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Versicherungsrecht
Inhaltsverzeichnis

Zunächst ein paar Fakten zum Hintergrund: Die ärztliche Berufshaftpflichtversicherung gehört zur Gruppe der Haftpflichtversicherungen für Freiberuflerinnen und Freiberufler. Ihre rechtliche Grundlage findet sich im Versicherungsvertragsgesetz (VVG), im konkreten Versicherungsvertrag zwischen Ärztin oder Arzt und dem Versicherer sowie in den Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) des Versicherers. Letztere stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne des § 305 BGB dar und werden Bestandteil des Versicherungsvertrags.

Was regelt die Berufshaftpflichtversicherung für Ärztinnen und Ärzte?

Gemäß § 100 VVG ist der Versicherer verpflichtet, berechtigte Schadenersatzansprüche zu erfüllen und unberechtigte abzuwehren. Um dies zu ermöglichen, regeln die AHB eine sogenannte Regulierungsvollmacht: Der Versicherer darf im Namen der Ärztin oder des Arztes notwendige Schritte zur Abwehr oder Erfüllung von Ansprüchen einleiten. Dazu gehört auch die Beauftragung eines Rechtsanwalts bereits vor Einleitung eines Gerichtsverfahrens.

Wie weit reicht der Leistungsumfang des Versicherers laut VVG?

Nach § 101 Abs. 1 Satz 1 VVG trägt der Versicherer die Kosten für gerichtliche und außergerichtliche Maßnahmen, sofern diese nach den Umständen angemessen sind .Hieraus folgt allerdings auch, dass der Versicherer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, Kosten eines weiteren Rechtsanwalts zu übernehmen, der vom Versicherungsnehmer gesondert beauftragt wurde.

Etwas anderes kann allerdings gelten, wenn widerstreitende Interessen zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer den vom Versicherer beauftragten Rechtsanwalt dazu bewogen haben, das Mandat niederzulegen. In solchen Fällen kann der Versicherer verpflichtet sein, die Kosten eines durch den Versicherungsnehmer neu zu beauftragenden Rechtsanwalts zu übernehmen.

Die Kostenübernahme schließt gemäß § 101 Abs. 1 Satz 2 VVG auch Strafverteidigungskosten ein, sofern diese auf Anweisung des Versicherers entstanden sind.

Beachtung berechtigter Interessen des Versicherungsnehmers

Der Versicherer muss bei der Regulierung von Ansprüchen die Interessen der Versicherungsnehmerin bzw. des Versicherungsnehmers berücksichtigen. Konkret bedeutet das, dass der Versicherer seinen Versicherungsnehmer über die erfolgten Maßnahmen bei der Abwehr oder der Erfüllung des geltend gemachten Anspruchs zu informieren und sich mit dem Versicherungsnehmer abzustimmen hat, wenn Interessen des Versicherungsnehmers, z. B. dessen persönliche Inanspruchnahme im Rahmen des geltend gemachten Schadenersatzanspruchs etwa in Fällen der Überschreitung der Deckung des Versicherungsvertrags, betroffen sind.

Gemäß § 102 Abs. 1 Satz 1 VVG umfasst der Versicherungsschutz auch mitarbeitende Personen wie angestellte Ärztinnen und Arzthelferinnen.

Anerkenntnisse des Versicherers oder des Versicherungsnehmers gegenüber Dritten

Ein Anerkenntnis des Versicherers gegenüber einem Dritten kann eine eigene Leistungsverpflichtung gegenüber dem Geschädigten begründen – selbst dann, wenn die Deckungssumme nicht ausreicht oder ein Selbstbehalt besteht (Rechtsprechung des BGH).

Besondere Vorsicht ist allerdings bei etwaigen Anerkenntnissen oder Vergleichen geboten, welche Versicherungsnehmer ohne Zustimmung des Versicherers gegenüber einem Dritten abgeben. Die AHB vieler Versicherer sehen nämlich vor, dass solche Anerkenntnis oder Vergleiche sie nur dann binden, wenn die zugrundeliegende Schadensersatzforderung tatsächlich berechtigt ist. Andererseits bestimmt § 105 VVG, dass eine Vereinbarung unwirksam ist, nach welcher der Versicherer nicht leisten muss, wenn ohne seine Einwilligung der Versicherungsnehmer den Anspruch eines Dritten befriedigt oder anerkennt. Zu beachten ist, dass diese gesetzliche Regelung etwaigen abweichenden Bestimmungen in AHB der Versicherer vorgeht, sofern es sich jedenfalls nicht um sog. Großrisiken im Sinne des § 210 VVG geht.

Warum ist zwischen Deckungs- und Haftungsverhältnis zu unterscheiden?

