Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht

Ein medizinischer Eingriff in den menschlichen Körper stellt immer eine Körperverletzung dar. Er ist nur gerechtfertigt, wenn der Patient zuvor wirksam eingewilligt hat. Ein ohne wirksame Einwilligung vorgenommener ärztlicher Eingriff ist daher rechtswidrig. Das mag einer der Gründe dafür sein, dass Ärztinnen und Ärzte bisweilen Unsicherheit bei der Frage verspüren, ob sie den Patienten „genügend“ aufgeklärt haben. Aufklärungsgespräche sind zudem nicht unbedingt beliebt, manche Patienten stellen viele Fragen. Deren Beantwortung kostet Zeit, die Ärzte nicht gesondert vergütet bekommen und die ihnen bei anderen Patienten fehlt.

Allerdings dienen Aufklärungsgespräche nicht primär der rechtlichen Absicherung von Ärzten. Sie sollen vielmehr den Patienten informieren und in die Lage versetzen, eine aufgeklärte Entscheidung zu treffen. Sie sind daher Ausdruck des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Arzt und dem mündigen Patienten. Gerade bei der ärztlichen Aufklärung zeigt sich, dass Kommunikation mit dem Patienten mehr ist, als das Nennen medizinischer Fachbegriffe. Doch wie genau sollte eine gute und korrekte ärztliche Aufklärung ablaufen?

Welche Aufklärungspflichten hat ein Arzt?

Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung des Patienten in eine Behandlung ist eine umfassende Aufklärung. Die Aufklärungspflicht ist eine Hauptpflicht des Arztes aus dem Behandlungsvertrag. Ein Patient muss wissen, worin er einwilligt, nur so kann er sein Recht auf Selbstbestimmung wahrnehmen. Durch das Patientenrechtegesetz, das 2013 in Kraft trat, wurde die ärztliche Aufklärung erstmals im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschrieben (§ 630e, § 630c BGB). Vor Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes waren die Regeln über die Aufklärung einzig von der Rechtsprechung festgelegt und weder für Patienten noch für Ärztinnen und Ärzte explizit nachlesbar.

Welche Formen der ärztlichen Aufklärung gibt es?

Die Rechtsprechung unterschied früher primär zwischen zwei Formen der Aufklärung, der sogenannten therapeutischen Aufklärung, die auf die Sicherung des Behandlungserfolgs abzielt und der Risikoaufklärung über Eingriffe und Behandlungsmaßnahmen. Diese Unterscheidung hat das Patientenrechtegesetz im Grundsatz zwar aufgegriffen, aber in eine etwas andere Form gebracht. Es unterscheidet jetzt zwischen Informationspflichten in § 630c BGB (zum Beispiel über Therapie) und Aufklärungspflichten im engeren Sinn, die den Patienten in die Lage versetzen sollen, in eine medizinische Maßnahme einzuwilligen, deren Risiken er kennt (§ 630e BGB). Übersichtlicher sind die verschiedenen Verpflichtungen damit nicht unbedingt geworden. Die beiden Hauptaufklärungsbereiche (therapeutische Aufklärung und Risikoaufklärung) bestehen aber fort. Ärztinnen und Ärzte müssen demnach in der Lage sein, im Laufe einer Behandlung Patienten über eine Vielzahl von Aspekten zu informieren und aufzuklären.

Informationspflichten des Arztes

Zu den Informationspflichten nach § 30c BGB zählen unter anderem die Information des Patienten über

  • die Therapie (therapeutische Aufklärung oder auch Sicherungsaufklärung genannt),
  • Behandlungsfehler,
  • die Kosten (wirtschaftliche Aufklärung).

Verstöße gegen diese Informationspflichten stellen einen Behandlungsfehler dar, der zu einer Beweislastumkehr zugunsten des Patienten führen kann.

Was bedeutet therapeutische Aufklärung?

Die sogenannte therapeutische Aufklärung (Sicherungsaufklärung) soll den Behandlungserfolg sicherstellen und den Patienten vor Verhalten schützen, das diesen Behandlungserfolg gefährdet. Sie betrifft also das Verhalten vor und nach der Behandlung (§ 630c Absatz 2 Satz 1 BGB).

