Nach der Praxisabgabe angestellt: Wann gilt für Ärzte die gesetzliche Rentenversicherungspflicht?
Dr. jur. Alex JanzenNach der Praxisabgabe arbeiten einige Ärztinnen und Ärzte in ihrer alten oder einer anderen Praxis als Angestellte weiter. Als Unselbstständige sind sie aber gesetzlich rentenversicherungspflichtig – was wenig attraktiv ist im Vergleich zum Ärzteversorgungswerk. Welchen Ausweg es für sie gibt.
Die Praxis abgeben und danach als angestellter Arzt oder Ärztin weiterarbeiten: Für viele ist das ein probater Übergang in den Ruhestand. Doch wer als Angestellter arbeitet, ist gesetzlich rentenversicherungspflichtig. Auch Ärztinnen oder Ärzte, die angestellt tätig sind, fallen nach § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI (Sechstes Sozialgesetzbuch) unter die gesetzliche Rentenversicherungspflicht. Diese besteht bis zum Erreichen der gesetzlichen Regelaltersgrenze und erhöht sich zurzeit je nach Geburtsjahr auf 67 Jahre.
Im Vergleich zu den Leistungen der ärztlichen Versorgungswerke ist die gesetzliche Rentenversicherung allerdings weniger attraktiv. Daher taucht bei Niedergelassenen, die zuvor wegen ihrer selbstständigen Tätigkeit nicht gesetzlich rentenversicherungspflichtig waren, häufig die Frage auf, ob sie sich davon befreien lassen können. Die Beantwortung dieser Frage ist mit Spezialproblematiken verbunden, die in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie im Recht der ärztlichen Versorgungseinrichtungen wurzeln.
Voraussetzungen für eine Versicherungsbefreiung
Die gute Nachricht vorweg: Unter bestimmten Voraussetzungen können sich angestellte Ärztinnen und Ärzte von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreien lassen. Die Voraussetzungen für diese Befreiung regelt § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI. Danach werden Beschäftigte – sofern sie gesetzlich Mitglieder einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und gleichzeitig gesetzliche Mitglieder einer berufsständischen Kammer sind – auf Antrag von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit, wenn die Mitgliedschaft für Ärztinnen und Ärzte als Berufsgruppe in der zuständigen berufsständischen Kammer vor dem 01. Januar 1995 bestanden hat. Des Weiteren müssen einkommensbezogene Beiträge zur berufsständischen Versorgungseinrichtung zu zahlen sein und diese Beiträge Leistungen der Versorgungseinrichtung für die verminderte Erwerbsfähigkeit sowie für Alters- und Hinterbliebenenrente ermöglichen.
Antragstellung für Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht
Die Satzungen aller deutschen ärztlichen Versorgungswerke sind so konzipiert, dass die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI für unselbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte erfüllt werden können. Zu beachten ist allerdings, dass die Befreiung über das zuständige ärztliche Versorgungswerk elektronisch zu stellen ist. Das Versorgungswerk leitet dann den Antrag mit der Bestätigung der Mitgliedschaft im Versorgungswerk und in der berufsständischen Kammer an den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung. Dieser entscheidet über die Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung.
Aber aufgepasst: Nach § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB VI wirkt die Befreiung nur zurück, wenn sie innerhalb von drei Monaten ab Beginn der unselbstständigen Tätigkeit beantragt wird. Wird der Antrag später gestellt, wirkt die Befreiung erst vom Eingang des Antrags an. Es ist deshalb wichtig, den Antrag rechtzeitig zu stellen.
Ausnahmefälle sind selten
In seltenen Fällen kann es allerdings vorkommen, dass eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung für unselbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte nach der Praxisabgabe nicht gewährt werden kann, weil einzelne Voraussetzungen nicht beziehungsweise nicht mehr erfüllt sind. Der erste Fall betrifft die Mitgliedschaft in einem ärztlichen Versorgungswerk. Sieht die Satzung eines Versorgungswerks die Mitgliedschaft nur bis zu einem Alter vor, das unter der gesetzlichen Regelaltersgrenze liegt, könnte keine Mitgliedschaft mehr begründet sein, die für eine Befreiung Voraussetzung wäre.
Diese Problematik kann allerdings nur dann eintreten, wenn ein Praxisabgeber noch zusätzlich auch zum ersten Mal in die Zuständigkeit eines Versorgungswerks wechselt – zum Beispiel durch einen Umzug – und aufgrund des Alters dort kein Mitglied werden kann. Wer also weder Mitglied im neuen Versorgungswerk wird noch die Mitgliedschaft im alten fortsetzen kann, fällt durchs Raster.
Große Sorgen müssen sich Ärztinnen und Ärzte wegen dieses Szenarios aber nicht machen. Es tritt nur in wenigen Ausnahmefällen ein, da die Satzungen der ärztlichen Versorgungswerke ihren Mitgliedern die Fortsetzung der Mitgliedschaft auf Antrag auch nach dem Umzug ermöglichen und Niedergelassene in der Zeit ihrer selbstständigen Tätigkeit obligatorisch Mitglieder des zuständigen Versorgungswerks am Ort ihrer Praxis waren. Diese Mitgliedschaft können sie in aller Regel auch als unselbstständig tätige Ärztinnen und Ärzte fortsetzen, nachdem sie von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit worden sind.
Die anderen sehr seltenen Fälle können Situationen betreffen, in welchen eine Ärztin oder ein Arzt kein gesetzliches Mitglied eines Versorgungswerks oder einer ärztlichen Berufskammer ist und deshalb nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden kann. Dies könnte der Fall sein, wenn jemand zwar eine ärztliche Tätigkeit ausübt, hierzu aber gesetzlich nicht berechtigt ist. Zu denken ist dabei an den Verlust der Approbation oder an ein rechtskräftiges Berufsverbot. Ein anderes Beispiel wäre eine ärztliche Anstellung, die nur pro forma erfolgt ist, während tatsächlich keinerlei ärztliche Tätigkeit erbracht wird. Ein weiteres Beispiel könnte die ärztliche Tätigkeit eines Berufsunfähigen sein, der nicht in der Lage ist, diese auszuüben. Weitere Beispiele könnten Situationen betreffen, in welchen eine Ärztin oder ein Arzt Ansprüche auf Ruhegehalt und Hinterbliebenenversorgung nach beamtenrechtlichen Bestimmungen hat und deshalb kein Mitglied eines ärztliches Versorgungswerks werden kann.
All diese Beispiele zeigen, dass solche Situationen nur in wenigen, atypischen Fällen auftreten können. In den allermeisten Fällen kann eine Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung nach der Veräußerung oder Abgabe einer Arztpraxis und der anschließenden Tätigkeit als angestellte Ärztin oder angestellter Arzt auf Antrag erreicht werden.