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Recht

Die Diskussionen um den Corona-Impfstoff von AstraZeneca halten an. Zwar läuft die Impfkampagne inzwischen weiter, doch die Berichte über Todesfälle nach Sinusvenenthrombosen, die womöglich im Zusammenhang mit dem Vakzin stehen, schaffen eine gewisse Verunsicherung. Nach der aktuellen STIKO-Empfehlung soll der Impfstoff daher nur noch über 60-Jährigen verabreicht werden, bei jüngeren Impflingen nur nach ärztlicher Aufklärung und bei individueller Risikoakzeptanz durch den Patienten.

Hinzu kommt die Frage, wer im Fall der Fälle für Impfschäden geradestehen muss. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste sich auf einer Pressekonferenz vor Kurzem zu diesem Thema äußern. In bester Politikermanier wies er zunächst darauf hin, dass es je nach Fallgestaltung unterschiedliche Haftungsgrundlagen geben könne und sowohl der Hersteller, der Staat oder der impfende Arzt in der Pflicht sein könnten. Konkrete Aussagen zur aktuellen Problematik waren ihm hingegen nicht zu entlocken.

Noch kniffliger wurde die Haftungsfrage, da nun immer mehr Bundesländer AstraZeneca auch für unter 60-Jährige freigeben, wenn sie sich freiwillig damit impfen lassen wollen. Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte bedeutete dies aber noch mehr Unklarheit, was das Haftungsrisiko betrifft.

Doch damit ist nun Schluss! Denn es wurde jetzt ein entsprechender Gesetzesentwurf vorbereitet, der vorsieht, dass Ärzte im Falle von Impfschäden kein Haftungsrisiko eingehen, wenn sie Personen unter 60 Jahren mit dem Vakzin von AstraZeneca impfen. „Damit besteht endlich Rechtssicherheit“, sagt KBV-Vorstandschef Dr. Andreas Gassen.

Versorgungsanspruch bei allen COVID-19-Impfungen

Konkret geht es um den Paragrafen 60 des Infektionsschutzgesetzes, der die Versorgung bei einem Impfschaden regelt. Dieser soll so geändert werden, dass alle nach der auf Grundlage des SGB V erlassenen Coronavirus-Impfverordnung geimpften Personen einen  Versorgungsanspruch geltend machen können.

Einen Versorgungsanspruch gegen den Staat haben dann auch unter 60-Jährige, die sich für den Impfstoff von AstraZeneca entscheiden. Der Arzt trägt somit kein Haftungsrisiko für Impfschäden, wenn er die Impfung ordnungsgemäß durchführt. Die neue Regelung soll nach dem Gesetzentwurf für alle COVID-19-Impfungen seit Impfbeginn am 27. Dezember 2020 gelten.

Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung

Grundsätzlich gilt: Wer durch eine Impfung dauerhaft Schaden nimmt, hat zunächst einen Anspruch gegen den Staat, der die Impfung empfohlen hat. Der Arzneimittelkonzern, der das Vakzin vertreibt, haftet, wenn das Arzneimittel fehlerhaft ist. In welchem Umfang AstraZeneca im Fall seines Corona-Impfstoffes von Haftungsfreistellungen durch die EU profitieren könnte, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt. Zu guter Letzt haftet der Arzt, der die Impfung durchgeführt hat, wenn er Fehler bei der Impfung gemacht hat – etwa, weil der Impfstoff wegen bestimmter Vorerkrankungen nicht hätte eingesetzt werden dürfen oder die Aufklärung unzureichend war (siehe Kasten).

Für Patienten, die einen Impfschaden geltend machen wollen, sind die Hürden allerdings hoch. Das belegt ein aktuelles Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen (Az. L 10 VE 11/16). Wer eine Entschädigung nach einem (vermeintlichen) Impfschaden beansprucht, muss danach belegen, dass seine gesundheitlichen Beeinträchtigungen nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen in einem kausalen Zusammenhang mit der Impfung stehen. Die bloße Möglichkeit einer schädlichen Wirkung eines Impfstoffs reiche nicht aus.

Im konkreten Fall ging es um einen Soldaten aus dem Landkreis Oldenburg, der 2010 wegen eines bevorstehenden Auslandseinsatzes gegen Gelbfieber geimpft wurde. Danach klagte der Mann über verlangsamte Augenbewegungen, Schwindel und Sprachprobleme. In einer ersten Einschätzung hatte der Truppenarzt einen Zusammenhang zwischen neurologischen Ausfällen und der Impfung zwar für möglich erachtet. Die Bundeswehr lehnte eine Entschädigung jedoch ab, weil es Hinweise gebe, dass die Erkrankung schon vorher aufgetreten sei.

Ohne gesicherte Erkenntnisse kein Schadenersatz

Um die Sachlage zweifelsfrei zu klären, holte das Gericht mehrere Gutachten ein. Sie bestätigten die Rechtsauffassung der Bundeswehr: Es habe sich nicht nachweisen lassen, dass die Impfung Ursache der Erkrankung war. Vielmehr sei deren genaue Ursache nach wie vor nicht bekannt.

Für das Gericht genügte das, um einen Schadenersatzanspruch des Soldaten zu verneinen. Maßgeblich sei der aktuelle Stand der medizinischen Forschung: Obwohl der verwendete Impfstoff schon in mehr als 600 Millionen Dosen verabreicht worden sei, gebe es keine Berichte über ähnlich gelagerte Fälle. Dies sei ein Indiz für anderweitige Ursachen für die Beschwerden. Dies gelte umso mehr, als der Mann schon vor der Impfung erste Symptome der Krankheit gezeigt habe. Auch hatten die Gutachter Überarbeitung als Ursache für eine Veränderung der Augenbewegungen ausgeschlossen. Das Urteil ist rechtskräftig.

BESSER NICHTS VORAUSSETZEN
Aufklärung: Auch bei Massenimpfungen sind Ärzte in der Pflicht
Bei Standardimpfungen, etwa gegen Influenza, finden in Deutschland meist keine ärztlichen Vorgespräche statt. Juristen warnen jedoch, dass diese Praxis in der Pandemie zum Problem werden könnte. Sollte sich herausstellen, dass ein Betroffener seine Einwilligung zu einer Corona-Impfung auf Grundlage unvollständiger Informationen gegeben hat, könnte das rechtliche Konsequenzen haben – auch für den impfenden Arzt. Eine Aufklärung müsse daher stets auch den Hinweis auf „noch unbekannte Komplikationen“ einschließen.