Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Arbeitsrecht

Das Drama begann auf der schicken Berliner Friedrichstraße. Genauer gesagt in einer der privatärztlichen CityPraxen Berlin. Dort führte eine Fachärztin für Innere Medizin und Gastroenterologie regelmäßig Endoskopien durch.

Nachdem binnen kürzester Zeit vier MFA, die einen Propofolschein besaßen, gekündigt hatten, monierte die Ärztin gegenüber ihrem Chef, dass sie in dieser Situation die fachlichen Standards bei der Personalausstattung nicht einhalten können. Wörtlich schrieb sie: „Ich habe große Bedenken hinsichtlich des Patientenwohls und meiner damit verbundenen Haftung.“

Praxisleitung sah das Problem nicht

Die Praxisleitung allerdings reagierte nicht in der erhofften Art und Weise, insbesondere nicht mit einer Aufstockung qualifizierten Personals. Daher fragte die Ärztin nun die Ärztekammer und später auch die Deutsche Gesellschaft für Endoskopiefachberufe um Rat, wie sie in der Sache verfahren solle.

Ihr Arbeitgeber veränderte daraufhin nicht nur die Arbeitszeiten der alleinerziehenden Frau so, dass sie für diese nicht mehr zu handhaben waren, sondern kündigte ihr schließlich auch außerordentlich fristlos. Der Vorwurf: Sie habe das Vertrauensverhältnis irreparabel geschädigt, als sie sich mit Interna an Ärztekammer und die Fachgesellschaft gewendet habe.

Die Kammer ist nicht die Staatsanwaltschaft

Die Ärztin klagte gegen der Rauswurf – und bekam Recht. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg entschied: Das Verhalten der Frau rechtfertigt weder die außerordentliche noch eine ordentliche Kündigung. Die Praxis muss die Ärztin weiterbeschäftigen (Az. 9 Sa 426/20).
Insbesondere sei die Mitteilung der Frau an die Ärztekammer über die Haftungsrisiken kein zulässiger Kündigungsgrund. Im Gegenteil: Das Einschalten der Körperschaft bei Konflikten zwischen Ärzten sei zulässig und nicht zwangsläufig als Anzeige eines Fehlverhaltens zu verstehen. Die Ärztekammer sei keine Institution wie die Staatsanwaltschaft, deren Aufgabe allein die Strafverfolgung ist. Vielmehr obliege ihr auch die Wahrnehmung der Interessen jedes einzelnen Mitglieds.

Rechtswidriges Verhalten zunächst intern angesprochen

Darüber äußerte sich das Gericht ausführlich zu den im Arbeitsverhältnis bestehenden Rücksichtnahmepflichten. Zu ihnen gehöre es zwar auch, während des Bestandes des Arbeitsverhältnisses Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse zu bewahren. Entsprechend könne eine Verletzung dieser Pflicht – je nach den Umständen des Einzelfalls – eine Kündigung rechtfertigen. Solche Voraussetzungen lägen im konkreten Fall allerdings nicht vor.

Vielmehr betonte das Landesarbeitsgericht, dass die Ärztin auch unter Beachtung der Rücksichtnahmepflichten gehandelt habe, weil sie das nach ihrer Einschätzung rechtswidrige Verhalten ihres Arbeitgebers zunächst intern angesprochen habe, bevor sie die externen Experten zu Rate zog. Auch hatte die Ärztin keine unwahren Dinge gegenüber der Ärztekammer bzw. der Fachgesellschaft behauptet.