Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Die jahrelang übliche Verordnung von Sprechstundenbedarf in seiner Praxis könnte einen Arzt sein Lebenswerk kosten: Das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel verurteilte einen Facharzt für innere Medizin, der eine große kardiologische Praxis betreibt, zur Rückzahlung von rund 490.000 Euro. Im Raum steht aber ein Regress von insgesamt 1,24 Millionen Euro. Dabei hat der Arzt nichts Schlimmes getan, er hat weder betrogen noch sich bereichert. Vielmehr hatte er über Jahre hinweg Sprechstundenbedarf für seine Praxis über entsprechende Sprechstundenbedarfs-Verordnungen in einer Apotheke bestellt, das Rezept aber nicht eigenhändig unterschrieben, sondern ein Faksimile verwendet. Das kommt ihn nun teuer zu stehen – obwohl die Bestellungen von der Sache her völlig in Ordnung gingen.

Der Beschwerdeausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Hessen hatte wegen des Stempels einen Regress in Höhe von 490.000 Euro gegen den Arzt festgesetzt. Das Sozialgericht Marburg bestätigte diesen. Der Krankenkasse sei ein sogenannter normativer Schaden entstanden. Der Arzt kämpfte mit einer Sprungrevision zum BSG gegen das Urteil, musste dort aber eine Niederlage einstecken (27.08.2025, Az. B 6 KA 9/24 R). 

Regress auch bei medizinischer Indikation

Laut Arzneimittelverschreibungsverordnung muss ein Rezept unter anderem „die eigenhändige Unterschrift der verschreibenden Person oder deren qualifizierte elektronische Signatur“ enthalten. Wer sich nicht an diese Formvorschrift hält, riskiert einen Regress – auch dann, wenn die Verordnung medizinisch indiziert war. Das ist auch gängige Rechtsprechung am BSG. 

Rechtsgrundlage für den Regress war hier § 48 Absatz 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte in Verbindung mit der landesrechtlichen Prüfvereinbarung. Der Arzt habe durch das Stempeln der Unterschrift die für Vertragsärzte bestehende Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung verletzt, heißt es in der Entscheidung. Die persönliche Unterschrift des Arztes (jetzt die qualifizierte elektronische Signatur) sei wesentlicher Bestandteil der Gültigkeit einer Verordnung. Nur mit einem Unterschriftenstempel versehene Verordnungen könnten diese hohen Qualitätsanforderungen und die Gewähr für die Richtigkeit und vor allem Sicherheit der Auswahl des verordneten Arzneimittels nicht erfüllen. Der Arzt hätte diese Regularien kennen müssen. Der Krankenkasse sei dadurch ein Schaden entstanden. 

Für juristische Laien schwer verständlich ist der Umstand, dass die Verordnungen unstreitig medizinisch indiziert gewesen sind. Hätte der Arzt selbst unterschrieben, hätte die Krankenkasse die Kosten des Sprechstundenbedarfs übernommen. Das BSG machte jedoch deutlich, dass es auf einen hypothetischen alternativen Geschehensablauf nicht ankommt. Die Vorschrift wurde verletzt, daher darf die Kasse einen Regress festsetzen. Weil der Arzt diese Regelung für nicht verhältnismäßig hält, will er nun aller Voraussicht nach vor das Bundesverfassungsgericht ziehen.

Unkenntnis schützt nicht vor Strafe

Rechtlich betrachtet handelt es sich bei dem Regress um die Rückabwicklung eines rechtswidrigen Zustands: Die Krankenkasse hat aufgrund der falsch unterzeichneten Verordnungen Ausgaben übernommen, zu denen sie nicht verpflichtet gewesen wäre, denn ein Rezept ohne gültige Unterschrift ist ungültig. Die Entscheidung steht daher beispielhaft für die strengen Formvorschriften im vertragsärztlichen Bereich. Sie macht deutlich, dass Unkenntnis nicht vor Regressen schützt.

Korrekt verordnen — so geht‘s

  • Unterschreiben Sie jede Verordnung eigenhändig. Bei elektronischen Verordnungen ist die qualifizierte elektronische Signatur erforderlich.

  • Delegieren Sie Unterschriften nicht. Auch ein „i. A. durch die MFA ersetzt keine eigenhändige Unterschrift.

  • Verwenden Sie keine Unterschriftenstempel.

  • Halten Sie sich über wichtige Vorschriften auf dem Laufenden.

  • Wenn Sie über Formvorschriften unsicher sind, halten Sie rechtzeitig Rücksprache mit Ihrer KV.