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E-Health

Diese soll dann sowohl einmalige Aufwände (wie z. B. den Tausch des Konnektors oder die Neuanschaffung von Kartenterminals) als auch den laufenden Betrieb abdecken. Die bevorstehende Änderung ist aktuell eines der bestimmenden Diskussionsthemen in der gesamten Gesundheitsbranche – insbesondere auch, weil die Höhe der angesprochenen Monatserstattung noch nicht feststeht. Bis zum 30. Juni muss nun eine Lösung gefunden werden, um die derzeit heftig gestritten wird. Zeit, die Situation etwas genauer unter die Lupe zu nehmen. Welche Akteure vertreten welche Standpunkte? Wie könnte eine potenzielle Lösung aussehen? Und wie wirkt sich die Neugestaltung auf den heiß diskutierten Konnektortausch aus?

Mit der Verabschiedung des Krankenhauspflegeentlastungsgesetzes (KHPflEG) hat der Gesetzgeber die Umstellung der TI-Auszahlungsmodalitäten zum 1. Juli 2023 verfügt. Wie hoch die neue monatliche Pauschale sein wird, hat der Gesetzgeber aber nicht festgelegt. Diese Aufgabe liegt bei den Partnern der Bundesmantelverträge (sprich: KBV und GKV-Spitzenverband), die bei ihren Verhandlungen keine Einigung erzielen konnten. Nun liegt die finale Entscheidung beim Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Die Zeit drängt: Bis Ende Juni muss eine Entscheidung gefällt werden.

Aber warum ändert sich das bestehende System überhaupt? Nun, die Antwort auf diese Frage ist recht simpel: Weil sich die bisherige Regelung in den Augen vieler nicht wirklich bewährt hat. Bei Festlegung der derzeitigen Regelung hatte man sich vorgestellt, dass es für die benötigten Komponenten viele Hersteller geben würde und dass der Wettbewerb zwischen den einzelnen Akteuren dafür sorgen würde, dass die Preise fallen.

Tatsächlich gibt es derzeit aber nur noch drei Hersteller für Konnektoren, so dass hier kein wirklicher Wettbewerb stattfindet und sich die Preise exakt auf der Höhe der Erstattung eingependelt haben. Verlierer sind hierbei die Praxen, die in Sachen TI-Anschluss keine große Angebotsauswahl haben und oftmals auf einem Teil der Kosten sitzen bleiben, da die gesetzlichen Einmal- und Quartalserstattungen die Gesamtkosten nicht vollständig auffangen – was insbesondere der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) übel aufstößt. Sie kritisiert offen, dass die von der Selbstverwaltung ausgehandelten Erstattungsbeträge für die Hersteller nicht bindend seien und die Industrie auf diesem Weg die Preise frei bestimmen könne. Da ihr aber die Mittel fehlen, um die Industrie zu Preissenkungen zu zwingen, kann sie nicht mehr tun als zu appellieren. Geholfen hat es bisher nicht.

Mit der im KHPflEG langfristig festgeschriebenen monatlichen TI-Pauschale will der Gesetzgeber nun einlenken. Ziel ist es, Planungssicherheit bei Kostenträgern und Leistungserbringern zu schaffen und Herstellern gleichzeitig einen Anreiz zu bieten, im Wettbewerb zu bestehen. Von Innovationsanreizen ist die Rede, die Effizienzgewinne und auch Produktoptimierungen zur Folge hätten. So viel schonmal vorab: Das sieht nicht jeder so.

Ein Thema, viele Meinungen – aber wer hat denn nun Recht? Um die derzeitige Situation genauer zu analysieren, lohnt es sich, die beteiligten Akteure etwas genauer unter die Lupe zu nehmen und die einzelnen Standpunkte gegenüberzustellen.

Standpunkt der KBV

Zunächst einmal schauen wir uns die KBV an, die die Interessen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten auf Bundesebene vertritt. Ihr Credo ist logischerweise, dass die Finanzierung der TI-Anwendungen kostendeckend sein muss und zu keiner weiteren Belastung in den Praxen führen darf. Das leuchtet ein: Spürbare Entlastung hat die Digitalisierung – zumindest Stand heute – im Praxisalltag nicht gebracht. Im Gegenteil, manche eHealth-Funktionen wie die eAU oder die elektronische Patientenakte führen in den Praxen zu größerem Aufwand, während die dafür vorgesehene Vergütung – gemessen am tatsächlichen Zeitaufwand – deutlich zu gering ist.

Auch die Tatsache, dass der Roll-out zahlreicher eHealth-Projekte mehrfach verschoben wurde und andere Vorhaben (wie das eRezept) keine Fahrt aufnehmen, verdeutlicht, dass die Digitalisierung in der aktuellen Form noch nicht praxisreif ist. Wenn aus Sicht der KBV die Digitalisierung im Praxisalltag noch keinen unmittelbaren Nutzen hat, aber die Ärzte bereits ganze Arbeit damit haben – warum sollten sie dann für die Nutzung der TI-Anwendungen mehr zahlen, als ihnen erstattet wird? Vor diesem Hintergrund dürfte es nicht verwundern, dass die KBV zu den großen Kritikern der geplanten monatlichen TI-Pauschale zählt. Sie fürchtet, dass Ärzte beim Austausch von Komponenten wie Konnektoren oder Kartenterminals zukünftig in Vorleistung gehen müssen und dass zukünftige Kostenrisiken einseitig auf sie abgewälzt werden.

