Wie viele Plausibilitätsprüfungen sind zu viele?
Judith MeisterErfreuliche Entscheidung des Sozialgerichts Marburg: Die Kassenärztliche Vereinigung verbraucht ihr Recht auf weitere Plausibilitätsprüfungen, wenn sie sich diese in einem bereits ergangenen Honorarrückforderungsbescheid nicht ausdrücklich vorbehält.
Ein niedergelassener hausärztlicher Internist muss nach einer Plausibilitätsprüfung im Jahr 2008 für die Quartale I 2006 bis I 2007 rund 5000 € Honorare zurückzahlen. Der Vorwurf: Der Mann habe seine Zeitprofile überschritten, also mehr Leistungen erbracht, als er an einem Arbeitstag beziehungsweise in einem Quartal erbringen kann. Der Arzt widersprach dem Bescheid.
Ende 2010 führte die KV eine weitere Plausibilitätsprüfung für die Quartale IV 2005 bis IV 2007 durch. Diesmal prüfte sie, ob der Arzt zu viele Patienten gemeinsam mit einer im selben Haus angesiedelten Praxisgemeinschaft behandelt hatte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass solche Patientenidentitäten von jeweils rund 50 Prozent in den geprüften Q vorlagen und forderte rund 10.000 € Honorare zurück.
Auch gegen diesen Bescheid legte der Arzt Widerspruch ein. Jedoch blieb dieser, wie schon der erste, ohne Erfolg. Der Fall wurde streitig. Er landete vor dem Sozialgericht Marburg – und endete mit einem Sieg für den Mediziner (Az. S 18 KA 52/16).
Plausibilitätsprüfungen können unterschiedliche Stoßrichtungen haben
Zwar konstatierte das Gericht, dass die Regeln zur Plausibilitätsprüfung (§ 106d Absatz 2 SGB V) sowohl zeitbezogene als auch patientenbezogene Schwerpunkte haben können. Dabei seien beide Prüfungen Teil eines einheitlichen, auf dasselbe Ziel gerichteten Verfahrens.
Im konkreten Fall habe die KV jedoch nicht mehr das Recht gehabt, eine weitere Plausibilitätsprüfung durchzuführen.
Das Argument: Wenn die Körperschaft in einem Honorarrückforderungsbescheid aufgrund einer Plausibilitätsprüfung weder einen Vorläufigkeitsvorbehalt aufnimmt noch darauf hinweist, dass weitere Plausibilitätsprüfungen erfolgen könnten, verliere sie ihr Recht, den Arzt erneut unter die Lupe zu nehmen. Dies ergebe sich aus dem Grundsatz des Vertrauensschutzes, weil der Arzt darauf vertrauen können muss, dass das Verfahren der Plausibilitätsprüfung für die geprüften Quartale insgesamt abgeschlossen ist und keine weiteren Honorarrückforderungen aufgrund von Plausibilitätsprüfungen ergehen werden. Etwas anderes könne nur gelten, wenn sich die KV weitere Plausibilitätsprüfungen vorbehalte.
Auswirkungen könnten überschaubar bleiben
So erfreulich die Entscheidung für den betroffenen Internisten ist: Juristen befürchten, dass die KVen sich auf diese Rechtsprechung einstellen und Honorarrückforderungsbescheide künftig standardmäßig mit dem Vorbehalt weiterer Plausibilitätsprüfungen versehen.
Deshalb sollten Ärzte im Fall einer Plausibilitätsprüfung auch weitere Verteidigungsstrategien in Erwägung ziehen und insbesondere die Zahlen der KV auf deren Richtigkeit überprüfen. Zudem lohnt sich ein Blick ins Praxisumfeld: Haben Kollegen in der Umgebung ihre Zulassung abgegeben, und damit einen erhöhten Patientenzustrom ausgelöst? Auch können ein Jobsharing oder die Beschäftigung eines Assistenten bei der Entlastung gegenüber der KV hilfreich sein.