Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Die Verunsicherung war enorm. Als der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Mai vergangenen Jahres entschied, dass Zeiterfassung in allen Mitgliedstaaten verpflichtend werden müsse, fragten sich auch viele Praxisinhaber, was dieses Urteil wohl für sie bedeutet. Es folgten einige Monate voll hitziger Debatten, dann schien sich ein Konsens herauszubilden.

Die meisten Juristen befanden: Solange der deutsche Gesetzgeber das derzeit geltende Arbeitszeitgesetz nicht ändert und den Vorgaben aus Luxemburg anpasst, besteht für ärztliche Arbeitgeber kein akuter Handlungsbedarf. Doch stimmt das wirklich? Eine aktuelle Entscheidung des Arbeitsgerichts Emden lässt daran berechtigte Zweifel aufkommen.

Es geht auch ohne den deutschen Gesetzgeber

Im konkreten Fall ging es um die Vergütungsklage eines Bauhelfers. Dieser hatte ausweislich seiner Eigenaufzeichnungen 195,05 Stunden gearbeitet, jedoch nur 183 Stunden bezahlt bekommen: Diese Arbeitszeit hatte er laut Bautagebuch geleistet.

Bei der Frage, ob der Arbeitnehmer die Differenz von 12,05 Stunden vergütet verlangen durfte, wendete das Gericht die relevanten europäischen Regelungen direkt an. Danach sind Arbeitgeber schon verpflichtet, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Arbeitszeiterfassung einzurichten. Diese Pflicht habe der Arbeitgeber mit seinem „Bautagebuch“ nicht ausreichend erfüllt, weswegen der Arbeitnehmer für die von ihm dokumentierten Stunden auch eine Vergütung verlangen durfte (Az. 2 Ca 94/19).

Zettel und Stift sind (vorerst) genug

Zwar sind längst nicht alle Rechtsgelehrten mit der (inzwischen rechtskräftige) Entscheidung einverstanden. Unabhängig von den akademischen Streits der Wissenschaftler sollten sich Ärzte allerdings bewusst machen, dass es mit einem „Abwarten was kommt“ womöglich nicht getan ist. Vielmehr sollten Praxisinhaber sich möglichst zeitnah ein System überlegen, mit dem sie die Arbeitszeiten ihres Teams rechtssicher erfassen können.

Anforderungen an Systeme

Das klingt erst einmal nach zusätzlichem Aufwand, den, gerade in der Corona-Krise, wohl niemand gebrauchen kann. Allerdings geht aus dem Urteil auch hervor, dass die Anforderungen an ein solches System nicht besonders hoch sind. Im konkreten Fall hat das Gericht die Vorlage von Eigenaufzeichnungen als hinreichenden Nachweis für vermeintlich erbrachte Arbeitsleistungen angesehen. Ein Zettel und ein Stift reichen also bis auf Weiteres, um den europarechtlichen Vorgaben zu genügen.

Zeitgemäßer, aber auch aufwendiger, ist die Erfassung der Arbeitszeit in digitaler Form – etwa per Smartphone -App. Ärzte, die sich für diesen Weg entscheiden, müssen allerdings nicht nur sicherstellen, dass sich jeder Arbeitnehmer eindeutig identifizieren kann, zum Beispiel durch eine PIN. Ihnen entstehen auch zusätzlichen Kosten, zum Beispiel für die Auswertung der Daten, den IT-Support oder die Wartung der Systeme.