ausgestellt.