Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Praxis

Die Strategie bestimmt, mit welchen Maßnahmen und in welcher Schrittfolge Praxisziele erreicht werden. Doch wer nicht weiß wohin, kann auch nicht wissen wie. Somit steht am Anfang eines jeden Strategiefindungsprozesses die Definition einer Vision.

1. Entwickeln Sie eine Vision für Ihre Arztpraxis

Um eine Vision für die Praxis zu entwickeln, überlegen Sie sich, wo Sie mit Ihrem Unternehmen in fünf bis zehn Jahren stehen wollen. Möchten Sie regional führend oder Qualitätsführer sein? Vielleicht sind Sie auch zum Innovationsführer geboren? In dieser Phase geht es nicht um Konkretisierung in Zahlen. Es geht um Vorstellungskraft. Es geht um Ihre Leidenschaft für das Gesundheitsunternehmen, welche Ausdruck in der Vision finden sollte.

Trotz allem sind jedoch messbare Fakten in einer Vision immer greifbarer als leere Worthülsen. So ist die Vision „Wir sind das am meisten nachgefragte Gelenkzentrum in Hessen“ viel greifbarer als „Wir sind Marktführer in der Gelenkchirurgie“. Da stellt sich unnötig die Frage, mit welchem Kriterium man Marktführer ist.

Besonders wichtig: Formulieren Sie Ihre Vision in der Gegenwart! Nichts ist schlimmer als Visionsformulierungen in der Zukunft.

Visionäres Denken ist ein Stück Verrücktsein mit Vernunft. Also seien Sie verrückt und visionieren Sie Ihr Gesundheitsunternehmen in die Zukunft!

2. Definieren Sie messbare Praxisziele

Ihre Unternehmensziele sollten sich direkt aus Ihrer Vision ableiten. Es gilt also, aus visionären Formulierungen quantifizierbare Ziele zu entwickeln. Hier ist eine noch klarere Formulierung notwendig als bei der Vision. Regionalisierung ist zum Beispiel kein Ziel. Es kann als Arbeitstitel gelten, aber nicht als Ziel. „Die Geschäftserweiterung mit der Dienstleistung X um den Wert Y“ ist ein Ziel. Konkrete, unmissverständliche Formulierungen ersparen Fragen und geben Ihnen und Ihren Mitarbeitenden klare Richtungen vor.

In vielen Praxen endet hier der strategische Managementprozess, weil gern das ein oder andere Ziel gleich angepackt werden will. Dieser Unternehmerspirit ist sehr wertvoll, doch an dieser Stelle ungewöhnlich hemmend. Denn vor lauter Begeisterung, dass man nun Ziele hat, wird oft vergessen, dass der Weg zur Zielerreichung noch unklar ist.

Wenn ein Gesundheitsunternehmen Ziele hat, kann man die Faktoren im und um das Unternehmen nicht außer Acht lassen. Diese entscheiden maßgeblich, ob ein Ziel erreicht werden kann oder vielleicht um Längen übertroffen werden könnte, wenn man den richtigen Weg geht. Somit entsteht ein Wechselspiel zwischen Strategie und Ziel. Findet man die richtige Strategie, so erreicht man das optimierte Ziel und kann dieses an die Möglichkeiten des Marktes anpassen.

Nimmt man sich die Zeit, einmal das eigene Unternehmen und sein Unternehmensumfeld zu analysieren und definiert man, wie man mit diesen Voraussetzungen die Ziele erreicht (Strategie finden), dann investiert man zwar anfangs mehr Zeit, kennt aber anschließend den roten Faden und vermeidet Entscheidungsfehler. Denn Entscheidungen, die im Sinne der Strategie gefällt werden, werden selten falsche Entscheidungen sein. Die Maßnahmen, die getroffen werden müssen, um die Strategie zu erfüllen und das Ziel zu erreichen, werden klarer. In Summe spart man also Zeit.

Als Grundlage des Strategiefindungsprozesses empfehlen wir in unserer Praxisberatung die SWOT-Analyse: einerseits zur Chancen- und Risikobewertung der Umweltfaktoren und zur Stärken- und Schwächenanalyse innerhalb des Gesundheitsunternehmens.