Dazu zählt der Hinweis an den Patienten, Bettruhe einzuhalten ebenso, wie die Aufklärung darüber, dass eine Fraktur zunächst nicht belastet werden darf und der Patient für sechs Wochen eine Gehhilfe benötigt. Beispielsweise muss der Arzt den Patienten auch darüber informieren, wenn er infolge einer Behandlung in der Praxis oder aufgrund einer neuen Medikamentenverordnung nicht mehr in der Lage ist, Auto zu fahren. Zur therapeutischen Aufklärung zählt auch, den Patienten auf eine Befundkontrolle hinzuweisen und Hinweise zur Lebensführung zu geben (Diäten, Sport, Rauchen, Alkohol).

Muss der Arzt über Behandlungsfehler aufklären?

Der Arzt ist verpflichtet, den Patienten über Behandlungsfehler zu informieren (§ 630c Absatz 2 Satz 2 BGB) und zwar sowohl über eigene Fehler als auch über fremde. Allerdings nur auf Nachfrage des Patienten oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren und auch nur dann, wenn er konkrete Anhaltspunkte für einen Behandlungsfehler sieht. Den Arzt trifft also keine Recherchepflicht. Straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlich sowie standesrechtlich dürfen dem Arzt wegen einer solchen Information aber keine Nachteile entstehen.

Arzt muss über Kosten der Behandlung aufklären

Für den Arzt besteht auch die gesetzliche Verpflichtung, den Patienten vor Beginn der Behandlung über die voraussichtlichen Kosten schriftlich aufzuklären, wenn er weiß, dass die vollständige Übernahme der Behandlungskosten durch Dritte nicht gesichert ist oder wenn es dafür ausreichende Anhaltspunkte gibt. Diese wirtschaftliche Aufklärung kann zum Beispiel für Ärztinnen und Ärzte relevant werden, die bestimmte Therapieverfahren oder Operationstechniken durchführen oder bestimmte Materialien verwenden, die von den gesetzlichen Krankenkassen nicht voll erstattet werden oder deren Kostenerstattung in einzelnen KV-Bereichen zumindest strittig ist.

Das bedeutet aber nicht, dass Ärzte generell vor jeder Behandlung recherchieren müssen, ob die gesetzliche oder private Krankenkasse die Kosten übernimmt. Sie müssen nur dann informieren, wenn es in der Vergangenheit Probleme gab, die ihnen bekannt sind. Bieten Ärzte Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) an, ist nach dem Bundesmantelvertrag für Ärzte ausnahmsweise sogar die Unterschrift des Patienten unter die entsprechende Vereinbarung erforderlich.

Wichtige Aufklärungspflichten des Arztes

Zu den Aufklärungspflichten des Arztes gegenüber dem Patienten im engeren Sinn zählt nach § 630e Absatz 1 BGB unter anderem die Aufklärung über

  • einen ärztlichen Eingriff (auch Risikoaufklärung genannt),
  • Behandlungsalternativen.

Ist der Patient nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden, ist seine Einwilligung unwirksam. Der Arzt begeht damit eine Körperverletzung.

 

Behandlungsfehlerstatistik, AufklärungsfehlerNach § 630e Absatz 1 BGB ist der Behandelnde verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwartende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Es geht also darum, den Patienten über die Art und Schwere des Eingriffs aufzuklären. Bei der Aufklärung ist auch auf Alternativen zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belastungen, Risiken oder Heilungschancen führen können.

Kernpunkt der ärztlichen Aufklärungspflichten bildet die Risikoaufklärung. Der Patient muss vor einem Eingriff oder einer Behandlung über die damit im Großen und Ganzen verbundenen Risiken aufgeklärt werden. Er muss sich ein Bild von der Schwere und Richtung der Risiken machen können. Über jedes noch so kleine Risiko muss der Patient aber nicht im Detail informiert werden. Was das konkret bedeutet, ist allerdings knifflig.

