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Onkologie

Ungefähr die Hälfte aller Krebspatienten ist von Mangelernährung und Tumorkachexie betroffen. Durch den Abbau von Muskel- und Fettgewebe verlieren sie Körpergewicht. Diese Tumorkachexie führt aber nicht nur zu einer verminderten Lebensqualität, sondern häufig auch dazu, dass die Patienten schlechter auf die Chemotherapie ansprechen und zu einer höheren Mortalität.

Fettabbau beginnt schon im frühen Kachexie-Stadium

Die Kachexie läuft in drei Phasen ab: Präkachexie, Kachexie und refraktäre Kachexie. Schon während der Präkachexie sind Stoffwechselveränderungen, unter anderem im Glukose- und Lipidstoffwechsel, im Körper nachweisbar. Außerdem kommt es schon zu diesem Zeitpunkt zu einem Umbauprozess des weißen Fettgewebes. Das führt zu einem gestörten Fettstoffwechsel, einer chronischen Entzündung und schließlich zu einer Fibrose.

Vorangetrieben wird der Umbau des Fettgewebes durch eine Reaktion auf sogenannte Faktoren, die der Tumor selber oder der Körper als Antwort auf den Tumor ins Blut ausscheiden, wie Tumornekrosefaktor-α, Interleukin-6 oder IL-1β. Ein Forscherteam unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Fischer, Direktor des Instituts für Klinische Chemie der Universitätsmedizin Göttingen (UMG), hat untersucht, auf welche Weise das Endothel, das die Innenseite der Blutgefäße auskleidet, an dem Umbauprozess des weißen Fettgewebes beteiligt ist. Ihre Ergebnisse hat das Fachmagazin „Nature cancer“ veröffentlicht.

Tumoren manipulieren das Endothel

Endothelzellen haben viele Funktionen. Sie sind unter anderem an Regenerationsprozessen des Körpers beteiligt, indem sie die Erneuerung und Differenzierung von Stammzellen steuern. Sie tragen aber auch zum Fortschreiten von Tumoren bei, indem sie an der Bildung neuer Blutgefäße beteiligt sind, die den Tumor ernähren und die Metastasierung vorantreiben. Es gibt zudem Hinweise darauf, dass Endothelzellen über angiokrine Signalwege aktiv den Transport von Hormonen, Nährstoffen, sowie Immun- und Krebszellen durch die Gefäßwände steuern.

An Mäusen und an Krebsmodellen im Labor untersuchten die Wissenschaftler diese Signalwege. Dabei fanden sie heraus, dass Tumoren schon im Stadium der Präkachexie die Notch1-Signalübertragung im Endothel der Blutgefäße des weißen Fettgewebes überaktivierten. Das führte zu einer Zunahme der Retinsäureproduktion und in Folge zum Abbau des Fettgewebes. Bei Mäusen ließ sich dieser Abbau aufhalten, indem die Forscher die Wirkung der Retinsäure blockierten.

„Unser Labor hat in den neuesten Untersuchungen die sogenannte Delta/Notch-Signalübertragung im Endothel der Blutgefäße als Schlüsselfaktor für den Umbau beziehungsweise den Verlust von weißem Fettgewebe identifiziert. Diesen Verlust aufzuhalten, würde sich positiv auf den Verlauf der Krebstherapie auswirken“, sagt Prof. Dr. Fischer.

Weitere Quelle: Pressemeldung der Universitätsmedizin Göttingen