Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Steuern

Um eine Arztpraxis steuerbegünstigt zu verkaufen, muss der bisherige Inhaber die „wesentlichen vermögensmäßigen Grundlagen“ seiner  Tätigkeit „entgeltlich und definitiv“ auf den Nachfolger übertragen. Und er muss seine freiberufliche Tätigkeit im bisherigen Wirkungskreis einstellen. Wann eine solche „definitive“ Übertragung der wesentlichen Betriebsgrundlagen vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. (Bundesfinanzhof, Az. VIII B 131/19).

Anstellung ja, Freiberuflichkeit eher nein

In dem Fall ging es um die Veräußerung einer Steuerberaterkanzlei. Es wurde vereinbart, dass der bisherige Inhaber nach dem Verkauf für die Kanzlei tätig bleiben und danach als Partner fungieren sollte. Der Kaufpreis wurde unter der Bedingung vereinbart, dass der Alt-Inhaber zur Erhaltung des Mandantenstamms und der Höhe des Umsatzes beiträgt. Andernfalls sollte die Summe um die Hälfte der weggefallenen Umsätze gekürzt werden.

Der alte Inhaber beendete nach ca. drei Jahren seine Tätigkeit für die bisherige Kanzlei.  Er nahm anschließend eine steuerberatende Tätigkeit von seinem Arbeitszimmer aus auf. Das Finanzamt monierte, dass er nach 30 Monaten in seinem bisherigen örtlichen Wirkungskreis seine selbstständige Tätigkeit wieder aufgenommen habe. Damit habe er die Wartezeit bis zur steuerlich unschädlichen Wiederaufnahme von wenigstens drei Jahren nicht eingehalten. Das Finanzamt verwehrte deshalb im Nachhinein die Tarifbegünstigung für die Veräußerung der Kanzlei. Der Fall wurde streitig und landete schließlich vor dem BFH.

Die obersten deutschen Finanzrichter entschieden:

  • Eine starre zeitliche Grenze, nach der ein Praxisveräußerer seine Tätigkeit steuerunschädlich wieder aufnehmen kann, gibt es nicht. Entsprechend gibt es auch keine „Wartezeit“ von mindestens drei Jahren.
  • Vielmehr sind bei der Frage nach der Steuerbegünstigung neben der Dauer der Berufsabstinenz noch weitere Faktoren zu berücksichtigen, unter anderem die Fragen, wo der Abgebende seine Tätigkeit wieder aufnehme und inwieweit sie seiner alten Tätigkeit ähnele.
  • Je nach den Umständen des Einzelfalls kann es damit ausreichend sein, wenn zwischen der Veräußerung der Praxis und der Wiederaufnahme der selbstständigen Tätigkeit etwa zwei bis drei Jahre liegen.

Zudem entschied der BFH, dass es grundsätzlich unschädlich ist, wenn der Veräußerer als Arbeitnehmer oder freier Mitarbeiter im Auftrag und für Rechnung des Erwerbers tätig wird. Auch eine geringfügige Fortführung der bisherigen freiberuflichen Tätigkeit ist zulässig.

Fazit: Auch wenn die Entscheidung explizit nur die Veräußerung einer Steuerberaterkanzlei betrifft, lassen sich die Aussagen in vielen Bereichen auch auf den Praxisverkauf übertragen. Schwierigkeiten kann es allerdings geben, weil der BFH eine andere Linie vertritt als das Bundesministerium der Finanzen. Insofern ist weiterhin Vorsicht geboten und die umfassende (steuerliche) Beratung beim Praxiskauf bleibt unabdingbar.