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Praxisführung

Das Robert Koch-Institut (RKI) hat im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums eine umfangreiche Bestandsaufnahme zur Frauengesundheit erstellt. Der Bericht „Gesundheitliche Lage der Frauen in Deutschland“ enthält auf fast 400 Seiten Informationen zu zahlreichen wichtigen Aspekten der Frauengesundheit. ARZT & WIRTSCHAFT stellt Ihnen die wichtigsten vor.

So alt werden Frauen in Deutschland

Die mittlere Lebenserwartung von Frauen ist seit 1991 um 4,3 Jahre auf 83,3 Jahre gestiegen. Sie liegt damit 4,8 Jahre über der der Männer. Dass nur ein Teil der Unterschiede biologischer Natur ist, zeigt die sogenannte Klosterstudie: In Klöstern weisen Nonnen einen Überlebensvorteil gegenüber Mönchen von etwa einem Jahr auf. Nicht biologische Faktoren scheinen also die Hauptursache darzustellen. Sie sind laut Bericht vor allem im Gesundheitsverhalten der Frauen zu suchen: Riskantes Verhalten wie Tabak- oder Alkoholkonsum tritt bei Frauen in geringerem Umfang auf. Unterschiede in der Lebenserwartung ergeben sich aber auch in den verschiedenen sozialen Gruppen. Eine Analyse mit Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) zeigt, dass Frauen in der höchsten Einkommensgruppe eine um 4,4 Jahre höhere Lebenserwartung haben als in der niedrigsten Gruppe.

 Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist Todesursache Nummer eins

Das RKI warnt im Frauengesundheitsbericht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen. Sie stellen mit zwölf Prozent die häufigste Todesursache dar. An zweiter Stelle mit 7,4 Prozent folgt die Demenzerkrankung. Die zehn häufigsten Todesursachen sind verantwortlich für mehr als die Hälfte aller Todesfälle in Deutschland. Überraschend ist, dass Frauen insgesamt auch häufiger als Männer an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben (39,7 % gegenüber 34,1 %), obwohl diese als typisch männlich gelten. Frauen unterschätzen häufig ihr Erkrankungsrisiko, Herzinfarkte werden bei ihnen seltener erkannt.

Bei den Krebserkrankungen ist Brustkrebs mit jährlich rund 69.000 Neuerkrankungen die häufigste Krebserkrankung bei Frauen, gefolgt von Lungenkrebs. Schätzungen kommen zu dem Schluss, dass von den Krebsfällen rund 37 Prozent auf modifizierbare Krebsrisikofaktoren wie Lebensstil- und Umweltfaktoren sowie Infektionen zurückzuführen sind und damit potenziell vermeidbar wären. Der wichtigste beeinflussbare Risikofaktor ist weiterhin das Rauchen.

Ein Blick in die Zukunft zeigt, dass die Medizin sich frauenspezifischer Gesundheitsthemen annehmen muss. Geschätzte 16 bis 22 Prozent der 2017 geborenen Mädchen haben laut Bericht die Chance, 100 Jahre alt zu werden.

Infografik FrauengesundheitWie Frauen ihre Gesundheit bewerten

Für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte interessant ist die Frage, wie Frauen ihren Gesundheitszustand subjektiv wahrnehmen. Neben Erkrankungen beeinflussen weitere Aspekte diese Einschätzung. Subjektive und objektive Gesundheit können sich daher erheblich voneinander unterscheiden.

66,6 Prozent der Frauen und 69,9 Prozent der Männer schätzten ihren allgemeinen Gesundheitszustand als gut oder sehr gut ein. Dabei beurteilen Frauen ihren allgemeinen Gesundheitszustand aber schlechter als Männer. Es wird angenommen, dass dem ein anderes Verständnis von Gesundheit und Krankheit zugrunde liegt. Von den 65-jährigen und älteren Frauen bewerten aber nur noch 45,7 Prozent ihre Gesundheit als gut oder sehr gut, 44 Prozent schätzen ihren Zustand als mittelmäßig ein. Frauen der oberen Bildungsgruppe beurteilen über alle Altersgruppen hinweg ihre Gesundheit positiver. Insgesamt hat sich die Einschätzung in den vergangenen Jahrzehnten aber verbessert. Vor allem in der Gruppe der 60- bis 69-Jährigen macht sich das bemerkbar. Von 1994 bis 2016 beträgt die Steigerung bei den Frauen, die ihren Gesundheitszustand als gut oder sehr gut bewerten, 13 Prozentpunkte.