Die KBV fordert deshalb eine auskömmliche Höhe der Monatspauschalen und, dass die Anbieter ihre Komponenten und Dienste zu keinem höheren als einem zuvor vereinbarten Betrag veräußern dürfen. Rechnet man die aktuellen Erstattungspauschalen auf drei Jahre um, kommt man auf einen Betrag von mindestens 250 Euro, der aus Sicht der KBV noch zu gering ist.

Standpunkt der Kostenträger

Eigentlich ziehen die Kostenträger viele Vorteile aus der Digitalisierung, denn die Nutzung elektronischer Daten hat das Potenzial, ihre bisherigen Transaktionskosten drastisch zu senken. So mussten Papierformulare wie Rezepte oder AUs bisher in Scanner-Straßen digitalisiert werden, wobei ein gewisser Prozentsatz manuell nachzubearbeiten war. Jetzt kommen die Daten direkt digital und fehlerfrei bei der jeweiligen Krankenkasse an und können vollautomatisch weiterverarbeitet werden. Obwohl sich hier Effizienzgewinne erzielen lassen, ist das eindeutige Ziel der Kostenträger, die Erstattungskosten deutlich zu reduzieren. Gerüchteweise wollen die Kostenträger zukünftig nicht mehr als 100 Euro monatlich erstatten, wodurch nicht einmal die laufenden Kosten gedeckt wären.

Standpunkt der Politik

In dieser festgefahrenen Situation kommt dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Vermittlerrolle zu. Einerseits will man die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Krankenversicherung sowie der Pflegeversicherung erhalten, sichern und fortentwickeln.

Andererseits gehört es auch zu den zentralen Aufgaben, die Versorgungsqualität im Hinblick auf den drohenden Ärztemangel zu verbessern, die Interessen der Patientinnen und Patienten zu stärken, die Beitragssätze zu stabilisieren und die Digitalisierung in der Branche voranzubringen. Kurz: Man will (oder muss) es jedem recht machen.

Das Ministerium steht also ganz klar zwischen der KBV und den Kostenträgern und muss nun einen Betrag festlegen, mit dem am Ende keiner zufrieden sein wird. Die große Frage ist letztlich, ob das BMG bereit sein wird, die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen zu erhöhen und damit die Beitragssätze steigen zu lassen.

Jüngsten Nachrichten zufolge will das BMG die Entscheidung „aus dem Elfenbeinturm“ mit allen Mitteln vermeiden. So wurden GKV-Spitzenverband und KBV nach den gescheiterten Verhandlungen aufgefordert, sich noch einmal an den Verhandlungstisch zu begeben. Eine Kompromisslösung würde zumindest vermeiden, dass der schwarze Peter am Ende beim BMG liegt.

Standpunkt der Software-Hersteller

Der Vierte im Bunde wird häufig übersehen: die Industrie. Dabei sind es eben die Hersteller, die mit ihren Lösungen die Digitalisierung im Gesundheitswesen erst ermöglichen. Trotzdem hagelt es von allen Seiten Kritik, dass der Markt im Bereich der TI-Anbieter nicht funktioniere und die Industrie bei der Preisgestaltung deutlich stärker in die Pflicht genommen werden müsse. Was jedoch anzumerken ist: Es handelt sich hierbei um eine hausgemachte Situation.

Schließlich war es die Entscheidung der Politik, spezielle Produkte wie die TI-Konnektoren zu verwenden, die komplex und teuer in der Entwicklung sowie aufwändig in der Instandhaltung sind (anstatt auf am Markt erhältliche Produkte zu setzen). Hält man sich dann noch vor Augen, dass von vornherein klar war, dass die Hardware bzw. die TI-Dienste lediglich für einen überschaubaren Markt entwickelt werden, darf es im Grunde nicht verwundern, dass die Gesamtsituation für viele Hersteller nicht attraktiv genug war und sich schon nach relativ kurzer Zeit ein Oligopol von nur drei relevanten Anbietern herausbildete.

Dass eine Preisbildung im Oligopol nicht funktioniert, lernen VWL-Studenten schon im ersten Semester.

Aber der Markt funktioniert dennoch – mittlerweile haben findige Anbieter nämlich alternative Modelle entwickelt, bei denen beispielsweise die Konnektoren im Rechenzentrum stehen und von vielen Praxen geteilt werden, was Anschaffungs- und Betriebskosten nach unten treibt. Diese Angebote sind schon heute für die Praxen deutlich günstiger und obendrein mit Erleichterungen im Betrieb verbunden. Aber auch in diesen Modellen entstehen Kosten, die durch eine gewisse Höhe der Erstattung gedeckt werden müssen.

