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Onkologie

Die akute myeloische Leukämie (AML) ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Die Hauptbetroffenen sind Erwachsene über 60 Jahre. 

Unbehandelt führt die Erkrankung rasch zum Tod. Deshalb sind eine schnelle Diagnose und Therapieentscheidung existentiell.

Personalisierte AML-Therapie erfordert teure Gentests

Die kurative Standardbehandlung besteht aus einer mehrphasigen Chemotherapie: Einer intensiven Induktionsphase folgt eine Konsolidierungsphase oder eine allogene hämatopoetische Stammzelltransplantation. Um für jeden Patienten die richtige, personalisierte Therapie zu finden, ist es wichtig, genetische Mutationen und chromosomale Veränderungen zu bestimmen. Denn seit einigen Jahren gibt es neuartige Therapeutika, die speziell für genetische Untergruppen als Ergänzung zur Erstlinientherapie zugelassen sind. Zum Beispiel der Antikörper Gemtuzumab-Ozogamicin oder Cytarabin und Daunorubicin. Ein Problem dabei ist, dass die Bestimmung dieser genetischen Merkmale oft lange dauern kann und mit hohen Kosten verbunden ist.

Ein Forscherteam aus Medizinern und Informatikern der Universität Münster hat ein KI-basiertes Verfahren entwickelt, mit dessen Hilfe sich genetische Anomalien bereits am Tag der Diagnosestellung aus Bildern von Knochenmarksausstrichen vorhersagen lassen. Das bedeutet, dass die Ärzte auch schon an diesem Tag eine Therapieentscheidung treffen können. Die Studienergebnisse hat das Fachjournal „Blood Advances“ publiziert.

Deep-Learning-Modell erkennt genetische Veränderungen

„Ziel dieser Studie war die Entwicklung und Evaluierung einer vollautomatischen Pipeline zur Extraktion von Einzelzellbildern aus konventionell gefärbten Knochenmarksabstrichen und zur Vorhersage genetischer Veränderungen aus diesen Bildern.“

Die Wissenschaftler verwendeten ein Deep-Learning-Modell. Sie trainierten es mithilfe eines Datensatzes von 408 Pappenheim-gefärbten Knochenmarksausstrichen von AML-Patienten, aus denen sie mehr als zwei Millionen Einzelzellbilder extrahierten. Sie entwickelten einen vollautomatischen Prozess, „dessen zugrundeliegender Algorithmus die genetischen Merkmale und sehr feinen Muster in den großen histologischen Aufnahmen selbstständig erkennen kann“, erklärt Prof. Benjamin Risse vom Institut für Informatik an der Universität Münster.

Frühere Therapieentscheidung bei AML möglich

Der Algorithmus arbeitet mit zwei Ansätzen. Er ordnet die Einzelzellbilder Kategorien aus unterschiedlichen Zelltypen zu und sortiert diejenigen Bilder aus, die nicht informativ sind, und er zeigt genetische Anomalien an. Dabei erkennt die KI sogar Muster, die Menschen nicht erkennen können, weil sie zum Beispiel besonders fein oder nur schwach ausgeprägt und kaum sichtbar sind.

Mithilfe eines weiteren Datensatzes mit über 440.000 Einzelzellbildern von 71 AML-Patienten validierten die Wissenschaftler ihre Ergebnisse.

„Zwar kann das neue Verfahren die genetischen Analysen nicht ersetzen. Die Methode trägt dennoch dazu bei, sehr früh eine Idee davon zu bekommen, welche genetischen Veränderungen der Leukämie zugrunde liegen könnten. Das würde vor allem bei besonders aggressiven Erkrankungen helfen, bei denen man nicht auf die kompletten genetischen Analysen warten kann“, so die Autoren der Studie.

Quellen: 

https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC10787267/

https://www.medizin.uni-muenster.de/fakultaet/news/kuenstliche-intelligenz-unterstuetzt-bei-leukaemie-diagnostik-forschende-entwickeln-neues-verfahren.html

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