Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Honorare

Kontrastmittel sind für Ärzte und Patienten ein Segen, denn sie machen bei Untersuchungen im CT oder MRT Auffälligkeiten besser sichtbar. Geschätzt fünf Millionen Patienten erhalten jedes Jahr ein Kontrastmittel gespritzt. Ein lohnendes Geschäft. Laut einem gemeinsamen Bericht von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung auch für die behandelnden Ärzte.

Dem Bericht zufolge können Radiologen in fünf Bundesländern durch die Abrechnung von Kontrastmitteln mehrere Zehntausend Euro zusätzlich im Jahr verdienen. Möglich ist das, wenn Kontrastmittel bei Pharmaunternehmen ohne Preisbindung eingekauft und zu einer festen Pauschale bei den Krankenkassen abgerechnet werden.

Zusatzeinnahmen von 100.000 Euro – pro Gerät

Die Recherche, die auf internen Unterlagen von Radiologiepraxen und Pharmaherstellern basieren soll, zeigt zum Beispiel, dass Radiologen in Bayern ein MRT-Kontrastmittel zum Preis von 760 Euro je Liter einkaufen und bei den Krankenkassen dafür 3.900 Euro abrechnen können. Dank der Kontrastmittel-Pauschalen seien so mit einem einzigen MRT-Gerät Zusatzeinnahmen von rund 100.000 Euro pro Jahr möglich. Außer in Bayern können Radiologen auch in Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen Kontrastmittel über Pauschalen abrechnen.

Dass Ärzte die Präparate zu Preisen einkaufen, die deutlich unter den Pauschalen liegen und somit noch an einer Art Handelsspanne verdienen, stößt nach Veröffentlichung der Recherche-Ergebnisse nun auf massive Kritik. Der Bericht prangert an, dass auf diese Weise mehr als 100 Millionen Euro im Gesundheitswesen “versickern” – Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht werde.

Strafwürdiges Modell?

Der ehemalige Vorsitzende Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer hält das Modell gar für “strafwürdig”. Die Pauschalen nützten “weder den Patienten noch den Krankenkassen noch dem Solidarsystem. Sie führen zur ungerechtfertigten Bereicherung von Einzelnen und das ist nicht zu akzeptieren.” Fischer fordert deshalb die Krankenkassen auf, dieses Modell zu beenden. Und der Gesetzgeber solle dafür sorgen, dass diese enormen Zusatzgewinne untersagt werden.

Auch einige Radiologen lehnen die Zusatzgewinne ab. So sagt Prof. Dr. Henrik Michaely aus Karlsruhe, der im Auftrag der Deutschen Röntgengesellschaft die Sicherheit von Kontrastmitteln bewertet: “Sobald ich als Arzt Geld verdienen kann mit dem Handel von Kontrastmitteln, sehe ich das eigentlich auch als Verstoß gegen die Berufsordnung von uns Ärzten”. Dort heißt es, Ärzten sei es nicht gestattet, sich für den Bezug von Arznei- oder Hilfsmitteln Vorteile gewähren zu lassen.

Gesundheitliche Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

Richtig kritisch wird es allerdings bei der Datenauswertung von 28 radiologischen Praxen des “Radiologienetzes Deutschland”: Die Analyse legt laut Bericht nahe, dass Ärzte in jenen Bundesländern, in denen sie an Kontrastmitteln verdienen können, doppelt so viel MRT-Kontrastmittel einsetzen wie in den Bundesländern, in denen die Abrechnung direkt über die Krankenkasse läuft. Das ist nicht nur moralisch verwerflich, sondern auch für die betroffenen Patienten problematisch, weil einige dieser Kontrastmittel im Verdacht stehen, seltene schwere Nebenwirkungen verursachen zu können.

Warum funktioniert die hohe Marge nur in fünf Bundesländern?

Ob Radiologen Kontrastmittel über lukrative Pauschalen abrechnen können oder nicht, vereinbaren vor Ort jeweils die Krankenkassen mit der Kassenärztlichen Vereinigung. Federführend ist hierbei die AOK der jeweiligen Region. Im Gegensatz zu den fünf Ländern mit dem Pauschal-Modell wird beispielsweise in Berlin und Schleswig-Holstein die Lieferung von Kontrastmitteln öffentlich ausgeschrieben. Die für Berlin zuständige AOK Nordost teilte auf Anfrage der Rechercheure mit, dass man dadurch Einsparungen von 7,7 Millionen Euro pro Jahr erwarte.

Auf das gesamte Bundesgebiet hochgerechnet, ergäbe das eine Einsparsumme von 180 Millionen Euro für die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). Eine Einmischung von gesetzlicher Seite soll es trotzdem nicht geben: Auf Anfrage von NDR, WDR und SZ teilte das Bundesgesundheitsministerium mit, dass es die Verantwortung bei den Krankenkassen sehe. Sie müssten sich auch bei den Vereinbarungen über Kontrastmittel an das Wirtschaftlichkeitsgebot halten. “Bei Verstößen können die Aufsichtsbehörden der Krankenkassen einschreiten”, diese müssten die “Einhaltung des Wirtschaftlichkeitsgebots im Einzelfall prüfen”, so das Bundesgesundheitsministerium.

Bisherige Praxis steht nun auf dem Prüfstand

Die AOK Nordrhein, die AOK Rheinland, die AOK Nordwest, die AOK Bayern, die AOK Niedersachsen, die AOK Nordost und der AOK Bundesverband lehnten ein Interview zum Thema Kontrastmittel ab. Schriftlich teilte die AOK Bayern auch im Namen der anderen bayerischen Krankenkassen mit: “Die aktuelle Auswertung der Zahlen belegt, dass Ärzte zu teils deutlich niedrigeren Preisen Kontrastmittel beziehen, als von den Krankenkassen über die Pauschalen vergütet wird.” Deshalb verhandle man nun, um “künftig eine Vergütung auf Grundlage von Marktpreisen zu erreichen”. Die für den Bereich Westfalen-Lippe zuständige AOK Nordwest schrieb auf Anfrage: “Mit der jetzt bestehenden juristischen Klarheit wird derzeit geprüft, ob eine Ausschreibung von Kontrastmitteln auch für die GKV in Westfalen-Lippe umgesetzt werden kann.”

Die komplette Sendung “Radiologen: Extra-Profit mit Kontrastmitteln” sehen Sie hier