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Medizinrecht

In einer idealen Welt stellen sich Ärzte einem Patienten immer mit Namen vor. In der realen Welt sieht es anders aus. Vor allem, wenn es schnell gehen muss – beispielsweise in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Dann bleiben derlei Höflichkeiten schon einmal auf der Strecke. Das allerdings kann im Fall eines (behaupteten) Behandlungsfehlers zum Problem werden, wie ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) beweist (Az. VI ZR 415/19).

Im konkreten Fall ging es um einen Patienten, der sich wegen Schmerzen an der Lendenwirbelsäule und Sensibilitätsstörungen am linken Bein in der Notaufnahme einer Klinik vorgestellt hatte. Einer der diensthabenden Ärzte legte dem Mann daraufhin einen venösen Zugang in der rechten Ellenbeuge. Anschließend wurde der Kranke stationär aufgenommen.

Einige Tage später klagte der Patient über Schmerzen, Schüttelfrost und Fieber. Als Ursache wurde unter anderem eine MRSA-Sepsis festgestellt, die zu septischen Thrombosen in der Lunge und einer Spondylodiszitis mit einem Abszess im Bereich der Brustwirbelsäule führten. Die Keime hatten sich an der Wirbelsäule festgesetzt und mussten operativ entfernt werden.

Die Schlüsselfrage lautet: War die Infektion vermeidbar?

Der Patient verklagte daraufhin die Klinik auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Sein Vorwurf: Die Infektion hätte vermieden werden können, wenn der behandelnde Arzt die gängigen Hygienestandards beim Legen der Infusion gewahrt hätte. Dieser aber hätte weder Handschuhe getragen, noch habe er sich zuvor die Hände gewaschen. Zudem haben er für die Infusion eine Spritze benutzt, die zuvor auf den Boden gefallen sei.

Die Klinik widersprach dieser Darstellung und führte aus, der behandelnde Arzt, Dr. R., habe die Infusion verabreicht und dabei alle Hygienestandards eingehalten. Als Zeuge befragt gab Dr. R. allerdings an, er habe die Infusion lediglich angeordnet. Welcher seiner Kollegen den venösen Zugang tatsächlich gelegt habe, könne er nicht sagen. Fest stehe nur, dass die entsprechende Eintragung in der Krankenakte nicht von ihm stamme.

Auch die Klinik muss sich äußern

Den Vorinstanzen hatte diese Einlassung noch genügt, um die Klage des Patienten abzuweisen. Der BGH war anderer Auffassung: Die Karlsruher Richter ließen die Ausführungen von Dr. R. nicht genügen, um einen Haftungsanspruch abzuwehren.

Zwar muss bei (behaupteten) Hygieneverstößen grundsätzlich der Patient beweisen, dass eine Infektion auf die Verwirklichung eines vermeidbaren Risikos zurückgeht. Dann aber muss die Gegenseite auch klar bestreiten, dass sie einen Behandlungsfehler begangen hat. Im vorliegenden Fall hätte das Klinikum also nicht nur erklären müssen, wie es die Hygieneregeln eingehalten hat, sondern auch klar benennen müssen, wer genau die Infusion legte. Da dies nicht geschehen ist, verwies der BGH den Fall an die Vorinstanz. Das OLG muss daher erneut in die Beweisaufnahme eintreten und dabei den Hinweis des BGH beachten.