3. Analysieren Sie Ihr Unternehmensumfeld

Im ersten Schritt der SWOT-Analyse wird das Unternehmensumfeld betrachtet. Analysieren Sie objektiv und ehrlich, in welchen Bereichen sich für Ihre Praxis Chancen ergeben und in welchen Bereichen Sie auf Risiken achten sollten. Folgende Umfeldfaktoren sind zu betrachten: die ökonomische Umwelt, die technologische Umwelt, die soziokulturelle Umwelt, die politisch-rechtliche Umwelt und die ökologische Umwelt.

Betreiben Sie diese Umfeldanalyse wirklich ehrlich. Schönmalerei hilft in diesem Moment Ihrer Seele, aber nicht Ihrem strategischen Erfolg. Tragen Sie die externen Einflussfaktoren dann in Ihre SWOT-Matrix bei Chancen (Opportunities) und Risiken (Threats) ein.

4. Evaluieren Sie Ihre Praxisleistung

Nun können Sie bereits in die Unternehmensanalyse übergehen – vielleicht der spannendste Teil eines solchen Prozesses, aber manchmal auch der selbstkritischste. Denn uns selbst und unserem Unternehmen Schwächen einzugestehen, ist doch eine schwierige Prozedur. Aber sehen Sie es positiv: Eine Schwäche zu erkennen und mit dieser zu arbeiten, ist immer besser als eine Schwäche auszuleben, ohne sie zu kennen.

Im Rahmen der Unternehmensanalyse gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, Stärken und Schwächen zu identifizieren. Indem Sie ausgewählte Aspekte nach dem Schulnotenprinzip bewerten, werden kritische Erfolgsfaktoren für Ihre Unternehmensentwicklung sichtbar.

Welche Faktoren sollten Sie nun „benoten“? Das ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Eine Praxis hat andere Bereichsprioritäten als ein MVZ. Folgende Bewertungskategorien können jedoch grundsätzlich zur Analyse herangezogen werden, wobei jede Kategorie in einzelne Unteraspekte aufgegliedert werden sollte (z. B. die Kategorie Personal in Qualifikation, Fluktuation, Produktivität etc.):

  • Praxisfinanzen
  • Praxispersonal
  • Praxisorganisation
  • Praxismanagement
  • Praxismarketing

5. Strategieentwicklung – die wichtigsten Fragen

Jetzt haben Sie alle Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken identifiziert und es gilt, die SWOT-Matrix mit „Leben zu füllen“. Dies erscheint Ihnen vielleicht aus jetziger Sicht schwierig. Doch bei einem Strategiefindungsprozess ist nicht selten der Weg das Ziel. Das heißt, durch konsequente Analyse aller Faktoren erkennen Sie schon während des Prozesses, wo die Reise hingehen wird. Sie setzen sich intensiv mit Ihrer Praxis auseinander. Allein dies ist schon mehr, als viele andere tun.

Nun möchten Sie dennoch nicht nur den Weg als Ziel haben, sondern auch fassbare Strategien. Hier eignet sich die SWOT-Matrix eben hervorragend. Stellen Sie sich diese vier Fragen und entwickeln Sie dazu Ihre Strategie im jeweiligen Quadranten:

  • Mit welchen Stärken können Sie Chancen nutzen?
  • Welche Chancen verpassen Sie wegen Ihrer Schwächen?
  • Haben Sie Stärken, um Risiken zu minimieren?
  • Welche Risiken haben Sie aufgrund Ihrer Schwächen?

Damit haben Sie jetzt Ihre Hauptstrategien. Doch beachten Sie, dass keine Strategie in Stein gemeißelt ist. Die Märkte sind beweglich und nichts ist schlimmer als unbewegliche Unternehmen. Also führen Sie einen Strategietag ein. Häufig reicht dies einmal im Jahr. Stellen Sie sich dann folgende Fragen und passen Sie Ihre Ziele und Strategien an. Aber ändern Sie bitte nicht Ihre Vision im Jahresrhythmus! Fragen Sie sich immer aufs Neue:

  • Sind meine Ziele noch realistisch?
  • Habe ich meine Ziele schon erreicht?
  • Basiert meine Strategie noch auf denselben Grundvoraussetzungen wie vor einem Jahr?
  • Was habe ich zur Umsetzung meiner Strategien dieses Jahr getan?
  • Was möchte ich bis nächstes Jahr für meine Strategien getan haben?

Das müssen Sie allerdings nicht alles allein tun: Es ist hilfreich, den Strategiefindungsprozess von externen Spezialisten begleiten zu lassen.

 

Stephan Kock

Inhaber und Geschäftsführer, Kock + Voeste Existenzsicherung für die Heilberufe GmbH

info@kockundvoeste.de