Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Medizinrecht
Inhaltsverzeichnis

Erholungs­suchende Ärzte sind auch auf dem Flug in die Ferien nicht davor gefeit, sich um gesundheitlich angeschlagene Mitmenschen kümmern zu müssen. Nach Angaben der Lufthansa gibt es weltweit etwa alle zwölf Minuten einen medizinischen Notfall über den Wolken.

Die Gründe für diese Häufung sind vielfältig: Reisestress, niedriger Umgebungsdruck, trockene Kabinenluft und die oft beengten Sitzmöglichkeiten begünstigen Herz-Kreislauf-Probleme und erhöhen die Thrombosegefahr. Hinzu kommt, dass immer häufiger auch ältere Menschen unter den Passagieren sind. Kurz gesagt: Wer in den Urlaub fliegt, muss stets mit einem – mehr oder minder schweren – medizinischen Notfall an Bord rechnen.

Doch auch wenn es für die meisten Ärztinnen und Ärzte selbstverständlich sein dürfte, sich in Notfällen als Arzt zu erkennen zu geben und zu helfen, fliegt immer auch die Angst mit, womöglich einem fremden Rechtsregime zu unterfallen und sich im Fall der Fälle haftbar zu machen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur spontanen Behandlung im Flugzeug:

Müssen sich Berufsträger zu erkennen geben, wenn nach einem Arzt an Bord gefragt wird?

Das ist dringend zu empfehlen. Denn in Flugzeugen gilt stets das Recht des Landes, in dem das Flugzeug registriert ist. Wer sich also wegduckt, wenn die berühmt-berüchtigte Durchsage ertönt, macht sich zumindest dann strafbar, wenn er mit einer deutschen Airline reist. Der Grund: Wer Notleidenden in einer Gefahrensituation nicht beisteht, macht sich nach deutschem Recht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar (vgl. § 323 c StGB). Ebenso wie Bürger ohne medizinische Fachkenntnisse sind Ärzte nach deutschem Recht daher verpflichtet, in Notfällen Hilfe zu leisten, sofern ihnen das zumutbar ist. Aufgrund ihrer Fachkenntnisse liegt die Zumutbarkeitsschwelle beim Arzt sogar noch einmal höher als bei Otto Normalverbraucher.

Ähnliche Vorschriften existieren übrigens in den meisten europäischen Ländern und in Australien. Ärzte sind daher gut beraten, sich bei Notfällen zu erkennen zu geben. Dies gilt umso mehr, als auch die deutschen Berufspflichten und das Standesrecht eine erweiterte Hilfeleistungspflicht für Ärzte in dringenden Fällen vorsieht – und zwar unabhängig davon, ob ein Behandlungsvertrag besteht.

Gelten diese Pflichten auch, wenn der Arzt zur Zeit des Notfalls Alkohol konsumiert hat?

Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist nur für Fälle möglich, in denen der Arzt so betrunken ist, dass er nicht mehr Herr seiner Sinne ist. In einer solchen Konstellation verbietet sich eine ärztliche Hilfeleistung ohne Wenn und Aber.

Hat ein Arzt hingegen nur ein Glas Wein getrunken, ist abzuwägen: Sollte ein nüchterner Kollege vor Ort sein, ist es sicherlich angezeigt, diesem den Vortritt zu lassen. Ist der Arzt hingegen der einzige Berufsträger an Bord, wird er dennoch nach bestem Wissen und Gewissen helfen müssen und zumindest tun, was er in seinem Zustand noch sicher beherrscht.

Welche Haftungsrisiken bestehen bei einer ungeplanten Behandlung im Flugzeug?

Auch hier gilt grundsätzlich das Recht des Staates, unter dessen Flagge das Flugzeug registriert ist. Für Ärzte, die mit einer deutschen Airline fliegen, bedeutet das weitreichende Haftungsprivilegierungen, wenn sie in einer Notfallsituation nur zufällig Erste Hilfe leisten, da in einer solchen Situation kein Behandlungsvertrag entsteht. Der Arzt übernimmt die Behandlung also „ohne Auftrag“. Entsprechend greift das Haftungsprivileg des § 680 BGB: Ärzte haften, ebenso wie Laien, nur für Schäden, die sie vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit verursachen.

