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Praxis

Dass die Apotheker neben der Corona-Impfung ab dem Herbst auch die Grippe-Impfung durchführen dürfen, allein das geht vielen Hausärzten und ihren Standesorganisationen schon gegen den Strich. Auch die im Vergleich zum Arzthonorar überhöhte Vergütung der Apotheken sorgt für schlechte Laune bei Medizinern. Die Folge: Das in der Vergangenheit gute Verhältnis zwischen Ärzten und Apothekern hat sich in den vergangenen Monaten extrem verschlechtert.

Worum geht es bei dem Streit zwischen Ärzten und Apothekern?

Doch es geht noch schlimmer: Die fünf sogenannten „pharmazeutischen Dienstleistungen“ (pDL), die ab sofort in den Apotheken erbracht werden dürfen, bringen das Fass zum Überlaufen.

Während die Präsidentin der Abda – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Gabriele Regina Overwiening, die Erweiterung der Apothekenleistungen als „einen Meilenstein für die Patientenversorgung“ feiert, sieht der stellvertretende KBV-Vorstandsvorsitzende Stephan Hofmeister darin einen „fundamentalen Angriff auf die hausärztliche Versorgung“.

Auf völliges Unverständnis stößt bei den Standesvertretern die hohe Vergütung der Apotheken für die pDL*. „Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen erbringen die gleichen Leistungen, trotz der besseren fachlichen Qualifikation, derzeit zu einem deutlich geringeren Satz. Das kann nicht sein“, wettert KBV-Vorstandschef Andreas Gassen und fordert schon mal eine Anpassung der ärztlichen Vergütung mindestens auf das Niveau der Apotheken-Honorierung.

Protest gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) und deren Vergütung

Wie blank inzwischen die Nerven liegen, lässt sich aktuell in Hessen beobachten. Hier haben sich der Hausärzteverband und Kassenärztliche Vereinigung in Stellung gebracht. „In Hessen wird der Protest gegen die pharmazeutischen Dienstleistungen (pDL) und deren Vergütung seitens der Ärzteschaft zunehmend aggressiver – und niveauloser. Um gegen die ‘indiskutablen Zustände’ vorzugehen, ruft die Kassenärztliche Vereinigung (KV) die Praxen auf, ‘inkompetente Beratung durch Apotheken’ zu dokumentieren und Druck auf weiteren Wegen auszuüben. Außerdem wird zum Boykott der Apotheken aufgerufen“, schreibt der Branchendienst Apotheke-Adhoc auf seiner Internetseite.

Dem Artikel zufolge hat der Hausärzteverband Hessen Arztpraxen ein Plakat fürs Wartezimmer zur Verfügung gestellt, in der aggressiv gegen die Apotheken agitiert wurde. „Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Ihre Ärztin“, heißt es darauf. Der KV Hessen begrüßt diese Aktion, weil sie „die ganze Diskussion auf den Punkt“ bringe. „Eine qualitativ hochwertige pharmazeutische Beratung gibt es nur durch die Ärztin oder den Arzt. So gesehen sollte dieses Plakat eigentlich in jeder Praxis hängen und die Patientinnen und Patienten informieren“, zitiert Apotheke-Adhoc aus einem Mitgliederschreiben des Vorstandsvorsitzenden Frank Dastych und seinem Stellvertreter Dr. Eckhard Starke.

Ärzte sollen Vergehen der Apotheken dokumentieren

Doch damit nicht genug. Wie Apotheke-Adhoc weiter berichtet, fordert die KV Hessen die Ärzte zudem auf, Material gegen die Apotheken zu sammeln. „Dokumentieren Sie bitte – anonymisiert und ohne Patientendaten – Fälle, in denen eine inkompetente Beratung durch Apotheken stattgefunden hat. Diese formlose Dokumentation übermitteln Sie uns. Bitte auch gegebenenfalls die Unterlagen, die die Apothekerin oder der Apotheker mitgegeben haben“, heißt es in dem Schreiben. Außerdem sollen die Ärzte den Apotheken, mit denen sie im geschäftlichen Kontakt stehen und welche die neuen pharmazeutischen Dienstleistungen anbieten, „signalisieren, dass es insbesondere beim Bezug des Sprechstunden- und Praxisbedarfs immer Alternativen gibt.“

Die unterschiedliche Vergütung ist ein Skandal

Fazit: Die Stimmungslage ist erhitzt – jedenfalls bei den Standesvertretungen. Ob sich dies im Alltag und im alltäglichen Miteinander von Arztpraxis und Apotheke auch so darstellt, steht auf einem anderen Blatt. Dass die Abda die pharmazeutischen Dienstleistungen als einen tollen Erfolg für sich verbucht, ist nicht überraschend. Ob und wie viele Apotheken aber tatsächlich auf diesen Zug aufspringen und wie viele Patienten ihnen dabei folgen, muss sich erst noch zeigen.

Vorsorglich lässt Thomas Benkert, Präsident der Bundesapothekerkammer, in einer Pressemitteilung verlauten: „Es kann sein, dass nicht alle Apotheken sofort alle Dienstleistungen anbieten können. Als Patient fragt man am besten einfach bei seiner Apotheke nach, welche angeboten werden.“ Was allerdings überhaupt nicht geht, ist, dass es für ein und dieselbe Leistung zwei unterschiedliche Vergütungen gibt – je nachdem, wer der Leistungserbringer ist. Hier muss auf jeden Fall nachgebessert werden.

*Pharmazeutische Dienstleistungen (pDL) – darum geht´s
Die rechtliche Grundlage der pharmazeutischen Dienstleistungen ist das 2020 in Kraft getretene Vor-Ort-Apotheken-Stärkungsgesetz (VOASG). Der GKV-Spitzenverband (GKV-SV) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatten lange über die Einführung der Dienstleistungen verhandelt. Jetzt hat die gemeinsame Schiedsstelle die Einigung auf fünf Dienstleistungen bekannt gegeben, die von den Apotheken erbracht werden dürfen und für welche die Patienten keine ärztliche Verordnung brauchen. Dabei handelt es sich um folgende Dienstleistungen:

  1. Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation (für Patienten mit mindestens fünf Arzneimitteln in Dauertherapie)
  2. Pharmazeutische Betreuung von Organtransplantierten (für Patienten nach einer Organtransplantation)
  3. Pharmazeutische Betreuung bei oraler Antitumortherapie (für Patienten, die orale Antitumortherapeutika einnehmen)
  4. Standardisierte Risikoerfassung hoher Blutdruck (für Patienten mit Bluthochdruck und Verordnung eines Antihypertensivums)
  5. Standardisierte Einweisung in die korrekte Arzneimittelanwendung und Üben der Inhalationstechnik (für Patienten ab sechs Jahren, die Inhalativa verordnet bekommen)

Während die ersten drei Dienstleistungen nur von Apothekern mit entsprechender Fortbildung erbracht werden dürfen, können die letzten beiden Dienstleistungen vom pharmazeutischen Personal ausgeführt werden.

Nicht zuletzt die hohen Vergütungssätze für die pDL bringen die Ärztevertretungen auf die Palme. So soll es für die erweiterte Medikationsanalyse sowie für die Betreuung von Organtransplantierten und Krebspatienten jeweils 90 Euro netto geben, zuzüglich 17,55 Euro für ein Folgegespräch bei den letzten beiden. Für die Einweisung in die korrekte Inhalationstechnik zahlen die Kassen den Apotheken künftig 20 Euro netto, für die Risikoerfassung bei hohem Blutdruck gibt es zudem je Beratung 11,20 Euro netto.

Autor: Daniel Schiller