Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

2019 waren nach Angaben des Statistischen Bundesamts die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland durch­schnitt­lich 10,9 Arbeitstage krankgemeldet. Angehörige von Gesundheitsberufen fallen noch häufiger aus. Für Arztpraxen und Kliniken bedeutet das nicht nur eine Mehrbelastung fürs Team. Auch die finanziellen Aspekte sind erheblich, denn Arbeitgeber in Deutschland sind verpflichtet, kranke Mitarbeiter mindestens sechs Wochen lang ohne Abschläge weiterzubezahlen.

Machen Anwesenheitsprämien für Mitarbeiter Sinn?

Kein Wunder, dass sich immer mehr Arbeitgeber bemühen, den Krankenstand aktiv zu senken. Immer öfter kommt dabei das Konzept der finanziellen Belohnung zum Einsatz: Wer ohne oder mit besonders wenig Fehltagen auskommt, erhält vom Chef am Ende des Jahres eine sogenannte Anwesenheitsprämie – zusätzlich zum normalen Gehalt.

Erfahrungen zeigen, dass sich die Ausfallzeiten mit diesem Modell oft um fünf bis sechs Tage pro Jahr senken lassen. Allerdings hagelt es auch Kritik: Mitarbeiter haben schließlich nur einen begrenzten Einfluss auf ihren Gesundheitszustand – und niemandem ist ernsthaft damit gedient, dass sich kränkelnde Beschäftigte in die Praxis oder in die Klinik schleppen und zum Ansteckungsrisiko für Patienten und Kollegen werden.

Sind Anwesenheitsprämien rechtlich erlaubt?

Wer dennoch auf diese Art von Motivation setzen möchte, muss sich vor juristischen Fallstricken in Acht nehmen. Die wohl wichtigste Regel lautet deshalb: Regelungen über Anwesenheitsregeln sollten schriftlich im Arbeitsvertrag niedergelegt werden und idealerweise von einem Anwalt überprüft werden. Fehler in der Formulierung können dazu führen, dass ein Gericht die gesamte Zusatzvereinbarung kippt und den Arbeitnehmer dazu verdonnert, die Anwesenheitsprämie auch dann zu zahlen, wenn der Beschäftigte dauerkrank war.

Heikel ist vor allem der Passus, der festschreibt, wann und um welchen Betrag die Prämie im Krankheitsfall gekürzt werden darf. Paragraf 4 a Satz 2 des Entgeltfortzahlungsgesetzes schreibt vor, dass dem Beschäftigten maximal ein Viertel seines durchschnittlichen Tagesverdiensts gekürzt werden darf. Wie dieser „durchschnittliche Tagesverdienst“ ermittelt wird, ist im Einzelfall aber kompliziert. Wer sich hier in die Hände eines Experten begibt, spart sich und seiner Belegschaft viel Ärger, schont das Betriebsklima und fördert auch damit (siehe oben) die Gesunderhaltung seines Teams.

Rückwirkende Prämien-Zusagen für Anwesenheit verboten

Nicht erlaubt sind außerdem rückwirkende Prämien-Zusagen. Der Grund: Anwesenheitsprämien sollen Arbeitnehmer dazu motivieren, möglichst selten in der Praxis zu fehlen. Diesen Zweck kann das Instrument aber nur erfüllen, wenn auf künftige Fehltage abgestellt wird. Eine Regelung, die auf vor dem Bekanntwerden der Regelung liegende Fehltage abstellt, ist daher grundsätzlich unwirksam (BAG, Az. 10 AZR 482/93).

Mit Augenmaß agieren

Praktische Probleme kann es zudem geben, wenn besonders motivierte Mitarbeiter sich krank in die Praxis schleppen– egal ob für die Prämie oder aus falsch verstandenem Pflichtbewusstsein. Schickt der Arzt sie aufgrund seiner Fürsorgepflicht nach Hause, bringt er sie damit um einen Teil der Prämie.

Tipp: Wer ein gutes Betriebsklima dauerhaft erhalten will, sollte in solchen Konstellationen großzügig sein und zumindest den ersten Tag der Abwesenheit in Zusammenhang mit der Prämienregelung nicht als Fehltag verbuchen.