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Versicherungen

Als Ines Lindstedt die Fotos auf dem Handy sieht, muss sie sich hinsetzen. Der Mann der Physiotherapeutin steht in ihrer Praxis knöcheltief in Fäkalwasser und dokumentiert einen Wasserschaden. Eine Rohrverstopfung hat die 200 m²-Räumlichkeiten der Bitterfelderin überflutet. Die trockene Erkenntnis: Ein Fortführen der Praxis am darauffolgenden Montag ist ausgeschlossen.

Neustart mit Ein-Frau-Praxis

Diesen Sonntagabend Ende Mai wird Lindstedt so schnell nicht vergessen. Heute, sechs Monate später, ist sie schlauer und fängt von vorne an. Statt mit vier Mitarbeitern an der Seite startet die Therapeutin in neu gemieteten Räumen als Ein-Frau-Praxis erneut durch. „Auf Vieles, was ich im zurückliegenden Halbjahr erlebt habe, hätte ich gut verzichten können“, sagt Lindstedt. Verzögerte Zahlungen, Diskussionen mit dem Vermieter, Anwaltskosten und Klärungen mit Sachverständigen und Versicherung gehören für sie zu den größten Ärgernissen.

Finanzberater Markus Sobau kann den Groll der Unternehmerin gut verstehen. Der Mannheimer Makler ist für die Unternehmerin zuständig. Allerdings hatte er erst sechs Wochen nach dem Schadensfall davon erfahren. Über ein Schreiben des Versicherers. Lindstedt hatte sich direkt an diesen gewandt, um den Schaden zu melden. „Ein Fehler, der immer wieder aus Unkenntnis passiert“, wie Sobau weiß. Denn wer wie die Unternehmerin, einen Rahmenvertrag über den Berufsverband hat, genießt Vorteile. Einer ist zum Beispiel, dass ein Makler die Korrespondenz mit den Versicherern übernimmt. „Wir wissen, wie Fragebögen auszufüllen sind“, verdeutlicht Sobau einen einfachen Kniff. Rückfragen würden so vermieden und damit seien schnelle Geldflüsse möglich.

Schadensdokumentation ist wichtig

Wichtig sei beispielsweise, neben der Schadensdokumentation über Fotos, sofort einen Handwerker zu beauftragen, der einen Kostenvoranschlag für die Sanierung erstellt. „Wir reichen diesen beim Versicherer ein und binnen zwei Wochen ist das Geld im Normalfall auf dem Konto“, sagt Sobau. Lindstedt hingegen wartete drei Monate auf den ersten Abschlag in Höhe von 10.000 Euro. Zu wenig, um vier Mitarbeiter weiterbeschäftigen zu können. Diesen musste die Therapeutin kündigen. Auch die Sanierung der Praxisräume verzögerte sich. Lindstedt suchte sich daraufhin eine kleinere Fläche und fängt erst sechs Monate nach dem Schaden wieder an zu arbeiten.

Unterm Strich hat die Betriebsunterbrechungsversicherung (BU) inzwischen knapp 50.000 Euro bezahlt. Mehr als 8.000 Euro pro Monat. Darin enthalten ist auch der entgangene Gewinn. Über 6.000 Euro für Lager- und Transportkosten verhandelt Lindstedt noch. Diese waren angefallen, weil 150-Kilogramm schwere Trainingsgeräte ausgelagert werden mussten. Regulär fallen solche Kosten nicht unter die Versicherungsleistungen einer BU. „Wichtig zu wissen“, sagt Lindstedt.

Viele Ärzte und Therapeuten ohne Versicherungsschutz

Der Fall zeigt, eine BU lohnt sich – unabhängig des Ärgers, den ein Schadensfall im Detail mit sich bringt. Dennoch haben viele selbstständige Ärzte und Therapeuten keinen entsprechenden Schutz. Dabei sind die monatlichen Kosten von rund 30 Euro für eine Versicherungssumme von 500.000 Euro überschaubar und können im Notfall Existenzen retten. Eine Erhebung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt: Etwa ein Drittel der Kosten bei Sachschäden werden durch Betriebsunterbrechungen verursacht. Der größte Sachschaden 2015, mit 265 Millionen Euro, war ein Großbrand in einem Schlachthof. Davon entfielen 120 Millionen Euro auf die Kosten der Betriebsunterbrechung. Das sind mehr als 45 Prozent der Gesamtsumme. Branchenübergreifend zeigt sich in den zurückliegenden 20 Jahren, dass der Anteil der BU-Kosten bei Sachschäden ein Drittel des Gesamtschadens ausmacht – und damit mehr als 400 Millionen Euro jährlich.

Für Ines Lindstedt bleibt trotzdem etwas Frust. Ihre neue Praxis muss die Physiotherapeutin in einem anderen Stadtteil eröffnen. Stammkunden werden ihr dahin wohl kaum folgen, befürchtet sie. Dennoch gibt sie sich optimistisch. „Ich bin schließlich Unternehmerin und weiß wie das Geschäft geht“, gibt sie sich kämpferisch.

Infos kompakt:

Vorne vorweg sollte das Inventar, sowie Produkte und Rohstoffe in Geldwerten und mittels Fotos festgehalten werden. Dabei ist es wichtig den Neuwert zu notieren, damit im Schadensfall auch neue Geräte erworben werden können. Zudem sollte laut den Verträgen der Betriebsunterbrechungsversicherung der echte Neuwert im Schadensfall gezahlt werden. Zwei Drittel der Versicherungsgeber tricksen hier und zahlen nur den Restwert des Inventars. Zum Ganzen sollte auch die Jahresleistung betrachtet werden. Also Einnahmen und Verbindlichkeiten, die monatlich anfallen. Daraus ergibt sich häufig eine Versicherungssumme, die schnell an der 500.000 Euro-Marke kratzt. Je nach abgedeckter Summe steigen die jährlichen Versicherungsbeiträge linear an. Bei 500.000 Euro liegt der Jahresbeitrag bei durchschnittlich 325 Euro, die im Notfall die Existenz retten können. Bei einer Million verdoppelt sich dementsprechend der Beitrag.