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Geldanlagen

Wenn nur 100 Millionen der 2,7 Milliarden Facebook-Nutzer mitmachen, hätte die Währung schon mehr Kunden als der gesamte deutsche Bankenmarkt. Facebook wäre damit auf einen Schlag systemrelevant. Dabei denkt der Internet-Konzern bereits viel größer. Facebook schließt sich mit anderen Unternehmen aus verschiedenen Geschäftsfeldern   zu einer Allianz zusammen. Gemeinsam will man die Kryptowährung verwalten. Bereits 28 Mitglieder, das Who’s Who der Zahlungs- und Technologiewelt, sind bereits Teil des Projektes. Darunter sind Finanzdienstleister wie Visa, Mastercard, Paypal aber auch Vodafone, Ebay, der Musikstreaming-Dienst Spotify sowie die Fahrdienstvermittler Uber und Lyft. Bis zum Start der Währung im Sommer 2020 soll die Allianz mehr als 100 Mitglieder haben.

Geschäftsmodell der Banken ist bedroht

Facebook stellt das traditionelle Bankensystem auf den Kopf und bedroht das Geschäftsmodell der Banken. Ziel ist es, eine Infrastruktur bereitzustellen, die es ermöglicht, weltweit Zahlungen schnell, einfach und kostengünstig abzuwickeln. Ein besonderer Vorteil besteht darin, dass die Nutzung der Digitalwährung über Mobiltelefone möglich ist. Vor allem Nutzer in Entwicklungs- oder Schwellenländern werden profitieren. Zurzeit sind weltweit 1,7 Milliarden Erwachsene – fast ein Drittel der Weltbevölkerung – vom Finanzsystem ausgeschlossen und haben keinen Zugriff auf ein Bankkonto. Ein Mobiltelefon besitzen jedoch die meisten. Schätzungen zufolge könnte mehr als einer Milliarde Menschen auf der ganzen Welt unkompliziert der Zugang zu Finanzdienstleistungen ermöglicht werden. Ein Bankkonto braucht man dann in Zukunft nicht mehr. Problemlos kann innerhalb der Netzwerke WhatsApp, Facebook oder Instagram Geld überwiesen werden.

Vermutlich würden Transaktionsgebühren erheblich sinken. Gerade bei grenzüberschreitenden Transaktionen besteht ein enormes Einsparpotenzial. Derzeit werden bei solchen Überweisungen oft bis zu zehn Prozent und mehr des Transaktionsvolumens als Gebühren berechnet. Durch Transaktionen innerhalb der bestehenden Infrastruktur des Internetkonzerns werden vermutlich nur noch verschwindend geringe Gebühren anfallen. Darüber hinaus bietet die zugrunde liegende Blockchain-Technologie der Digitalwährung auch die einfache Möglichkeit, komplexere Finanzdienstleistungen wie Kredite oder Finanzierungen mobil abzuwickeln. Dabei bietet die zugrunde liegende Libra-Blockchain eine beeindruckende Transaktionsgeschwindigkeit von bis zu 1.000 Transaktionen pro Sekunde. Der Besuch einer Bankfiliale wäre dafür überflüssig.

Blockchain-Währungen wegen Kursschwankungen berüchtigt

Bisherige Blockchain-Währungen wie Bitcoin sind für ihre massiven Kursschwankungen berüchtigt. Um das auszuschließen, ist Libra als Stable Coin konzipiert. Diese repräsentieren einen stabilen Wert in digitaler Form. So kann ein Stable Coin entweder für eine bestimmte Menge an Fiatwährungen (US-Dollar, Euro, japanischer Yen etc.) oder auch für die entsprechende Menge an Rohstoffen (eine Unze Gold, ein Fass Öl etc.) stehen. Damit sollen die typischen Kursschwankungen bei Kryptowährungen umgangen werden. Des Weiteren ermöglicht ein Stable Coin den schnellen Tausch von einem Krypto-Asset wie Libra in ein traditionelles Asset wie US-Dollar oder Gold, ohne das man das Krypto-Ökosytem verlassen muss. Ein Stable Coin ist eigentlich ein Krypto-Derivat, also die Abbildung von einem Basiswert in Form eines Token.

Facebook plant, gemeinsam mit seinen Partnern, Libra in vollem Umfang durch einen Reservefonds mit verschiedenen Währungen wie Dollar, Euro und Yen abzusichern. Wenn zum Beispiel jemand Libra für 100 Euro kauft, fließen diese 100 Euro in den Reservefonds. Aus diesem Grund verlangt Facebook von jedem seiner Konsortialmitglieder eine Einzahlung von zehn Millionen Dollar. Facebook könnte von den geplanten 100 Projektpartnern insgesamt eine Milliarde US-Dollar einnehmen. Dieses Kapital soll zur Hinterlegung des Coins mit realen Vermögensgegenständen verwendet werden. Als Kontrollorgan fungiert die Libra Association. Dort sind alle Partner gleichberechtigt vertreten. Facebook soll dabei einer von vielen sein. Die Libra Association legt fest, in welchem Verhältnis Währungen und Wertpapiere wie Anleihen in der Reserve gehalten werden, um für einen stabilen Kurs zu sorgen. Auch wird Libra anders als der Bitcoin nicht von den Nutzern selbst erstellt, sondern muss bei Mitgliedern der Allianz oder auf Handelsplattformen erworben werden.

Nutzung von Libra einfach und global einsetzbar

Die Einführung von Libra wird die Welt der Banken massiv verändern. Viele Dienstleistungen der derzeitigen Platzhirsche werden über Nacht überflüssig. Die Geschäftsmodelle der klassischen Finanzintermediäre sind dadurch massiv bedroht. Entsprechend laut ist der globale Aufschrei. Der Ruf nach strenger Aufsicht und Regulierung eint derzeit Noten- und Geschäftsbanken. Vor allem in Deutschland und Europa laufen Datenschützer Sturm. Leider überwiegen die Bedenkenträger und sorgen damit dafür, das Europa und vor allem Deutschland bei dieser Entwicklung außen vor bleiben. 75 Prozent der Unternehmen und Organisationen, die bislang zu dem Libra Konsortium gehören, sind in den USA beheimatet. Fast 40 Prozent haben ihre Zentrale in Kalifornien. Alle wichtigen Entscheidungen für die neue Kryptowährung mit globalem Anspruch werden daher vor allem aus der US-Perspektive getroffen. Deutschland steht auch hier an der Seitenlinie.

Es ist damit zu rechnen, dass sich bei einem Start die Kryptowährung Libra sehr schnell etablieren wird. Viele bisherige Zahlungswege werden mit hoher Wahrscheinlichkeit verdrängt werden. Seit einem knappen Jahr ist es auch in Deutschland möglich, mittels Google Pay oder Apple Pay mobil zu bezahlen. Wer es nutzt, hier spreche ich aus eigener Erfahrung, greift immer seltener zum klassischen Bargeld und will die Vorteile nicht mehr missen. Libra erfüllt die drei gängigen Funktionen des Geldes : Es ist Zahlungsmittel, Tauschmittel und Wertaufbewahrungsmittel. Die Nutzung ist einfach und global einsetzbar. Wer braucht dann noch bedrucktes Papier?

Autor: Markus Richert, Finanzplaner bei der Portfolio Concept Vermögensmanagement GmbH in Köln.