Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Corona-News

In einem Pressegespräch gingen Prof. Bert te Wildt, Dr. Mathias Lohmer, Jennifer Güleryüz und Marcus Lemli der Frage nach, was Angst mit unserer Wirtschaft macht. Diese Fragestellung analysierten sie aus immobilienwirtschaftlicher und psychologischer Sicht.

Professor Bertte Wildt, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik Kloster Dießen meint dazu: „Sowohl medizinisch als auch ökonomisch wird Deutschland nach der Krise aufgrund seines bewussten Umgangs mit Ängsten voraussichtlich besser dastehen als andere Länder. Die deutsche Gesellschaft ist tendenziell vorsichtiger und durch die Mentalität geprägt als eine Wissens- und ‚Angstgesellschaft‘, also eine Gemeinschaft mit hohem Sicherheitsbedürfnis, die sich fortlaufend mit Ängsten und Risiken auseinandersetzt – auch bekannt als stereotypische ‚German Angst‘.“ Unter diesem Begriff versteht man eine zurückhaltende, auf Forschung basierende, abwägende Haltung, die Sicherheit und die Auseinandersetzung mit der Emotion „Angst“ in den Vordergrund stellt. Diese reflektierte Mentalität kann in Krisenzeiten eine Chance sein und Antrieb für eine Transformation geben.

Aufschwung der Digitalisierung

Durch die Corona-Krise nimmt vor allem die Digitalisierung Fahrt auf: Neue Technologien und Apps, z.B. in der Telemedizin, werden schneller, unkomplizierter eingesetzt, um besonders bei psychosomatischen Erkrankungen wie Angststörungen und Depressionen eine erste Information und Hilfestellung für Erkrankte zu bieten. Im unternehmerischen Kontext erhält das agile Arbeiten einen Entwickelungsschub. Die Herausforderungen, die Homeoffice und veränderte Arbeitsstrukturen mit sich bringen, begünstigen kreative Lernprozesse und Generierung neuen Wissens, die zu Innovationen und Transformationen führen. „Die Krise zwingt uns als Gesellschaft, uns verstärkt mit uns selbst auseinanderzusetzen und die digitalen Neuerungen, gegen die wir uns in vielen Bereichen lange gesträubt haben, anzunehmen und ihre Vorteile zu erkennen. Dabei stellen wir nicht selten fest, wie resilient wir sind“, sagt Prof. te Wildt.

Unternehmen trumpfen in Krisenzeiten oft auf

„Unternehmen funktionieren im Krisenmodus oft besser als im Normalzustand, weil kleinliche Zankereien, territoriale Schwierigkeiten und dysfunktionale Competitiveness langfristig hinter einem Gemeinschaftsgefühl zurücktreten“, erklärt Dr. Mathias Lohmer, Diplom-Psychologe, Psychoanalytiker und Mit-Gründer der M19-Manufaktur für Organisationsberatung. Die kollektive Existenzangst kann proaktiv für einen konstruktiven Umwandlungsprozess in Unternehmen genutzt werden, wenn durch kluge Führung die Mitarbeiter an einem gemeinsamen Zukunftsprozess beteiligt werden. Dabei werden das gesammelte Wissen sowie die Erfahrung der älteren Mitarbeiter eine wichtige Rolle spielen: „Während die jüngere Generation am Anfang der Karriere steht und sich während der Pandemie mehr um ihre Existenz als um eine Erkrankung Sorgen macht, wirken die Gelassenheit und das Know-how der älteren Generation ausgleichend“, sagt Dr. Lohmer

Die Risiken und Chancen

Die Digitalisierung birgt neben den Chancen, die Homeoffice, Videocalls oder Telemedizin mit sich bringen, auch Risiken: „Es ist anzunehmen, dass psychische Erkrankungen, im Besonderen die Angststörungen, durch Social Distancing bedingte Depressionen und die Internetsucht zunehmen werden“, gibt Prof. te Wildt zu bedenken. Ebenso wird aber das Bewusstsein für die Qualität von analogen Räumen wachsen. Die Wertschätzung von sozialer Resonanz im Rahmen der Face-to-face-Kommunikation, die in der Arbeitswelt und im Privaten als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wurde, nimmt einen wichtigeren Stellenwert ein. Es kommt zu einer neuen Ausbalancierung zwischen analogen und digitalen Räumen, so die Meinung der Experten.