Grundsätzlich muss der Arzt über alle infrage kommenden Risiken aufklären. Über typische mit einem Eingriff oder einer Behandlung verbundene Risiken muss er immer aufklären. Ist eine Gefahr völlig offensichtlich, muss der Arzt das aber nicht extra erwähnen. Über äußerst seltene Risiken muss er dagegen auch aufklären, wenn es im konkreten Fall ein spezifisches Risiko gibt, das für den Laien überraschend ist und ihn in seiner Lebensführung schwer belasten würde.

Medizinisch nicht indizierte Eingriffe

Patienten müssen vom behandelnden Arzt umso ausführlicher über Chancen und Risiken aufgeklärt werden, je weniger eine Maßnahme medizinisch geboten und je größer die Tragweite ist. So ist beispielsweise bei medizinisch nicht indizierten Eingriffen wie einer reinen Schönheitsoperation eine schonungslose Aufklärung über alle mit dem Eingriff verbundenen Risiken erforderlich. Das gilt auch für das Blutspenden und für Organspender.

Zur Risikoaufklärung zählt auch die Frage, ob ein geplanter Eingriff erweitert oder abgebrochen werden darf. Oftmals können Ärzte erst während einer Operation entscheiden, welchen Verlauf sie nimmt. Bestehen daher bereits vor dem Eingriff Anhaltspunkte dafür, dass er erweitert werden könnte, muss der Patient schon im Vorfeld auch über diese mögliche Erweiterung aufgeklärt werden. Denn Ärzte dürfen nur solche Eingriffe vornehmen, die von der Einwilligung des Patienten erfasst sind. Doch nicht alle Situationen lassen sich planen. Manchmal ergibt sich erst während einer Operation spontan die Notwendigkeit zu einem bestimmten weiteren Eingriff. In diesem Fall müssen Ärztinnen und Ärzte nach dem mutmaßlichen Willen des Patienten handeln und entscheiden, ob eine Behandlung fortgesetzt oder abgebrochen wird, was auch davon abhängt, ob ein Abbruch medizinisch vertretbar ist.

Daneben muss der niedergelassene Arzt den Patienten auch bei der Verordnung von Medikamenten über schwerwiegende Nebenwirkungen aufklären, selbst dann, wenn sie im Beipackzettel aufgelistet sind. Bei Standardmedikamenten, bei denen in der Regel aber kaum Nebenwirkungen zu erwarten sind, darf der Arzt auf den Beipackzettel verweisen.

Muss Arzt über Behandlungsalternativen informieren?

Auch über mögliche Behandlungsalternativen muss der Arzt den Patienten aufklären, wenn sie eine echte Alternative darstellen (§ 630e Absatz 1 Satz 3). Allerdings müssen Ärztinnen und Ärzte nur über solche Therapien aufklären, die zum medizinischen Standard gehören. Ungefragt müssen sie also nicht über therapeutische Verfahren sprechen, die sich noch in der Erprobung befinden. Sie müssen auch nicht alle Therapien selbst anbieten. Der Patient muss lediglich in die Lage versetzt werden, eine informierte Entscheidung zu treffen.

Sprechen Arzt und Patient eine Neulandmethode an, die noch nicht zum fachärztlichen Standard gehört und kommt diese in Betracht, müssen Ärzte besonders sorgfältig aufklären. Der Patient muss wissen, dass unbekannte Risiken nicht auszuschließen sind. Das gilt auch für sogenannte Außenseitermethoden. Hier muss der Arzt nicht nur über Risiken aufklären, sondern auch darüber, dass der Eingriff nicht dem medizinischen Standard entspricht.

Verjährung bei Aufklärungsfehlern

Bei Aufklärungsfehlern beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Patient Kenntnis vom Fehler erlangt.

Welcher Arzt muss das Aufklärungsgespräch mit dem Patienten führen?

Ärztliche Aufklärung ist allerdings mehr als das Herunterbeten von Diagnose und Therapie. Es ist ein Gespräch, in dem es darum geht, dass der Patient Informationen erhält, Fragen stellen kann, versteht und für sich die richtige Entscheidung trifft. Dabei spielen verschiedene Aspekte eine Rolle.

