Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxisverkauf

Beginnen wir mit einer typischen Praxis-Geschichte: Dr. Schmidt wird im Februar 68 und möchte dann aufhören zu arbeiten. Das Quartal will er aber noch zu Ende machen, zum 30.03.2020 ist aber Schluss. Er überlegt, was er dafür noch vorbereiten muss. Die Flecken an der Praxis-Wand streicht er nicht, der Nachfolger soll selbst über die neue Farbe entscheiden. Das alte Sonografiegerät tauscht er auch nicht aus, funktioniert ja einigermaßen. Die Ausschreibung bei der KV muss er noch machen, die Angestellten informiert er lieber erst kurz vor Schluss. Und die Patienten? Die werden sich sicherlich freuen, wenn sie am 1.4. ein neues Gesicht in der Praxis sehen. Aber das Praxisgutachten muss er noch erstellen lassen, damit die Bewerber auch wissen, was sie bezahlen müssen…

Um zu erkennen, warum Dr. Schmidt hier eigentlich alles falsch macht, reicht es aus, sich die größten Probleme anzuschauen, denen viele Ärzte begegnen, wenn sie ihre Praxis verkaufen möchten. Denn auch beim Kauf bzw. Verkauf von Arzt- und Zahnarztpraxen entscheidet immer die sicht- und spürbare Qualität.

Die größten Probleme beim Praxisverkauf

Sinkende Fallzahlen: Negative Entwicklung, weil der abgebende Arzt zum Ende hin weniger arbeiten möchte. Wirtschaftlichkeit sinkt und die notwendigen Ressourcen, um die Praxis durch einen Übernehmer wieder hochzufahren, sind nicht mehr vorhanden.

Schwindende Mitarbeiterloyalität: Angst vor neuem Chef/neuer Chefin bzw. eine Ungewissheit sorgen dafür, dass Mitarbeiter sich woanders bewerben.

Praxiswert > Praxispreis: Das Gutachten ist immer seltener ein Garant für einen guten Preis. Denn der festgestellte Wert und der tatsächlich erzielte Preis klaffen in den letzten Jahren immer weiter auseinander.

Investitionstau: In den letzten Jahren bleiben Investitionen aus, um Kosten zu sparen.

Patientenabwanderung: Welche Patienten wandern ab, wenn es unklar ist, ob, wer und wann die Praxis neu besetzen wird? Meistens die, die man eigentlich nicht verlieren will.

Renovierungsdefizit: Auch Renovierungen werden nicht mehr getätigt, da der Praxisinhaber keine „unnötigen“ Ausgaben mehr haben möchte. „Ein Käufer soll sich verwirklichen können“ ist der häufigste Trugschluss diesbezüglich. Frage: Würden Sie ihr Auto vor dem Verkauf in die Waschstraße fahren, oder lieber dem Käufer überlassen, wie sauber er es gerne hätte?

➔Folge: Der Praxiswert sinkt drastisch!

Vergessen Sie nie, dass Nachfolger sich zwar selbst verwirklichen wollen, dabei aber auf einer modernen und soliden Basis aufbauen möchten. Sie wollen keine Pionierarbeit leisten. Folgende Punkte wirken sich deshalb ebenfalls entsprechend auf den Wert und vor allem auf den Preis Ihrer Praxis aus:

Moderne Patientenverwaltung: Praxen mit EDV-basierten Patientenakten sind deutlich attraktiver als welche mit Karteikarten.

Funktionierendes Qualitätsmanagement: Ein QM-System in der Schublade ist wirkungslos, es muss brauch- und umsetzbar sein.

Terminvergabe-Management (Online-Terminvergabe): Gibt es ein funktionierendes System, welches organisiert, wie z. B. mit Notfällen, Routineuntersuchungen und Spezialleistungen zeitlich umgegangen wird?

Online-Auftritt (Website, Jameda, Soziale Medien): Praxen, die 2020 kein digital ansprechendes Erscheinungsbild haben, verlieren deutlich an Attraktivität bei potenziellen Nachfolgern.

