Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Erbrecht

„Blut ist dicker als Wasser“, lautet ein altes Sprichwort, das besagen soll, dass Menschen im Zweifel zum Wohl ihrer Verwandtschaft handeln, statt außenstehende Dritte zu begünstigen. Das mag im Gros der Fälle auch stimmen. Erbrechtler beobachten aber immer häufiger, dass Familienfehden oder enttäuschte Gefühle posthum ein fulminantes Finale finden. Dann nämlich, wenn sich herausstellt, dass der Erblasser alles dafür getan hat, seine Kinder oder andere nahe Angehörige leer ausgehen zu lassen.

Gesetzgeber schützt enge Verwandte vor vollständiger Enterbung

Mit einem Testament allein lässt sich dieses Ziel kaum erreichen. Denn selbst wenn das Verhältnis des Verstorbenen zu seinen engsten Verwandelten miserabel war und er sie explizit enterbt hat, müssen diese doch wenigstens ihren Pflichtteil erhalten– also die gesetzliche Mindestteilhabe am Erbe. Dessen Höhe ist gesetzlich festgelegt und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, also jenes Vermögens, dass ein Verwandter erhielte, wenn der Erblasser gar kein Testament hinterlassen hätte.

Wer sicherstellen will, dass missliebige Angehörige möglichst wenig vom eigenen Tod profitieren, muss daher frühzeitig damit beginnen, den Nachlass zu verkleinern. Zum Beispiel, indem er lebzeitig Geschenke an Menschen verteilt, die ihm wirklich etwas bedeuten.

Mit Augenmaß schenken – und früh beginnen

Um sicherzustellen, dass der Plan aufgeht und diese sogenannten lebzeitigen Verfügungen wirklich den Nachlass und damit den Pflichtteil schmälern, braucht es allerdings einen langen Atem. Der Grund: Das Gesetz gewährt den nächsten Angehörigen des Verstorbenen nicht nur den Pflichtteil, sondern auch einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Und das bedeutet: Alles, was der Erblasser in den zehn Jahren vor seinem Tod verschenkt, können die Pflichtteilsberechtigten – zumindest in Teilen – in Geld ersetzt verlangen.

Zu beachten ist jedoch, dass sich die Ausgleichsansprüche im Laufe der Zeit stetig verringern. Lässt etwa der Erblasser kurz vor seinem Tod ein wertvolles Grundstück auf seinen besten Freund überschreiben, können die Enterbten von diesem den Wert des vollen Pflichtteil in Geld ersetzt verlangen. Anders liegen die Dinge, wenn die Schenkung bereits eine Weile zurückliegt.

Um zu verhindern, dass ein Gegenstand, den der Erblasser neun Jahre, elf Monate und 30 Tage vor seinem Ableben übertragen hat, der vollen Ausgleichspflicht unterfällt, sinken die Ansprüche der Pflichtteilsberechtigten pro Jahr um jeweils zehn Prozent. Nur eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall fließt daher voll in die Berechnung des Nachlasses ein, im zweiten Jahr kann der Pflichtteilsberechtigte nur noch 90 Prozent des Wertes verlangen, im dritten Jahr 80 Prozent und so weiter.