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Medizinrecht

Kommen wichtige Arztbriefe eines Facharztes nicht beim Hausarzt des Patienten an, kann das eine notwendige Behandlung verzögern und zum Haftungsrisiko werden. Doch wie weit reichen die Aufklärungs- und Behandlungsplichten eines Facharztes, dem ein Patient vom Hausarzt überwiesen wird?

Dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht Karlsruhe gewidmet. Im verhandelten Fall entschied es zugunsten des beklagten Gastroenterologen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 11. März 2020; 7 U 10/19).

Arztbrief mit Befund ging per Post an den Hausarzt

Im konkreten Fall hatte sich eine Patientin nach Überweisung durch den Hausarzt wegen Darmbeschwerden an einen Facharzt gewandt. Nachdem dieser bei einer Tastuntersuchung eine Erhabenheit festgestellt hatte, führte er eine weitere Untersuchung des Darms mit dem Endoskop durch. Er trug den Befund mit einer Zange ab und sendete ihn zur histologischen Untersuchung ein. Im Nachgespräch erklärte der Gastroenterologe der Patientin das Vorgehen. Dabei erläuterte er auch, dass der Befundbericht noch um die Histologie ergänzt werde. Der vollständige Bericht werde daher erst in sieben bis zehn Tagen beim Hausarzt eintreffen.

Tags darauf verfasste der Gastroenterologe den Arztbrief an den Kollegen. Wiederum einen Tag später erhielt er den histologischen Befund (kein invasives Wachstum) und sandte anschließend den Arztbrief und eben jenen Befund per Post an die Hausärztin der Klägerin. Als Therapieempfehlung nannte der Brief die bioptische Kontrolle im Abstand von sechs Monaten. Ob das Schreiben ankam, kontrollierte der Facharzt allerdings nicht.

Arzt verklagt, weil er die Zustellung nicht überprüfte

Dieses Unterlassen brachte ihn vor Gericht. Die Patientin verlangte im Verfahren aber nicht nur ein Schmerzensgeld. Sie wollte auch feststellen lassen, ob der Arzt in Bezug auf alle Folgeschäden durch die angebliche fehlerhafte ärztliche Behandlung schadenersatzpflichtig sei. Damit allerdings hatte sie keinen Erfolg.

Abwägung je nach Schwere des Falles

Das Gericht führte aus: Zwar hätten Patienten einen Anspruch auf Unterrichtung über die im Rahmen einer ärztlichen Behandlung erhobenen Befunde und Prognosen. Das gelte in besonderem Maße, wenn sie erst durch diese Information in die Lage versetzt würden, eine medizinisch gebotene Behandlung durchführen zu lassen. Vor diesem Hintergrund sei es ein schwerer ärztlicher Behandlungsfehler, wenn der Patient über einen bedrohlichen Befund, der Anlass zu umgehenden und umfassenden ärztlichen Maßnahmen gebe, nicht informiert und ihm dadurch die erforderliche ärztliche Beratung versagt werde.

Urteil zugunsten des Facharztes

Im konkreten Fall sei ein solcher Behandlungsfehler allerdings nicht gegeben. Der Gastroenterologe sei nicht verpflichtet gewesen, die Patienten persönlich telefonisch zu informieren oder wieder einbestellen. Es genüge die Information der Hausärztin mittels Arztbrief per Post.

Zwar gebe es hochpathologische Befunde oder solche, die weitere zeitkritische Behandlungsschritte erfordern. In solchen Fällen sei eine rasche Reaktion und deshalb auch eine persönliche Information des Patienten geboten, so das OLG. Eine solche besondere Dringlichkeit erkannte es hier aber nicht. Bei dem vorliegenden Befund einer abgetragenen Krebsvorstufe reiche ein Kontrollintervall von sechs Monaten und die Befundübermittlung mit der Therapieempfehlung an die Hausärztin aus.

Darf man der Post vertrauen?

Wichtig für die Praxis sind auch die Ausführungen des Gerichts mit Blick auf die Frage, inwieweit ein Arzt kontrollieren muss, ob der Arztbrief beim Adressaten eingegangen ist. Dazu führte das OLG aus: Normalerweise darf der Absender darauf vertrauen, dass ein Arztbrief beim Empfänger ankommt. Es kann ihm nicht zugemutet werden, bei jedem Schreiben nachzufragen, dass dieses tatsächlich erfolgreich zugestellt wurde. Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn es in der Vergangenheit bereits Probleme bei der Postzustellung gab. In diesem Fall sollte der Arzt auf andere Kommunikationswege umsteigen – und zum Beispiel ein Fax senden.

Noch höher sind die Anforderungen, bei hochpathologischen Befunden oder solchen, die weitere, zeitkritische Behandlungsschritte erforderlich machen. In diesem Fall muss der Arzt tatsächlich nachfragen, ob das Schreiben beim betreffenden Kollegen gelandet ist – oder direkt zum Hörer greifen.