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Finanzen

Nehmen wir ein prägnantes Bild, um zu verstehen, wie die Sache mit der Inflation läuft: Da hantiert ein Knirps am Küchentisch mit einer Ketchup-Flasche, aus der einfach nichts herauskommen will. Deshalb schüttelt er immer wilder und wilder. Bis auf einen Schlag viel zu viel der roten Soße aus dem Flaschenhals schwappt und im hohen Bogen auf Kleidung, Tisch und Boden klatscht.

Notenbanker und die Ketchup-Inflation

Auch mit der Geldentwertung geht es ähnlich daneben. „Nur dass die Notenbanken die Flasche mit Geld befüllt haben und das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in der Wirtschaft darüber entscheidet, wie viel Ketchup, sprich Inflation, aus der Flasche fliegt“, sagt Timon Heinrich von der Berliner Vermögensverwaltung Hansen & Heinrich, der seinen Wohnsitz im Allgäu hat. In der Tat haben die EZB und die Federal Reserve in den USA die Inflations-Flaschen seit der Finanzkrise 2008 mit viel Geld befüllt, um gegen die viel befürchtete Deflation vorzugehen. Doch trotz der rauen Geldmengen blieb die Inflation über Jahre niedrig. Die Gründe: „Ein Gutteil des Geldes ist in die Finanz- und Immobilienmärkte gewandert und hat vor allem dort die Preise getrieben. Zudem sorgten Technologie und Globalisierung für niedrige Verbraucherpreise“, so Heinrich.

Erst kaputte Lieferketten, dann der Krieg

Der Brexit, dann Corona und schließlich der Angriff Russlands auf die Ukraine haben dies grundlegend verändert. So zerbrachen wegen der Covid-Strategie der Chinesen fragile Lieferketten in der Weltwirtschaft. Und der Krieg in der Ukraine ließ die Preise für Energie und Nahrungsmittel in die Höhe schnellen. Außerdem betrieben etliche Staaten wegen Corona mithilfe der Notenbanken großzügige Scheckbuch-Politik für die Bevölkerung, was die Geldmenge weiter erhöhte. „Das alles treibt die Inflation aus der Flasche und die Verbraucherpreise nach oben“, sagt Claus Walter von der Freiburger Vermögensmanagement GmbH. Und es untergräbt auf Dauer die Wohlstands-Effekte, die die globale Arbeitsteilung mit sich brachte. „Wenn sich diese Trends nicht umkehren, wird die Inflation nicht dauerhaft sinken. Und bis auf Weiteres sieht es nicht nach einer Trendwende aus“, glaubt Vermögensprofi Walter.

Wenn Autos um die Hälfte schrumpfen

Was bedeutet es nun fürs Geldvermögen der Deutschen, wenn die Verbraucherpreise weiter so steigen? „Selbst wenn die Inflationsrate etwas sinkt, wird sich die Kaufkraft des Vermögens deutlich verringern. Bei einer Inflation von fünf Prozent geht sie in drei Jahren um 15, in fünf Jahren um 23 und in zehn Jahren um 40 Prozent zurück“, rechnet Timon Heinrich vor. Das heißt: In fünf Jahren können sich Sparer von ihrem Geld nur noch 75 Prozent Haus und in zehn Jahren etwa nur noch ein halbes Auto leisten. Für den Vermögensprofi ist es daher keine Option, Geld auf einem unverzinsten Konto liegen zu lassen: „Das vernichtet Vermögen. Sparer, die nicht verlieren wollen, müssen Anleger werden – jetzt!“

Der beste Inflationsschutz: Langfristig hohe Renditen

Doch mit welchen Geldanlagen können frischgebackene Anleger ihre Kaufkraft langfristig am besten erhalten oder sogar vermehren? In Deutschland gelten besonders Gold und Immobilien als guter Inflationsschutz. Der Blick auf die Fakten bestätigt das jedoch nicht (siehe Interview). Tatsache ist: Der beste Inflationsschutz ist der Sachwert, der auf lange Sicht die höchsten Renditen erzielt und der auch in Zeiten höherer Inflation akzeptable Ergebnisse liefert. Diese Anforderungen erfüllen nur Aktien, mit denen Anleger Miteigentümer am Produktivkapital einer Wirtschaft werden. „Kurzfristig muss man Schwankungen aushalten können, doch langfristig sind Aktien wegen ihrer nachweislich hohen Renditen der beste Inflationsschutz. Damit kann keine andere Anlageklasse mithalten“, erklärt Timon Heinrich.

An Aktien führt kein Weg vorbei

Anleger können es sich einfach machen und einen ETF auf den Weltaktien-Index MSCI World mit rund 1.600 Aktien kaufen. Darin sind auch Aktien der Unternehmen enthalten, die in inflationären Zeiten ihre besten Geschäfte tätigen. Alternativ können Anleger eben jene Unternehmen höher gewichten, indem sie zusätzlich zu einem Basis-Investment Aktien oder ETFs aus den Gewinner-Branchen beimischen (siehe Tabelle im Interview mit Timon Heinrich). „Dazu zählen Aktien von Unternehmen, die steigende Preise an Kunden weitergeben können, weil ihre Produkte unverzichtbar sind“, sagt Claus Walter. Zu nennen sind hier vor allem Branchen wie Gesundheit, Basiskonsumgüter und Energieversorger.

Etliche interessante Branchen

Interessant könnten auch Branchen bzw. Unternehmen sein, deren Produkte so begehrt oder beliebt sind, dass sie ebenfalls höhere Preise durchsetzen können. Das schließt die Hersteller von Luxusgütern und angesagter Marken und Labels für kaufkräftige Schichten mit ein. Nicht zuletzt bieten sich Aktien von Unternehmen aus dem Rohstoffsektor oder der Landwirtschaft an. „Allerdings schwanken die Kurse von Rohstoff-Produzenten stark. Von einem Abflauen der Inflation wären diese Firmen am stärksten betroffen. Die Sektoren Basiskonsumgüter oder Gesundheit laufen auch in nicht-inflationären Zeiten recht gut“, so Vermögensprofi Walter.

Autor: Jürgen Lutz