Welchen Schutz bietet Adipositas-Behandlung im Kindesalter?
Marcus SefrinAdipositas ist eine chronische Erkrankung mit zahlreichen gesundheitlichen und psychischen Folgen – auch bereits im Kindes- und Jugendalter. Doch kann ihre frühzeitige Behandlung auch vor diesen Folgen schützen? Eine schwedische Registerstudie hat das nun untersucht.
Adipositas im Kindesalter ist ein gravierendes Gesundheitsproblem. Betroffene Kinder haben ein fast dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko im frühen Erwachsenenleben: Sie sterben häufiger durch Suizid und wegen somatischer Krankheiten; bei einem Viertel der Todesfälle wurde ein direkter Zusammenhang mit Adipositas angegeben. Diese Erkenntnisse stammen aus dem schwedischen Register für die Therapie der kindlichen Adipositas, auf Schwedisch „Barn Obesitas Registret i Sverige“ oder kurz BORIS. Seit über 15 Jahren stehen in dem nordischen Land evidenzbasierte Behandlungsoptionen für Adipositas bei Kindern zur Verfügung, wobei die verhaltensbasierte Lebensstil-Therapie die wichtigste Option ist.
Nur somatischer Schutz bei Adipositas-Therapie im Kindesalter
In einer aktuell publizierten Analyse der BORIS-Daten haben die Autoren die naheliegende Frage untersucht, ob eine Therapie der Adipositas schon im Kindesalter die Patienten vor den genannten Folgen schützt. Ja – aber nur teilweise, ist die Antwort. Ein erfolgreicher Gewichtsverlust konnte frühzeitigem Tod, Typ-2-Diabetes, Dyslipidämien und Hypertonie im frühen Erwachsenenalter vorbeugen, nicht aber Depressionen oder Angststörungen. „Obwohl es eine Verbindung zwischen diesen beiden Komorbiditäten gibt, müssen sie parallel behandelt werden“, schlussfolgert Hauptautorin Dr. Emilia Hagman.
Die Autoren verknüpften die BORIS-Daten von 6.713 Kindern, die bei Behandlungsbeginn im Median 12,1 Jahre alt waren und inzwischen das Erwachsenenalter erreicht hatten, mit Daten aus anderen Gesundheits- und Behördenregistern. Von den 6.713 Kindern hatten 1.070 ein gutes Therapieergebnis mit einer Verringerung des standardisierten BMI (BMI SDS) um mindestens 0,25 erzielt, bei 1.506 Kindern war es sogar zu einer Remission der Adipositas gekommen. Bei 2.913 Kindern waren die Ergebnisse zufriedenstellend (BMI SDS ±0,24), 1.224 Kinder hatten weiter an Gewicht zugenommen (BMI SDS +0,25 und mehr).
Eine Remission der Adipositas reduzierte, verglichen mit einem schlechten Ergebnis der Adipositas-Behandlung, das Risiko auf einen frühzeitigen Typ-2-Diabetes deutlich um 84 Prozent: Nur 8 gegenüber 33 Kindern erkrankten daran. Die Remission schützte die Kinder auch vor Hypertonie (adjustierte Hazard Ratio [aHR] 0,40) oder vor einer Dyslipidämie (aHR 0,22); eine bariatrische Operation später im Leben war seltener (aHR 0,14).
Lebensstil-Therapie bleibt Basis
Während der in der Analyse untersuchten Interventionsphase waren GLP-1-Rezeptor-Agonisten zur Behandlung von Adipositas bei Kindern in Schweden noch nicht zugelassen. Hagman zeigte sich angesichts ihres Effekts auf das Hungergefühl als Befürworterin von deren Einsatz auch bei Kindern, betonte aber, dass die Lebensstil-Therapie der Grundpfeiler jeder Behandlung der kindlichen Adipositas bleibt.
Adipositas-DMP auch für Kids
Im November hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein altersgerechtes Disease-Management-Programm (DMP) für Kinder und Jugendliche mit Adipositas beschlossen. Es setzt auf zertifizierte Therapieprogramme und strukturierte und standardisierte Schulungen zur Verbesserung von Ernährung und Aktivität.
Resthie R et al. JAMA Pediatrics 2025; doi:10.1001/jamapediatrics.2024.5552