Über alle ärztlichen Maßnahmen darf ausschließlich der Arzt aufklären – und zwar grundsätzlich derjenige Arzt, der den Patienten auch behandelt. Allerdings darf der Arzt die Aufklärung an einen Kollegen mit der entsprechenden Ausbildung delegieren, er hat dann aber Kontrollpflichten. Wird die Aufklärung einem Kollegen übertragen, muss der nicht zwingend über eine abgeschlossene Weiterbildung verfügen. Es genügt, wenn er Kenntnisse über die wesentlichen Umstände der durchzuführenden Maßnahme hat. Allerdings darf jeder Arzt nur über die Maßnahmen aufklären, die seinen Bereich betreffen, ein Anästhesist also über die Anästhesie, der Orthopäde über die Operation.

Unzulässig ist es, wenn der niedergelassene Arzt die Aufklärung einer MFA überlässt. Die Aufklärung des Patienten gehört zu den ureigensten ärztlichen Aufgaben. Auch wenn die MFA alles richtig macht und der Arzt anwesend ist – die Einwilligung des Patienten wäre unwirksam.

Wer muss aufgeklärt werden?

Der Arzt muss immer denjenigen aufklären, der in die ärztliche Maßnahme einwilligen muss. Das ist in der Regel der Patient. Dieser muss einwilligungsfähig sein, also in der Lage, das Wesen, die Bedeutung und Tragweite der ärztlichen Maßnahme erfassen zu können. Die Einwilligungsfähigkeit ist nicht an die Volljährigkeit geknüpft, auch Jugendliche können einwilligungsfähig sein, manche Erwachsene, beispielswiese mit einer geistigen Behinderung, dagegen nicht.

Bei der Behandlung Minderjähriger müssen in der Regel beide Eltern aufgeklärt werden, wenn sie das gemeinsame Sorgerecht haben. Da es kaum praktikabel ist, für jede noch so kleine Behandlung das Einverständnis beider Elternteile einzuholen, stuft die Rechtsprechung danach ab, wie schwer der Eingriff wiegt. So kann es in Routinefällen genügen, wenn der Arzt die Einwilligung desjenigen Elternteils einholt, der mit dem Kind in der Praxis erscheint. Je schwerwiegender jedoch der Eingriff und je größer die Risiken, desto eher muss der Arzt beide Eltern aufklären und deren Einwilligung einholen.

Ärztliche AUfklärung von Jugendlichen – müssen die Eltern dabei sein?

Mitunter sind zusätzlich zu den Sorgeberechtigten auch Jugendliche aufzuklären. Es kommt dabei darauf an, ob der junge Mensch die geistige und sittliche Reife hat, die Tragweite eines Eingriffs und seiner Einwilligung zu erfassen. Die Rechtsprechung nimmt an, dass diese Reife bei Jugendlichen unter 14 Jahren regelmäßig noch nicht vorliegen. Starre Regeln gibt es hier aber nicht. Wer nach Einschätzung des behandelnden Arztes einsichtsfähig ist, muss auch aufgeklärt werden. Allerdings sollte der Arzt auch noch nicht einsichtsfähigen Kindern und Jugendlichen die wesentlichen Umstände eines Eingriffs erklären, soweit diese es verstehen können.

Besonderes Augenmerk sollten Ärzte auch auf nicht einwilligungsfähige Erwachsene richten. In diesem Fall ist ihr Betreuer aufzuklären. Auch hier muss der Arzt aber dem Patienten selbst die bevorstehende Maßnahme so gut wie möglich erklären.

Aufklärungsgespräch muss für Patienten verständlich sein

Die Aufklärung muss immer in einem persönlichen Gespräch mit dem Arzt erfolgen. Der Patient muss die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen, der Arzt muss sich einen Eindruck davon verschaffen können, ob der Patient verstanden hat, worum es geht. Daher genügt es nicht, dem Patienten allein einen Aufklärungsbogen zur Unterschrift vorzulegen, wenn er nicht zusätzlich persönlich vom Arzt mit dem Patienten besprochen wird. Formulare können ein Gespräch aber vorbereiten und dokumentieren. Sie müssen dem Patienten ausgehändigt werden. In ganz einfachen Fällen darf der Arzt ein Aufklärungsgespräch ausnahmsweise auch mal per Telefon führen.

