Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Abrechnung

Einen Inflationsausgleich fordern Ärzte seit Jahrzehnten erfolglos. Dabei ist in der GOÄ seit 1982 die Möglichkeit verankert, unter bestimmten Umständen Honorare oberhalb der sogenannten Mittelwerte 2,3 für ärztliche und 1,8 für technische Leistungen zu berechnen. Neuere Statistiken belegen, dass dies besonders im ambulanten Behandlungssektor viel zu selten genutzt wird. Wörtlich steht im § 5 Abs. 2 GOÄ: „Innerhalb des Gebührenrahmens sind die Gebühren unter Berücksichtigung der Schwierigkeit und des Zeitaufwandes der einzelnen Leistung sowie der Umstände bei der Ausführung nach billigem Ermessen zu bestimmen (…).“

Drei Kriterien sind hier ausdrücklich genannt: Die Schwierigkeit, die auch im gesamten Krankheitsfall liegen kann, der Zeitaufwand für die einzelne Leistung und die Umstände bei deren Ausführung. Hinzu kommt der Hinweis: „nach billigem Ermessen“. Dieser Terminus stammt aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) und besagt, dass Ärzte einen Ermessensfreiraum haben, innerhalb dessen sie ihre Honorarhöhe in einem gerechten Verhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bemessen sollen. Wie dieses „billige Ermessen“ gehandhabt wird, ist demnach immer im Einzelfall persönliche Sache der Ärztinnen und Ärzte.

Zugleich bilden diese drei Kriterien auch eine Grenze, denn zusätzliche Kriterien wären zwar denkbar, sie sind aber im GOÄ-Verordnungstext nicht berücksichtigt. Ob beispielsweise in der Praxis gerade ein neues, teures Gerät angeschafft oder eine aufwändige Zusatzausbildung im Ausland absolviert wurde, derartige Umstände sind im § 5 der GOÄ nicht aufgeführt und können daher für die Höherbewertung des Honorars nicht herangezogen werden.

Praktische Umsetzung

  • Ein höherer Zeitaufwand ist dann ansetzbar, wenn die durchschnittliche oder im GOÄ-Text festgelegte Dauer einer Leistung überschritten wird. Eine Beratung nach Ziffer 3 GOÄ – laut GOÄ-Text mindestens zehn Minuten lang – kann dann höher bewertet werden, wenn sie zum Beispiel 15 oder 20 Minuten gedauert hat.
  • Schwieriger wird es, wenn ein Patient multimorbide ist. Schon bei der körperlichen Untersuchung oder Beratung muss zum Beispiel die Krankheitsgeschichte bedacht werden.
  • Und besondere Umstände liegen vor, wenn für die Arzt-Patienten-Kommunikation ein Dolmetscher benötigt wird.

Dabei soll das „billige Ermessen“ insoweit ausgeübt werden, als Ärzte eben nicht nur 2,3- oder 3,5-fach liquidieren, sondern sich auch der Faktoren dazwischen bedienen. Gerade bei Patienten, die auf ihren Rechnungen häufiger erhöhte Faktoren vorfinden, wird ein differenzierter Umgang mit den Honorarfaktoren auch von den Kostenträgern sehr gerne gesehen.

Jedes Begründungskriterium zählt auch alleine. Formulieren Sie Ihre Begründungen knapp und präzise. Unnötig ausladende Begründungstexte hatten in der Vergangenheit schon die unerwünschte Nebenwirkung, dass sich die Rechnungsempfänger provoziert fühlen.

Wenn Ärzte bestimmte Leistungen höher bewerten, müssen sie auch immer den § 12 GOÄ im Auge haben. Hier wird nämlich gefordert, dass im Fall der Nachfrage die Begründungen noch einmal erläutert werden. Unterbleibt dies, ist die Rechnung nicht fällig. Bestimmte Leistungen von vornherein mit höheren Faktoren abzurechnen und standardisierte Begründungstexte ohne Bezug auf den Einzelfall zu verwenden, kann sogar straf- und berufsrechtlich geahndet werden.