➔ Lösung: Beeinflussen Sie den Wert Ihrer Praxis positiv

Demonstrieren Sie die Qualität

Jede Praxis hat ein System, ohne würde der Praxisbetrieb nicht funktionieren. Sie gehen davon aus, dass Sie ein sehr gutes System (aufgebaut) haben, denn Sie kennen es – der potenzielle Käufer aber nicht. Um die Qualität verstehen zu können, braucht er Transparenz, Sie müssen Ihr Praxissystem veranschaulichen. Ob Ihnen das gelingt, entscheidet am Ende auch über den Preis Ihrer Praxis. Im Zweifelsfall sollten Sie sich dafür externe Unterstützung holen.

Fehler: Der Praxiserlös ist fest in die Altersvorsorge eingeplant

Der Erlös aus dem Praxisverkauf ist bei vielen Ärzten als Altersvorsorge eingeplant (ob das eine gute Vorsorge-Strategie ist, will ich an dieser Stelle nicht diskutieren). Damit Sie den gewünschten Preis erzielen, sollten Sie die oben genannten Fehler unbedingt vermeiden. Das funktioniert aber nur, wenn Sie Ihre Praxisabgabe rechtzeitig beginnen vorzubereiten. Rechtzeitig bedeutet optimalerweise 5 Jahre vor Abgabestichtag! Allen anderen, die kurzfristiger abgeben wollen oder müssen, rate ich schnellstmöglich anzufangen.

Bedenken Sie die oben beschriebenen Aspekte und bringen Sie Ihre Praxis nicht nur kurz vor dem Verkauf auf Vordermann, sondern halten Sie sie auf einem konstant guten Level. Und wenn Sie in den letzten Jahren weniger arbeiten wollen, dann suchen Sie einen angestellten Arzt oder Ärztin, der/die dann ggf. auch die Nachfolge antreten kann. Bei diesen Überlegungen kann auch der strategische Verkauf an eine größere BAG oder ein MVZ eine Rolle spielen. Das Investitionsverhalten sollte ebenfalls entsprechend der Abschreibungen konstant gehalten werden.

Konzentrieren Sie sich nicht nur auf die Bewertung der Praxis und auf den Kaufvertrag, sondern vor allem auf den perfekten Übergang, der bestenfalls fünf Jahre vor Ihrer persönlichen „Deadline“ beginnt. Nur so können Sie sicherstellen, dass Sie den geeigneten Übernehmer finden.

Vergessen Sie das Übergabemarketing nicht

In 91 % der Praxisverkäufe fehlt neben dem professionellen Praxisabgabemarketing auch das Übergabemarketing. Dieses ist entscheidend, um Patienten zu halten, Mitarbeiter zu binden und den Nachfolger bestmöglich zu positionieren. Auch dieses geht weit vor dem Termin der eigentlichen Übergabe los. Lassen Sie dieses außer Acht, werden Patienten und Mitarbeiter abwandern. Neben dem Übergabemarketing gibt es noch ein zweites Erfolgsrezept: Erfolgreich ist eine Praxisabgabe nämlich eher dann, wenn es eine Übergangsphase gibt. Diese dient allen Akteuren, Ihnen, Ihrem Nachfolger, den Mitarbeitern und auch den Patienten als Eingewöhnungsphase. Eine solche Phase lohnt sich immer und kann ggf. auch der steuerlichen Gestaltung des Praxisverkaufs dienen.

Zum Schluss ein Hinweis: Am 1. April 2007 ist die Zulassungssperre für Vertragszahnärzte gefallen. Seitdem werden viele Praxen auf der „grünen Wiese“ gegründet und folglich ebenso viele nicht mehr verkauft. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis diese Regel auch für Humanmediziner gilt. Eigentlich ist die Situation für viele Allgemeinarztpraxen schon da, weil es immer mehr Gebiete gibt, die nicht mehr zulassungsgesperrt sind. Mit dieser Entwicklung wird die „Preis-Schere“ immer weiter auseinanderklaffen.

Fazit: In Zukunft werden nur noch sehr gute Praxen zu guten Preisen verkaufbar sein. Ich hoffe, Ihre gehört dann dazu. Also stellen Sie sich ganz einfach rechtzeitig die Frage: Warum sollte jemand gerade meine Praxis kaufen?