Der Arzt muss sich im Aufklärungsgespräch die größte Mühe geben, dass der Patient ihn versteht. Das schreibt der Gesetzgeber explizit vor (§ 630e Absatz 2 Nr. 3). Er muss verständlich sprechen – sowohl sprachlich als auch inhaltlich. Daher: Weg mit dem Medizinerdeutsch und den Fachbegriffen hin zu einer dem jeweiligen Patienten verständlichen Sprache. Allerdings darf der Arzt vom Patienten auch erwarten, dass der sich rührt, wenn er etwas nicht versteht. Patienten, die den Mund nicht aufmachen, können sich im Nachhinein nicht darauf berufen, dass sie die Aufklärung nicht verstanden haben. Hilfreich ist in jedem Fall, konkret zu fragen, ob der Patient noch Fragen hat.

Bei Patienten, die geistig, körperlich oder seelisch ein Gespräch über medizinische Belange nur schwer nachvollziehen können, muss der Arzt sich in seinen Erklärungen dem Patienten anpassen und sich besonders Mühe geben.

Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) hat der Patient zudem einen Anspruch darauf, die kompletten Aufklärungsunterlagen in Kopie ausgehändigt zu bekommen, und zwar unverzüglich nach der Unterschrift und ohne extra Aufforderung an den Arzt. Der Patient kann darauf auch verzichten, der Arzt sollte das allerdings in der Patientenakte dokumentieren.

Wann muss der Arzt das Aufklärungsgespräch führen?

Die Aufklärung über eine geplante Maßnahme muss so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Entscheidung wohlüberlegt treffen kann (§ 630e Absatz 2 Nr. 2 BGB). Die Aufklärung muss also vor der Maßnahme erfolgen, dem Patienten oder seinem gesetzlichen Vertreter muss anschließend ausreichend Zeit zur Überlegung bleiben, damit er das Für und Wider abwägen und eine selbstbestimmte Entscheidung treffen kann. Eine fixe Frist gibt es jedoch nicht. Die Rechtsprechung hat im Laufe der Zeit einige Begrenzungen vorgegeben. Bei schwerwiegenden Maßnahmen, etwa bei operativen Eingriffen, muss der Arzt den Patienten mindestens einen Tag zuvor aufklären. Ist ein größerer stationärer operativer Eingriff geplant, sollte die Aufklärung am besten schon zum Zeitpunkt der Terminvereinbarung erfolgen. Bei kleineren ambulanten Eingriffen kann der Arzt aber auch noch am Tag der Maßnahme aufklären. Direkt vor dem Eingriff ist es allerdings zu spät. Eine kleine Bedenkzeit sollte dem Patienten immer bleiben. Ansonsten könnte beim Patienten der Eindruck entstehen, er könne sich nicht gegen die Maßnahme entscheiden. Die Aufklärung wäre dann nicht rechtzeitig erfolgt, die Einwilligung des Patienten unwirksam.

Zwar gilt der Grundsatz, dass der Arzt so früh wie möglich aufklären soll. Zu viel Zeit sollte zwischen Aufklärung und Eingriff allerdings auch nicht liegen. Ansonsten kann eine zweite Aufklärung kurz vor der Maßnahme erforderlich werden. In Notfällen greifen diese Maßgaben allerdings nicht. Hier gilt: Je dringender die Indikation und je notwendiger der Eingriff, desto geringere Anforderungen sind an die Aufklärung zu stellen. Ist der Eingriff eilig, kann die Bedenkfrist des Patienten im Einzelfall verkürzt sein. Duldet die Maßnahme gar keinen Aufschub und drohen erhebliche Gefahren für die Gesundheit des Patienten, kann die Aufklärungspflicht im Einzelfall sogar ganz wegfallen.

Darf der Arzt auf die Aufklärung verzichten?

