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Praxis

Reisende soll man nicht halten. So oder so ähnlich lautete lange eine goldene Regel der Personalarbeit. Doch in Zeiten des Fachkräftemangels halten sich immer weniger Arbeitgeber an die Weisheiten von gestern. Aus gutem Grund.

Gerade im Gesundheitswesen spitzt sich der Fachkräftemangel derzeit spürbar zu. Gute MFA waren schon vor Corona Mangelware. Die Pandemie und die damit einhergehenden Belastungen wirken jedoch wie ein Brandbeschleuniger. Viele Beschäftigte haben ihren Beruf inzwischen sogar hingeworfen. Das schlägt sich auch in den Statistiken nieder.

Jede zweite Praxis suchte in den Jahren 2019 und 2020 qualifiziertes, nichtärztliches Personal – oft ohne Erfolg. Zu diesem Ergebnis kommt eine Sonderbefragung des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung (Zi) zur Personalsituation in Praxen der vertragsärztlichen und -psychotherapeutischen Versorgung. Rund 5.300 Praxen aus ganz Deutschland waren an der Befragung beteiligt.

MFA als Engpassberuf

Besonders prekär: 45 Prozent der MFA in Arztpraxen kündigten laut der Zi-Befragung auf eigenen Wunsch. Große Konkurrenten zum ambulanten Versorgungsbereich sind der Öffentliche Gesundheitsdienst und der stationäre Sektor. Immer häufiger machen Krankenhäuser das Rennen um gut ausgebildete, nichtärztliche Fachkräfte. Auch, weil sie mehr bezahlen können.

Die Agentur für Arbeit hat die MFA inzwischen sogar offiziell auf die Liste der sogenannten Engpassberufe gesetzt. Zu Recht: Inzwischen fürchten zwei Drittel der Vertragsarztpraxen, dass sie auch in den kommenden Jahren substanzielle Probleme bei der Suche nach geeignetem Personal haben werden. Rund 15 Prozent der Zi-Befragten geben an, ihr Leistungsangebot aufgrund des MFA-Fachkräftemangels bereits zeitweise eingeschränkt zu haben. Wenn sich dieser Trend fortsetzt, kann das ernsthafte Folgen für die ambulante Versorgung haben.

Lockangebote sind salonfähig

Angesichts dieser Entwicklung muss es nicht verwundern, dass das Abwerben von MFA fast schon ein fester Bestandteil der Personalgewinnung ist. Doch egal, ob die Konkurrenz mit mehr Geld oder besseren Arbeitsbedingungen lockt. Oder ob sie einfach nur verspricht, dass an der neuen Wirkungsstätte alles anders ist: Wer heute eine verdiente MFA verliert, hat in jedem Fall ein Problem. Viele Ärzte und Ärztinnen ignorieren daher aktiv die „Reisende soll man nicht halten“-Regel. Stattdessen halten sie scheidenden Mitarbeitern offensiv eine Tür zur Rückkehr in die eigene Arztpraxis offen – wenn sie denn wollen.

Jeder Wechsel birgt auch ein Risiko

Das Kalkül ist einleuchtend. Wer zu einer anderen Praxis oder in eine Klinik wechselt, geht damit stets auch ein Risiko ein – selbst, wenn die Bezahlung womöglich besser ist als bisher. Denn ob die Arbeitsbedingungen im neuen Job wirklich stimmen, zeigt sich meist erst nach einigen Wochen. Gleiches gilt für etwaige Probleme im Team oder charakterliche Auffälligkeiten des neuen Chefs. Auch die Frage, ob sich die Krankenhausschichten in den Familienalltag eingliedern lassen, kann oft erst hinterher beantwortet werden.

Daher lohnt es sich, leistungsstarken Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen die Möglichkeit zu eröffnen, gesichtswahrend zurückzukommen, wenn der neue Job nicht den Erwartungen entspricht. Personaler nennen dieses Vorgehen Rehiring oder Boomerang Hiring, weil ehemalige Kollegen wie ein Bumerang in ihre alte Praxis zurückkehren können. Ein solches Vorgehen birgt viele Vorteile, verlangt ärztlichen Arbeitgebern aber einiges ab. Vor allem gilt es, die eigene Eitelkeit zurückzustellen – auch wenn der Wechsel einer verdienten Kraft noch so sehr schmerzt und/oder erst einmal eine Menge Mehrarbeit für die verbleibenden Teammitglieder bedeutet.

Verletzte Gefühle hinten anstellen

Wer diese Größe hat, kann gleich mehrfach profitieren. Erstens kennt der Arzt oder die Ärztin die Stärken und Schwächen der neuen alten Kollegen. Die sonstigen Unsicherheiten bei Neueinstellungen entfallen und auch die Einarbeitungszeit geht gen Null.

Hinzu kommt die Signalwirkung an andere MFA, dass der beste Arbeitsplatz doch derjenige ist, an dem sie sich gerade befinden. Wenn es richtig gut läuft, hat der Rückkehrer oder die Rückkehrerin während ihrer Exkursion zudem noch neue Erfahrungen gesammelt und kann nun andere Perspektiven und Ideen ins Team einbringen.

Vorsicht, Wiederholungsgefahr!

Bei allen potenziellen Vorzügen ist ein solches Rehiring aber kein Selbstläufer, sondern auch mit Risiken behaftet. Denn egal, ob eine Medizinische Fachangestellte abgeworben wurde oder aktiv nach einer neuen Stelle gesucht hat: Eine latente Unzufriedenheit mit der alten Praxis muss bestanden haben. Denn wer rundum zufrieden ist, der kündigt nicht.

Entsprechend besteht die Gefahr, dass der oder die Betreffende nach der Wiedereinstellung erneut das Weite sucht. Sei es, weil Konflikte mit Kollegen oder Vorgesetzten noch immer vorhanden sind oder diese nun Vorbehalte gegen die Rückkehrerin oder den Rückkehrer haben und es deshalb zu Unstimmigkeiten kommt.

Verringern lässt sich dieses Risiko, indem Praxischefs potenzielle Rückkehrer noch einmal den normalen Bewerbungsprozess durchlaufen lassen, auch wenn man sich schon lange kennt. Dazu gehören auch Treffen mit den alten, neuen Kollegen, um sicherzustellen, dass weder alte noch neue Animositäten den Wiedereinstieg belasten. Maximale Sicherheit schaffen Praxisinhaber, wenn sie die Frage offen mit dem verbliebenen Team besprechen.

Wunderwaffe Wertschätzung

Der beste Weg, das eigene Team zusammenzuhalten, ist aber natürlich ungewollte Abgänge zu vermeiden und damit Modelle wie das Boomerang Hiring überflüssig zu machen. Dazu gehört auch, intern und nach außen Wertschätzung zu zeigen. Das ist heute wichtiger denn je. Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass das öffentliche Bewusstsein für die Leistungen von MFA noch nicht besonders ausgeprägt ist.

Bestes Beispiel: Während Pflegekräfte für ihre hohen Belastungen (völlig zu Recht) einen Corona-Bonus erhielten, gingen die MFA in den Arztpraxen leer aus. Es sei denn, ihr Chef kam für die Sonderzahlung auf.