Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Gegenwärtig sprechen alle Praxen über die Problematik der MitarbeiterInnen-Gewinnung bzw. das Halten von MitarbeiterInnen. Auf Instagram werden am laufenden Band Anzeigen geschaltet, die Online-Börsen haben mehr vakante Stellen als Besucher und die Recruiting-Agenturen schicken eine E-Mail nach der anderen an die Praxisadressen.

Praxis droht Schließung aufgrund von Personalmangel

Im gleichen Kontext hat sich im März eine Praxis an mich gewendet, die sich in einer dramatischen Situation befindet. Es handelt sich um eine relativ große Praxis mit drei Standorten in Norddeutschland. Dem größten Standort droht Mitte April die Schließung, weil dann mit einem Mal die Kündigung von 4 Mitarbeiterinnen wirksam wird.

Wie so oft, hat auch hier eine Kettenreaktion eingesetzt. Eine Mitarbeiterin hat den Anfang gemacht und drei weitere sind ihr binnen kürzester Zeit gefolgt. Die Praxisinhaber setzen alles daran, die medizinische Versorgung auch im April aufrechtzuerhalten. Doch der Preis ist hoch. In so kurzer Zeit geeignetes Personal zu finden, ist schwer, und ohne fremde (teure) Hilfe nahezu ausgeschlossen.

Präventive Strukturen schaffen und Notfälle verhindern

Ist die Praxis aufgrund des Personalmangels zum Sanierungsfall geworden, dann ist der Druck hoch, die Motivation angstgetrieben und der Ausgang eher vom Glück als von nachhaltigen Praxisstrukturen abhängig. Deshalb möchte ich Ihnen mit diesem Artikel folgende Dinge mit auf den Weg geben, damit Sie erst gar nicht in solche Akut-Situationen kommen. Akute Praxisprobleme zu lösen, ist viel aufwendiger, als präventiv Strukturen und ein gutes Praxisklima aufzubauen.

Warum Personalbindung wichtiger als Personalgewinnung ist

Es ist viel einfacher, Personal langfristig zu binden, als Neues zu gewinnen. Fremde müssen Sie erst einmal auf Ihre Praxis aufmerksam machen und dann auch noch überzeugen. Ihre aktuellen Mitarbeitenden können Sie einfach fragen, was ihnen gefällt und was nicht. Und genau hier liegt der „Hund begraben“.

Wir haben das über mehrere Jahre in verschiedenen Praxen untersucht und die Ergebnisse sind eindeutig. Wenn die Mitarbeitenden aktiv nach ihrer Zufriedenheit befragt werden, ist die Bindung am höchsten. Oder anders gesagt: Nur Praxischefs, die wissen, was Ihre Mitarbeitenden bewegt, passen Ihre Praxis entsprechend an und erhöhen dadurch die Bindung.

Ich höre manchmal Praxischefs sagen, dass sie genau wissen, was ihr Team möchte. Ich will Sie aber vor dieser falschen Sicherheit warnen, denn wissen ist etwas anderes als vermuten. Und aktiv die Mitarbeitenden zu fragen ist etwas anderes, als sich allein am Sonntagabend Gedanken dazu zu machen. Beachten Sie deshalb folgenden Erfolgsfaktoren für eine bessere Teamstimmung.

Wie sollte eine erfolgreiche Teambefragung aufgebaut sein?

  • Die Befragung muss immer anonym sein
  •  Es sollte eine klare, digitale, Systematik geben
  •  Achten Sie darauf, immer die gleichen Fragen zu stellen, damit Sie die Ergebnisse vergleichen und eine Entwicklung erkennen können
  •  Führen Sie die Befragung zum Ende eines jeden Quartals durch
  •  Nehmen Sie das Feedback auf und gehen Sie aktiv damit um

Gutes oder sehr gutes Personal in Praxen ist keine Selbstverständlichkeit mehr. Die besten Mitarbeitenden suchen sich die besten Praxen aus. Das war vor ein paar Jahren noch umgekehrt, wird aber nie wieder so sein. Deshalb ist es so wichtig, sich jetzt innovativ aufzustellen, um nicht ein ähnliches Schicksal wie die oben angesprochene Praxis zu erleiden.

Glückliches Personal = bessere Wirtschaftlichkeit

Praxen, deren Teamzufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 im Durchschnitt unter 7,2 liegt, haben betriebswirtschaftlich ein schlechteres Ergebnis. Das ist eine Benchmark aus über 800 Praxen, deren Daten wir erhoben haben. Die genauen Zusammenhänge zwischen der Teamzufriedenheit und der Praxiswirtschaftlichkeit sind komplex und werden manchmal erst auf der Detailebene sichtbar.

Ich gebe Ihnen aber ein kurzes Beispiel aus einer unserer Praxen.

Warum Teamzufriedenheit sinkt

Die Teamzufriedenheit lag zu Beginn des Projekts bei 6,3. Aus der anonymen, systematischen und digitalen Befragung haben wir entnommen, dass vor allem drei Kriterien dafür verantwortlich waren:

Verlauf Teamzufriedenheit

Grafik: Bernert

  1. Fehlende Wertschätzung durch Chef/Chefin
  2.  Disharmonie im Team
  3.  Mangelnde Praxisstrukturen

Diese drei Kategorien wurden mit weniger als 5 bewertet und haben massiv auf das Gesamtergebnis eingezahlt. Es ist klar, dass dadurch vor allem ein Zeitproblem herrscht (aufgrund mangelnder Strukturen) und die Motivation gering ist (fehlende Wertschätzung).

Beides haben wir systematisch angefasst und dadurch relativ schnell wieder für Harmonie im Team gesorgt und Zeit gewonnen. Die gewonnene Zeit haben wir genutzt, um Strukturen zu glätten und damit das Team effizienter und aktiver zu machen. Das war für die Mitarbeiterinnen spürbar und wurde in der nächsten Befragung deutlich.

All diese Maßnahmen haben dazu geführt, dass wir den Zeitgewinn in neue Leistungen investierten und diese in Form einer Spezialsprechstunde inkl. dem dazugehörigen Marketing entwickelt und den Patienten aktiv angeboten haben. Den Privatumsatz konnten wir damit um 63 % steigern und so die Praxiswirtschaftlichkeit deutlich verbessern.

Warum Mitarbeiter in die Entwicklung von Strategien eingebunden werden sollten

Eine solche Entwicklung funktioniert immer nur mit dem Team zusammen, da das Team Dinge besser umsetzt, wenn es an der Entwicklung beteiligt war.

Deshalb und weil es einfach teuer ist, neue Mitarbeitende zu finden, empfehle ich, die Stimmung im Team kontinuierlich zu messen und rechtzeitig auf Veränderungen zu reagieren – besser noch präventiv zu agieren. Wenn Sie zwischendurch wissen möchten, wie Ihre Mitarbeiter-Effizienz ist, dann lassen Sie sich diese kostenlos auf unserer Website errechnen: https://www.m-mp.de/mitarbeiter-effizienz-tool/

PS: Bleiben Sie patientenorientiert und lassen Sie sich dabei helfen, wo Ihre Praxis es braucht (Ihre Patienten tun das ja auch).