In bestimmten Fällen darf also auf die Aufklärung verzichtet werden. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber explizit eingeräumt (§ 630c Absatz 4 BGB, § 630e Absatz 3 BGB). Hier kommen vorwiegend vier Situationen in Betracht:

  • Notfallsituation: Hier kann wegen der Dringlichkeit oder einer Bewusstlosigkeit des Patienten die Aufklärung entfallen.
  • Patient ist bereits aufgeklärt: Im Einzelfall kann ein Patient bereits über alle nötigen Informationen verfügen, zum Beispiel, weil er selbst Arzt ist. Auch eine früher erfolgte Aufklärung kann fortwirken, wenn sich ein Patient immer wieder gleichartigen Eingriffen unterziehen muss. In diesen Fällen kann von einer (neuerlichen) Aufklärung ganz oder zum Teil abgesehen werden.
  • Patient will keine Aufklärung: An die Wirksamkeit eines Aufklärungsverzichts werden sehr strenge Anforderungen gestellt. Er ist nur wirksam, wenn der Patient deutlich und unmissverständlich verzichtet und die erforderliche Einsichtsfähigkeit besitzt. Voraussetzung dafür ist wiederum, dass der Patient Art und Erforderlichkeit des Eingriffs und die Risiken abschätzen kann. „Totalverweigerer“ sollten daher zumindest eine Grundaufklärung über die wesentlichen Risiken erhalten. Sowohl dies als auch den Aufklärungsverzicht sollte der Arzt dokumentieren und sich bestenfalls vom Patienten unterschreiben lassen.
  • Therapeutische Gründe: Sie können in Ausnahmefällen gegen eine Aufklärung sprechen, nämlich dann, wenn sie zu einer ernsten und nicht behebbaren Gesundheitsschädigung des Patienten führen würde. Allerdings müssen Ärzte grundsätzlich auch unheilbar kranken Menschen die Diagnose bekannt geben.

So sollte das Aufklärungsgespräch dokumentiert werden

Auch wenn in der Praxis oft zu wenig Zeit bleibt: Ärzte sollten die Aufklärung gut in der Patientenakte dokumentieren, denn gerade bei Routinegeschichten erinnern sie sich nach einigen Monaten nicht mehr an die Details. Geregelt ist das Ganze in § 630e Absatz 2 BGB. Danach sollte der Arzt die wesentlichen Punkte des Aufklärungsgesprächs festhalten. Dazu zählt die Tatsache, dass in einem persönlichen Gespräch aufgeklärt wurde, sowie Ort, Zeitpunkt und wesentlicher Inhalt der Aufklärung. Falls ein Aufklärungsbogen verwendet wurde, muss dieser beigelegt werden. Hat der Patient auf die Aufklärung verzichtet, sollte das ebenfalls dokumentiert werden.

Die Rechtsfolgen einer unterlassenen, falschen oder unvollständigen Aufklärung sind für den Arzt gravierend. Geht etwas schief, droht ihm in einem Strafverfahren eine Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung oder fahrlässiger Tötung. Wer als Arzt die Aufklärungspflicht verletzt, verletzt gleichzeitig eine Hauptleistungspflicht aus dem Behandlungsvertrag, wenn der Patient glaubhaft machen kann, dass er in die Behandlung oder den Eingriff bei ordnungsgemäßer Aufklärung nicht eingewilligt hätte. Der Arzt kann in diesem Fall in einem Zivilprozess auch zu Schadensersatz und Schmerzensgeld verurteilt werden.

Aufklären, wenn der Patient kaum Deutsch versteht

Ausländische Patientin beim Arzt

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Eine besondere Herausforderung in der Praxis niedergelassener Ärztinnen und Ärzte stellen Patienten dar, die der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig sind. Die Aufklärung muss dann in einer Sprache erfolgen, die der Patient versteht. Auch hier genügt es nicht, dem Patienten lediglich ein Aufklärungsformular vorzulegen. Es muss ein Gespräch stattfinden, notfalls muss auf Kosten des Patienten ein Dolmetscher hinzugezogen werden. Auch eine sprachkundige Praxismitarbeiterin, ein anderer Patient, ehrenamtliche Helfer oder Angehörige können einspringen. Hat der Arzt allerdings den Eindruck, dass der Patient die Aufklärung auf Deutsch versteht und meldet sich der Patient nicht von sich aus, darf der Arzt darauf vertrauen, dass der Patient die Aufklärung verstanden hat.

Ersterscheinung des Beitrags: 6.10.2020