Die Berufshaftpflichtversicherung umfasst lediglich das Deckungsverhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer, wie dieses durch das Gesetz, die AHB und den konkreten Versicherungsvertrag ausgestaltet wurde. Das Deckungsverhältnis ist vom Haftpflichtverhältnis zu unterscheiden, welcher zwischen der in Anspruch genommenen Ärztin bzw. zwischen dem in Anspruch genommenen Arzt und dem geschädigten Dritten besteht und regelmäßig nicht mit dem Umfang des Deckungsschutzes nach dem Deckungsverhältnis übereinstimmt. Der Umfang des Versicherungsschutzes kann vom Umfang der zivilrechtlichen Haftung abweichen, z. B. durch vertragliche Ausschlüsse in den AHB.

Obliegenheiten und Folgen bei Pflichtverletzungen

Ein Berufshaftpflichtversicherung-Vertrag enthält regelmäßig zahlreiche Obliegenheiten, die vom Versicherungsnehmer zu erfüllen sind. Unter Obliegenheiten versteht das Versicherungsrecht bestimmte Pflichten, welche ein Versicherungsnehmer in seinem eigenen Interesse zu erfüllen hat. Werden Obliegenheiten seitens des Versicherungsnehmers schuldhaft verletzt, kann der Ersatzanspruch des Versicherers ganz oder teilweise entfallen.

So muss der Versicherungsnehmer nach § 104 Abs. 1 Satz 1 VVG dem Versicherer innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Verantwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten, auch wenn der betreffende Dritte noch keine Schadensersatzansprüche geltend macht. Werden bereits Schadensersatzansprüche erhoben, ist der Versicherungsnehmer gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 VVG verpflichtet, dies dem Versicherer innerhalb einer Woche nach der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche anzuzeigen. Werden gegen einen Versicherungsnehmer Ansprüche gerichtet geltend gemacht, Prozesskostenhilfe beantragt, dem Versicherungsnehmer gerichtlich der Streit verkündet, oder gegen diesen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, muss der Versicherungsnehmer dies dem Versicherer nach § 104 Abs. 2 VVG unverzüglich anzeigen.

Welche Folgen eine zurechenbare Verletzung von Obliegenheiten nach sich zieht, regelt das Gesetz nicht selbst, sondern überlässt dies einer vertraglichen Bestimmung zwischen einem Versicherer und dem Versicherungsnehmer. Die AHB vieler Versicherer sehen es vor, dass eine vorsätzliche Verletzung von Obliegenheiten durch einen Versicherungsnehmer dazu führt, dass der Versicherungsnehmer seinen Versicherungsschutz verliert. Erfolgt die Verletzung von Obliegenheiten grob fahrlässig, bestimmen viele AHB, dass der Versicherer berechtigt ist, seine Leistung zu kürzen, wobei es auf das konkrete Verschulden des Versicherungsnehmers ankommt.

Zu beachten ist allerdings, dass ein Versicherer gleichwohl leistungspflichtig bleibt, wenn eine vorsätzliche oder grob fahrlässiger Verletzung von Obliegenheiten seitens eines Versicherungsnehmers weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistung des Versicherers ursächlich ist und der Versicherungsnehmer dabei nicht arglistig handelt.

Was Ärztinnen und Ärzte über die Berufshaftpflichtversicherung wissen müssen

Was ist abgesichert?

Die ärztliche Berufshaftpflichtversicherung schützt vor zivilrechtlichen Schadenersatzforderungen, wenn Patientinnen oder Patienten Behandlungsfehler geltend machen. Der Versicherer wehrt unbegründete Ansprüche ab und reguliert berechtigte Forderungen – inklusive Anwalts- und Gerichtskosten (§§ 100–101 VVG).

Was regeln AHB & Vertrag?

Die sogenannten Allgemeinen Haftpflichtbedingungen (AHB) und der individuelle Versicherungsvertrag bestimmen den konkreten Leistungsumfang. AHB sind AGB im rechtlichen Sinn (§ 305 BGB) und Bestandteil des Vertrags.

Anerkenntnisse – besser nicht?

Wer als Arzt oder Ärztin ohne Zustimmung des Versicherers einen Anspruch anerkennt oder einen Vergleich schließt, riskiert den Versicherungsschutz (§ 105 VVG). Nur bei berechtigten Forderungen kann eine Ausnahme bestehen.

Deckung ≠ Haftung

Die Versicherung deckt nicht automatisch jede denkbare Haftung ab: Ausschlüsse im Vertrag oder in den AHB können dazu führen, dass eine zivilrechtliche Haftung besteht, aber keine Deckung durch die Versicherung erfolgt.

Pflichten der Versicherten

Wird ein Schaden bekannt oder ein Anspruch erhoben, muss dies innerhalb einer Woche gemeldet werden (§ 104 VVG). Verstöße gegen diese Obliegenheiten – etwa verspätete Meldung – können zum Verlust des Versicherungsschutzes führen, vor allem bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.

Auch Strafverteidigung möglich

Die Versicherung kann auch Strafverteidigungskosten übernehmen, wenn dies auf Anweisung des Versicherers geschieht (§ 101 Abs. 1 Satz 2 VVG).

Dr. jur. Alex Janzen

Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Rechtsanwaltskanzlei Dr. jur. Alex Janzen

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