Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Knapp 8 von 10 der KV-Mitglieder haben Probleme bei der Besetzung von Stellen für medizinische Fachangestellte (MFA), so eine Umfrage des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) unter Bremer Vertragsärzten. In anderen Regionen Deutschlands dürfte die Lage kaum besser sein. Denn angesichts des angespannten Arbeitsmarktes für medizinisches Fachpersonal sind Praxen deutschlandweit bei der Suche nach qualifizierten Mitarbeitern immer öfter erfolglos. Ein Trend, der die Versorgungssicherheit bereits in naher Zukunft gefährden könnte.

Den Blick weiten und Perspektiven bieten für wechselwillige Kandidaten

Auch wenn die Ausbildung zum MFA nach aktuellen Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (bibb) mit jährlich fast 18.000 Azubis weiterhin zu den beliebtesten in Deutschland zählt, ist der Personalmangel in vielen Praxen bereits problematische Realität. Selbst Praxisschließungen wegen fehlender Mitarbeiter sind kein Novum mehr, wie Gerald Quitterer, Präsident der Landesärztekammer Bayern, jüngst konstatierte. Umso wichtiger wird es für Praxisinhaber, den Blick bei der Mitarbeitersuche zu weiten. Ziel eines systematischen Recruitings sollten nicht nur aktiv suchende Kandidaten, sondern gerade auch die vielen wechselwilligen, gut ausgebildeten Fachkräfte sein, die in ihrer aktuellen Anstellung latent unzufrieden oder unterfordert sind. Dabei geht es nicht darum, Mitarbeiter bei Kollegen abzuwerben, sondern darum, berufliche Perspektiven zu bieten, wo sie noch zu häufig fehlen. Denn richtig angesprochen, kommen die bestgeeigneten Fachkräfte von selbst auf die Praxen zu, die ihre beruflichen Vorstellungen widerspiegeln.

Mehr qualifizierte Fachkräfte erreichen durch fundierte Persönlichkeitspsychologie

In Zeiten, in denen das Stellenangebot die Zahl der aktiv suchenden Fachkräfte übersteigt, kommt es mehr denn je darauf an, die eigene Praxis aus der Vergleichbarkeit zu bewegen. Dazu müssen Praxisinhaber die Erwartungen ihrer Zielgruppe präzise und psychologisch fundiert adressieren. Aktuelle Studien wie etwa der Unternehmensberatung Ernst & Young zeigen, dass gerade junge Arbeitnehmer bei der Wahl des Arbeitsplatzes zuvorderst auf Team- und Arbeitsatmosphäre achten. Auch die Förderung durch die Praxis über Fort- und Weiterbildungsangebote spielt für viele MFA-Bewerber als berufliche Perspektive eine wichtige Rolle.

In Sachen Gehalt haben erfahrungsgemäß die Praxen keine Probleme, die ein Angebot zumindest leicht über dem örtlichen Durchschnitt (etwa gemessen am Tariflohn – insofern vorhanden) machen. Gut geeignet ist eine flexible Lohnstruktur mit einer Ober- und Untergrenze, die es erlaubt, Leistung und Qualifikation der Mitarbeiter über verschiedene Gehaltsstufen angemessen zu honorieren.

Digitale Instrumente für die Mitarbeitersuche einsetzen

Unabhängig von der Praxisgröße lohnt es sich, das Arsenal des digitalen Recruitings zu nutzen, um für die potenziellen Arbeitnehmer im Internet omnipräsent zu sein. Mit einem Karriereportal kann ohne größeren Mehraufwand aus dem Fundus der Bewerber nach den zuvor abgefragten Daten vorselektiert werden. Ein vorher konzipierter Fragebogen nach psychologischen Kriterien sorgt dann für eine weitere Entscheidungsgrundlage. Dieses Vorgehen lässt sich mit den entsprechenden technischen Mitteln beliebig wiederholen und leicht auch für neuen Stellenbedarf anpassen. Ein abgestufter, digitaler Bewerbungsprozess bringt Effizienzvorteile und schafft Freiräume für das Tagesgeschäft in der Praxis. Beides zahlt auf eine bessere Arbeitsatmosphäre ein, die nach Ergebnissen der Bremer Zi-Umfrage dringend erforderlich ist, um die Tätigkeit als MFA wieder attraktiver zu machen.

Ein Fundament schaffen: Über Onboarding das Praxisteam stärken

Gehaltsanreize sind gut, ein bewusst geplanter Onboarding-Prozess noch besser, um leistungsstarke Mitarbeiter über die besonders kritische Einstiegsphase hinaus zu halten. Nach einer aktuellen Studie des Wissenschaftsverlags Haufe steht die hohe Anfangsfluktuation für 81 % der befragten Personalexperten nach wie vor im Fokus. Verlassen Mitarbeiter die Praxis bereits binnen eines Jahres, kostet das nicht nur viel Geld, sondern geht auch mit beträchtlichen Opportunitätskosten einher. Deshalb muss sichergestellt sein, dass ein Kandidat nicht nur fachlich, sondern auch menschlich in das Gefüge des Praxisteams passt. Wer sich hier nicht auf ein vages Bauchgefühl verlassen will, sollte diesen Aspekt psychologisch validiert in seinen Fragenkatalog integrieren. Für das Bewerbungsgespräch gilt: Der Kandidat sollte einen hohen Redeanteil von etwa 80 % bekommen. Empfehlenswert ist es, einen Mitarbeiter des Vertrauens mit dem Erstgespräch zu betrauen, um für eine entspannte Gesprächsatmosphäre zu sorgen. Wächst eine Vertrauensbasis zwischen den Kollegen heran, fällt auch die spätere Integration ins Team leichter.

„Wer nicht wagt, der nicht gewinnt“: Der Fachkräftemarkt verlangt nach neuen Ansätzen

Die Herausforderungen auf dem aktuellen Arbeitsmarkt für medizinische Fachkräfte sind unübersehbar. Nichtsdestotrotz stehen Praxisinhaber vielseitige Möglichkeiten zur Verfügung, um die Personalsuche zu verbessern. Nur wer diese aktiv für sich nutzt, die übliche Recruiting-Praxis hinterfragt und vor neuen Methoden nicht zurückschreckt, kann die adäquaten Lösungen hierfür finden.

*Der Autor: Chris Fengler ist Gründer und Geschäftsführer der Fengler Consulting GmbH. Als Spezialisten für die digitale Gewinnung von Praxispersonal unterstützen er und sein fast 20-köpfiges Team Arzt-, Zahn- und Facharztpraxen dabei, qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen. Kontakt und weitere Informationen: aerzte.chrisfengler.de, E-Mail: support@chrisfengler.de, Telefon: +49 (0) 30 221 524 002