Ausblick

Wer wird sich also durchsetzen? Und wie hoch wird letztendlich die Pauschale liegen? Wirklich seriös lässt sich das vor dem 30. Juni nicht beantworten. Offensichtlich ist aber, dass es eine Kompromisslösung durch das BMG geben wird, die irgendwo zwischen der Forderung der Kostenträger und der KBV liegen wird. Wie oben bereits erwähnt, wird die Pauschale – zumindest Stand heute – wohl eher niedrig sein, was keine gute Nachricht für alle Ärztinnen und Ärzte ist.

Der Konnektortausch und die unverzüglichen Auswirkungen für Praxen

Mindestens genauso interessant ist die Frage, welche unmittelbaren Konsequenzen die BMG-Entscheidung auf Praxen haben wird. Sollte die Erstattung nur knapp über den laufenden Kosten für TI-Zugang, Praxis- und Heilberufsausweis liegen, dann müssen die Praxen weitere Anschaffungen selbst tragen. Genau an diesem Punkt kommt der viel diskutierte Konnektortausch ins Spiel – dieser betrifft all jene Praxen, die TI-Konnektoren im Einsatz haben, deren Herstellungsdatum fünf Jahre zurückliegt. Bei diesen Konnektoren verfallen dann nämlich bestimmte Sicherheitseinrichtungen, was den Konnektor unbrauchbar macht. Es muss dann ein neuer Konnektor angeschafft werden.

Aktuell erhalten Praxen für Neuanschaffung bzw. Austausch eines Konnektors eine einmalige Erstattung in Höhe von € 2.300,-. Da diese Pauschale aber ebenfalls von der Neugestaltung der TI-Pauschale betroffen ist und ab dem 1. Juli in der monatlichen Zahlung aufgehen wird, stehen Praxen, die ihren Konnektor noch in diesem Jahr tauschen müssen, vor der Wahl:

  • Option 1: Sie können die einmalige Pauschale noch mitnehmen, indem sie den Antrag auf Erstattung noch vor dem 30.6 stellen und ihren lokalen Konnektor tauschen lassen oder von einer Rechenzentrums-Lösung Gebrauch machen (“TI as a Service”).
  • Option 2: Sie tauschen das Gerät nicht und entscheiden sich damit für die monatliche Erstattung. Für die Kosten des anstehenden Austauschs müssen sie dann zunächst in Vorkasse gehen, denn die Erstattung erfolgt dann ja sukzessive durch die monatlichen Pauschalen. Ob die monatlichen Zahlungen aber in Summe an die Höhe der Einmalerstattung herankommen, steht aktuell eben noch nicht fest.

Software-Update oder Rechenzentrums-Konnektor?

Praxen, deren Konnektor erst 2024 oder später abläuft, wird diese Entscheidung abgenommen – sie müssen sich mit den monatlichen Erstattungszahlungen zufriedengeben. Für sie soll es die zusätzliche Option geben, statt des Hardware-Tausches auch ein Software-Update ihres Geräts durchzuführen, das die Anbieter im Laufe des vierten Quartals zur Verfügung stellen wollen. Der Konnektor verbleibt dann in der Praxis, ein neues Gerät ist nicht notwendig. Aber auch dieses Update wird am Ende etwas kosten, und auch die bekannten Probleme eines Vor-Ort-Konnektors bleiben damit bestehen. Darüber hinaus werden die Geräte nicht jünger, ältere Hardware neigt erfahrungsgemäß häufiger zu Ausfällen.

Gematik und KBV weisen daher verstärkt darauf hin, dass auch die Auslagerung des Konnektors in eine Konnektorfarm, die über eine verschlüsselte Verbindung aus der Praxis heraus angesteuert wird, eine valide Möglichkeit darstellt. Da sich der Konnektor in diesem “TI as a Service”-Modell nicht mehr in der Praxis selbst befindet, kommen mehrere Vorteile gleichzeitig zum Tragen: Zum einen verringert sich der administrative Aufwand der Praxis um ein Vielfaches, da Wartungen, Updates oder Sicherungsmaßnahmen direkt vom Anbieter im Rechenzentrum übernommen werden. Zum anderen liegt die Verantwortlichkeit für den reibungslosen TI-Betrieb in den meisten Fällen nicht mehr bei der Praxis, sondern beim Dienstleister.

Ein weiterer netter Nebeneffekt: Anders als im traditionellen Konnektor-Markt herrscht in der “TI as a Service”-Branche eine gesunde marktwirtschaftliche Konkurrenzsituation mit einer Vielzahl an Anbietern. Was das für den Endverbraucher bedeutet, dürfte jedem klar sein.

Alexander_Wilms

Foto: privat

*Autor: Alexander Wilms, Geschäftsführer RED Medical Systems. Alexander Wilms betreut seit knapp 20 Jahren die allgemeinärztliche Praxis seiner Frau in IT-Fragen und war maßgeblich an der Entwicklung von RED medical, der nach Angaben des Unternehmens ersten cloudbasierten Arztsoftware, beteiligt.