Psychische Gesundheit

Von vielen psychischen Störungen sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Der Frauengesundheitsbericht zeigt, dass die Zwölf-Monats-Prävalenz der selbst berichteten ärztlich diagnostizierten Depression in der Bevölkerung insgesamt bei 8,1 Prozent liegt. Dabei sind Frauen mit 9,7 Prozent häufiger betroffen als Männer mit 6,3 Prozent. In der Altersgruppe der 45- bis 64-jährigen Frauen sind die Prävalenzen am höchsten. Auch Angststörungen sind bei Frauen häufiger anzutreffen. Beim Medikamenten- und Alkoholmissbrauch treten Frauen hingegen prozentual hinter den Männern zurück. Suizidversuche sind, vor allem bei jüngeren Frauen, häufiger als bei Männern, Männer sterben jedoch rund dreimal häufiger daran.

Gesündere Ernährung, weniger Sport

Frauen leben gesünder als Männer. Über 60 Prozent der Frauen bereiten täglich oder fast täglich Mahlzeiten aus frischen Lebensmitteln zu. Rund sechs Prozent ernähren sich vorwiegend vegetarisch. Im Vergleich zu Männern rauchen Frauen seltener und weniger stark. Doch sie treiben seltener Sport als Männer. So zeigt der Frauengesundheitsbericht, dass Frauen im Durchschnitt seltener alltägliche Wege mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurücklegen. Sie sind zudem seltener 150 Minuten pro Woche sportlich aktiv, als Männer dies tun (58,2 % bzw. 67,5 %). Wenig überraschend: Frauen, die in Partnerschaft leben und Kinder haben, kommen seltener dazu, sich sportlich zu betätigen als Frauen in anderen Familienformen. Hier könnten Ärztinnen und Ärzte Patientinnen entsprechend beraten.

Frauen gehen häufiger zum Arzt

Spannend für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte ist auch die Frage, wie häufig Frauen im Vergleich zu Männern ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Hier zeigen sich deutliche Unterschiede. Mit 90,9 Prozent nimmt eine große Mehrheit der Frauen mindestens einmal im Jahr ambulante ärztliche Versorgung in Anspruch (Männer 84,1 %). Die Unterschiede zwischen Frauen und Männern im jüngeren Erwachsenenalter sind statistisch signifikant: Sie betragen bei den 18- bis 29-Jährigen zwölf Prozentpunkte. Dies dürfte zu einem großen Teil auf Besuche in gynäkologischen Praxen zurückzuführen sein.

Ebenfalls spannend: Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status nehmen eher allgemeinmedizinische oder hausärztliche Leistungen in Anspruch, Menschen mit hohem sozioökonomischem Status suchen häufiger Fachärztinnen und Fachärzte auf.

Über diese Informationen hinaus beleuchtet der Frauengesundheitsbericht unter anderem entlang der Lebenslaufperspektive die Gesundheit von Mädchen, Frauen im Erwerbsalter und älteren Frauen. Auch die gesundheitliche Lage von Frauen mit Migrationshintergrund, von behinderten Frauen sowie von Frauen, die Gewalt erleben, wurde untersucht.

Der Frauengesundheitsbericht liefert damit für niedergelassene Ärztinnen und Ärzte wichtige Hinweise darauf, wie Frauen ihre Gesundheit wahrnehmen, und vermittelt objektive Gesundheitsdaten. Er kann Ärzten damit helfen, Frauen und ihrer Gesundheit im Praxisalltag besser gerecht zu werden. Der Frauengesundheitsbericht kann als PDF beim RKI heruntergeladen werden.

Die zehn häufigsten Todesursachen
bei Frauen nach Krankheitsgruppen
Todesursache
(ICD-10-Code)
Anteil an
allen
Sterbefällen
Ischämische Herzkrankheiten
(120 – 125)
12,0%
Demenz (F00 – F03, G30) 7,4%
Zerebrovaskuläre
Krankheiten (160 – 169)
6,7%
Herzinsuffizienz (150) 5,1 %
Hypertensive Herzkrankheit,
Hypertensive Herz- und
Nierenkrankheit
(111, 113)
4,8%
Bösartige Neubildung
der Brustdrüse (C50)
3,9%
Chronische Krankheiten
der unteren Atemwege
(J40 – J47)
3,6%
Lungenkrebs (C33, C34) 3,5%
Diabetes mellitus (E10 – E14) 2,8%
Darmkrebs (C18 – C21) 2,4%
Quelle: Frauengesundheitsbericht
Autorin: Ina Reinsch