Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
E-Health

„Die Praxen sind an einer weiteren Digitalisierung interessiert“, konstatiert Dr. Stephan Hofmeister, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KBV. „Voraussetzung ist allerdings, dass der Mehrwert der Digitalisierung klar erkennbar ist.“ Sie müsse von dauerhaftem Nutzen sein. „Sie darf zudem nicht fehleranfällig sein. Dann sind – zu Recht – Skepsis und mangelndes Vertrauen die Folge bei den niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten“, erklärte Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel.

Neben dem Verbreitungsgrad digitaler Anwendungen in den vertragsärztlichen und psychotherapeutischen Praxen ging es in diesem Jahr vor allem darum, welche Chancen und Risiken die Niedergelassenen bei der digitalen Entwicklung sehen. Weiterhin wurden Praxen nach ihren Erfahrungen mit Videosprechstunden und der Telematikinfrastruktur gefragt.

Zahl der Videosprechstunden steigt weiter

Stark gestiegen auf fast 40 Prozent (rund 40.000) ist im Jahr 2020 die Zahl der Praxen, die Videosprechstunden anbieten. Der Anstieg geht in erster Linie auf die von KBV und GKV-Spitzenverband vereinbarten Sonderregelungen und Öffnungen im Zuge der Bekämpfung der Corona-Pandemie zurück.

Eine große Mehrheit dieser Praxen ist der Meinung, dass die Videosprechstunde sich gut oder sehr gut für die Besprechung von Untersuchungsergebnissen (69 Prozent), Arzt-Patienten-Gespräche ohne Untersuchung (69 Prozent) und die Anamnese (61 Prozent) eignet.

An ihre Grenzen stößt sie bei der Diagnosestellung und der weiteren Veranlassung, etwa bei einem Infekt der oberen Atemwege: Nur 16 Prozent halten die Videosprechstunde dafür geeignet. „Dies zeigt, dass das persönliche Arzt-Patienten-Gespräch weiterhin der Goldstandard ist und bleibt. Dies zeigen auch die Ergebnisse beim Thema Fernbehandlung. Etwas mehr als die Hälfte der Praxen lehnen Fernbehandlungen dann ab, wenn sie den Patienten nicht umittelbar zuvor persönlich gesehen haben“, betont Hofmeister. Ein Viertel der Praxen hält sie für sinnvoll bei bekannten Patientinnen und Patienten.

Fehleranfälligkeit der EDV-Systeme

Als großes Hemmnis der Digitalisierung nennen über 80 Prozent der Befragten die Fehleranfälligkeit der EDV-Systeme. Ein knappes Drittel der Praxen bemängelte monatlich technische Fehler der Telematikinfrastruktur (TI), bei einem weiteren Drittel treten diese wöchentlich und bei nahezu jedem Zehnten täglich auf. „Die hohe Fehleranfälligkeit der TI ist alarmierend und führt zu Skepsis vor der Einführung weiterer digitaler Anwendungen. Wenn man bedenkt, dass die Niedergelassenen jeden Tag im Durchschnitt 300.000 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen, die sie ab 2021 digital an Krankenkassen übermitteln müssen, kann man sich vorstellen, was passiert, wenn die Technik ausfällt“, sagt KBV-Vorstandsmitglied Dr. Thomas Kriedel.

Eine Mehrheit der Praxen sieht durch die fortschreitende Digitalisierung das Potenzial für eine bessere Kommunikation mit anderen Praxen oder Krankenhäusern. Innerhalb der Telematikinfrastruktur ist dafür der sichere Kommunikationsweg KIM (Kommunikation im Medizinwesen) vorgesehen. Mit kv.dox bietet die KBV Verträgsärzten und -psychotherapeuten einen eigenen KIM-Dienst an.

„Wir wollen nutzbringende Anwendungen ermöglichen, die ein gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis haben“, so Kriedel. „Das geht nicht, indem unter Strafandrohungen zu enge zeitliche Ziele gesetzt werden. Die Digitalisierung braucht Zeit. Nur dann kann sie technisch möglichst fehlerfrei und mit höchstem Nutzen für alle Beteiligten funktionieren.“

Das IGES Institut hat die Erhebung im Auftrag der KBV durchgeführt. 2.193 Ärzte und Psychotherapeuten nahmen an der Online-Befragung teil. Das PraxisBarometer stellt damit die bislang umfassendste repräsentative, wissenschaftlich begleitete Befragung von Ärzten und Psychotherapeuten zum Stand der Digitalisierung dar.