Ähnlich sind die Rechtsfolgen in anderen Jurisdiktionen und sogar im vom deutschen Recht sehr verschiedenen angelsächsischen Rechtsraum. Dort kennt man keine generelle Pflicht, fremden Menschen Erste Hilfe zu leisten. Um zu verhindern, dass Ärzte aus Angst vor Schadensersatzforderungen untätig bleiben, gibt es inzwischen aber auch hier Regelungen, die Ersthelfer vor zivil- oder strafrechtlicher Verfolgung schützen. Das gilt, wenn sie freiwillig und uneigennützig handeln und keine finanzielle Kompensation erhalten. Reisefreudige Ärzte, die ihre Risiken minimieren wollen, sollten dennoch im Vorfeld des Fluges bei der Airline ihrer Wahl die Details erfragen.

Wann müssen Ärzte zur Landung raten und welche Risiken gehen sie damit ein?

Wann ein Arzt eine solche Sicherheitslandung empfiehlt, ist vom Zustand des Patienten abhängig. Wenn nach der Einschätzung vor Ort eine akute Gefahr für Leib und Leben besteht und eine unverzügliche medizinische Versorgung nötig erscheint, wird der Arzt in der Regel eine solche Empfehlung aussprechen. 

Die letzte Entscheidung für oder gegen einen außerplanmäßigen Zwischenstopp trifft jedoch der Pilot, sodass ein Haftungsrisiko des Arztes so gut wie nicht besteht. Das gilt selbst dann, wenn sich seine Einschätzung zum Zustand des Patienten später als falsch herausstellen sollte und keine schwerwiegende medizinische Beeinträchtigung vorlag.

Wie sind die medizinischen Notfallkoffer der Airlines ausgestattet?

Das kann je nach Fluglinie sehr unterschiedlich sein. Deutsche und europäische Regularien legen jedoch einen Mindeststandard für die medizinische Versorgung fest. Danach müssen alle kommerziellen Flugzeuge über einen Erste-Hilfe-Koffer zur Behandlung kleinerer medizinischer Vorfälle wie Schwindel, Wunden, Kopfschmerzen oder Übelkeit verfügen.

Flugzeuge mit mehr als 30 Sitzen müssen zudem ein sogenanntes Emergency Medical Kit mitführen, das von geschultem Personal verwendet werden kann. Wie genau dieses medizinische Kit ausgestattet ist, kann je nach Airline und Größe des Flugzeugs variieren. Üblich sind jedoch ein Blutdruckmessgerät, Einweghandschuhe, Geräte zur Notfallbeatmung, ein Stethoskop, ein automatischer externer Defibrillator sowie das Mitführen von Schmerzmitteln, Medikamenten gegen Erbrechen, Herzmedikamente, Adrenalin, Diuretika, Glukose, Antihistaminika und Antiphlogistika.

Erhalten Ärzte für die Notfallversorgung eines Mitpassagiers eine Vergütung?

Normalerweise nicht, da in Notfallsituationen kein Behandlungsvertrag mit dem Patienten zustande kommt und der Arzt  oder die Ärztin ausschließlich aufgrund ethischer Verantwortung handelt. In der Praxis erhalten Ärzte aber oft ein Dankeschön der Airline, etwa in Form eines Upgrades für den nächsten Flug oder zusätzliche Meilen. 

Immer mehr Fluglinien legen zudem spezielle Bonus-Programme für Ärztinnen und Ärzte auf, die sich bei der Fluggesellschaft registrieren und sich bereit erklären, in Notfällen Erste Hilfe zu leisten. Auf diese Weise vermeiden die Gesellschaften die beunruhigende Durchsage zur Arzt-Suche und die helfenden Mediziner erhalten eine Anerkennung für ihre Hilfsbereitschaft. Zu nennen sind zum Beispiel das „Doctor on Board“-Programm von Lufthansa, Austrian Airlines und Swiss oder „Ärzte an Bord“ von Air France und KLM.

Haftungsrisiko gering

Wer über den Wolken spontan einen Notfallpatienten versorgt, unterliegt grundsätzlich dem Recht des Staates, in dem das Flugzeug registriert ist. In welchem Luftraum sich das Flugzeug gerade befindet, ist hingegen irrelevant. Die weitverbreitete Angst vor Haftungsrisiken ist in der Regel unbegründet, da zugunsten von (ärztlichen) Ersthelfern umfangreiche  Haftungsprivilegien greifen, und zwar selbst in Fliegern aus dem Mutterland horrender Haftungsklagen: den USA.

Stichwörter