Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Versicherungen

Fehler passieren, auch in der Medizin. Nach Angaben der Gutachterkommission und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern gibt es Jahr für Jahr in Deutschland etwa 11.000 Behandlungen, bei denen ein ärztlicher Fehler vermutet wird und die deshalb vor den Bewertungsgremien landen.

Zwar geht längst nicht jede (behauptete) Schädigung eines Patienten auf einen Behandlungsfehler zurück: In etwa drei Viertel der untersuchten Fälle finden die Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversiche­rung keinen Behandlungsfehler. Das belegt dessen aktu­elle Begutachtungsstatistik für das Jahr 2019.

Dennoch ist es für jeden praktizierenden Arzt unabdingbar, eine leistungsstarke, auf den eigenen Tätigkeitsbereich zugeschnittene Berufshaftpflichtversicherung zu besitzen. Und zwar aus mehreren Gründen.

Zum einen verpflichten die Landes­ärztekammern ihre Mitglieder in den Berufs­ordnungen dazu, sich gegen Haftpflicht­ansprüche zu versichern. Zum anderen verhindert im Ernstfall oft nur eine solche Versicherung den finanziellen Ruin des behandelnden Arztes: Denn auch wenn man in Deutschland von „amerikanischen Verhältnissen“ noch weit entfernt ist, beobachten Experten in den vergangenen Jahren einen konstanten Anstieg nicht nur der Verfahren, sondern auch der Summen, die den geschädigten Patienten zugesprochen werden. Umso dramatischer sind oft die Folgen, wenn ein Versicherer einem Arzt oder einer Ärztin den Vertrag kündigt. Wie Praxisinhaber in einer solchen Situation reagieren können und welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, sich gegen den Rauswurf zur Wehr zu setzen, hat ARZT & WIRTSCHAFT für Sie zusammengestellt. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die meisten Versicherungen können den Vertrag mit einem Kunden nach einem Schadensfall kündigen. Gilt das auch für die Berufshaftpflichtversicherung?

Grundsätzlich ja. „Je nachdem, was in den Versicherungsbedingungen geregelt ist, kann die Gesellschaft den Versicherungsvertrag nach Eintritt eines Leistungsfalles bzw. nach einer Schadensersatzleistung oder dem Eingang einer Klage auf Schadensersatz kündigen“, sagt Jürgen Wahl, Fachanwalt für Medizin- und Versicherungsrecht in Hanau und Offenbach. Die Kündigung muss in der Regel binnen eines Monats ab der Schadensersatzzahlung, der Ablehnung oder des Zugangs der Klage erklärt werden. Sie wird dann binnen eines Monats ab Zugang der Kündigung wirksam.

Wer diese Möglichkeit ausschalten will, sollte ein Produkt wählen, das auf dieses Sonderkündigungsrecht verzichtet. Manche Tarife für eine Berufshaftpflichtversicherung verzichten explizit auf ein Kündigungsrecht im Schadensfall. Das heißt jedoch nicht, dass dem Arzt oder der Ärztin der Versicherungsvertrag für alle Zeiten sicher ist. „Jedes Versicherungsunternehmen hat ein ordentliches Kündigungsrecht zum Ende des versicherten Zeitraums“, so Wahl. Um es wirksam auszuüben, müssen die Gesellschaften allerdings die Kündigungsfristen wahren  – in der Regel drei Monate vor Ablauf des Versicherungszeitraums.

Wie sollten Berufsträger bei einer Kündigung reagieren?

Das Berufsrecht verpflichtet Ärztinnen und Ärzte zwar, sich hinreichend gegen Haftungsrisiken abzusichern. „Anders als etwa bei Rechtsanwälten führt der Wegfall des Versicherungsschutzes aber nicht automatisch zum Verlust der Approbation“, sagt Rechtsexperte Jürgen Wahl. Damit ist indes nicht viel gewonnen. Denn abgesehen von den finanziellen Risiken, die ein fehlender Versicherungsschutz für den Praxisinhaber bedeutet, besteht die Gefahr des Approbationsverlustes am Ende doch: Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts München kann die Weigerung eines Arztes, eine Berufshaftpflichtversicherung zu unterhalten, im Einzelfall einen schweren berufsrechtlichen Verstoß darstellen, der doch wieder den Entzug der Approbation zur Folge haben kann.

Wie viele Behandlungsfehler dulden die Versicherer, bevor sie kündigen?

Das lässt sich pauschal nicht beantworten. „Bevor ein Versicherer wegen einer Schadenshäufung kündigt, bietet er dem Kunden meist an, den Vertrag zu sanieren“, sagt Rechtsanwalt Jürgen Wahl. Im Ergebnis steigen dabei allerdings meist Selbstbehalt und die Beiträge. „Kommt es doch zu einer Kündigung, sollte der Arzt zunächst prüfen, ob wirklich ein ausreichender Kündigungsgrund vorliegt, ob die Kündigung fristgerecht erklärt wurde und ob sie durch eine vertretungsberechtigte Person eigenhändig unterschrieben wurde“, sagt Jürgen Wahl.

Sind diese Fragen zu bejahen, gilt es, sich schnellstmöglich um eine neue Police zu bemühen. Das kann allerdings schwierig werden, da viele Anbieter bei Vorschäden den Abschluss verweigern. „Spätestens dann bietet es sich an, professionelle Hilfe durch einen Anwalt oder einen auf Sanierungsfälle spezialisierten Versicherungsvermittler in Anspruch zu nehmen“, sagt der Jurist.

Gibt es auch Versicherer, die Risikokunden aufnehmen?

Durchaus. Zwar sind die Gesellschaften grundsätzlich nicht verpflichtet, einen Vertrag mit einen Arzt abzuschließen, der bereits wegen Behandlungsfehlern aufgefallen ist. Es gibt aber Versicherer, die sich per Rahmenvertrag mit den Ärztekammern einen solchen Kontrahierungszwang auferlegt haben.

Am häufigsten passieren Behandlungsfehler hier:
  1. Unfallchirurgie/Orthopädie
  2. Hausärztlich tätiger Arzt
  3. Augenheilkunde
  4. Innere Medizin
  5. Frauenheilkunde
  6. Allgemeinchirurgie
  7. Radiologie
  8. Haut- und Geschlechtskrankheite
  9. Urologie
  10. HNO-Heilkunde
Quelle: Bundesärztekammer

Häufigste Behandlungsfehler 2019 im ambulanten Bereich:
  1. Diagnostik, bildgebende Verfahren
  2. Diagnostik, Anamnese/Untersuchung
  3. Diagnostik, Labor/Zusatzuntersuchungen
  4. Therapie operativ, Durchführung
  5. Therapie, Pharmaka
  6. Indikation
  7. Dokumentation
  8. Diagnostik, allgemein
  9. Stationäre Einweisung
  10. Überweisung, Facharzt, Konsil

Quelle: Bundesärztekammer