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Medizinrecht

Die horizontale Arbeitsteilung ist insbesondere bei augenärztlichen Tätigkeiten häufig anzutreffen, wenn Patienten zur ambulant operativen Versorgung in Tageskliniken oder OP-Zentren überwiesen werden. Diese bieten nur die operative Leistung an.

Patient verklagt Ärzte nach Behandlungsfehler

So auch im Fall eines Patienten, der mehrere Jahre bei einer Augenärztin in Behandlung war. Diese stellte im Jahr 2010 für das rechte Auge eine Erkrankung der Netzhaut fest. Drei Jahre später hatte diese erstmals eine Sehverschlechterung zur Folge. Mit der „Grauer Star“ wurde der Patient an ein augenärztliches OP-Zentrum überwiesen. Die Voruntersuchung zur OP wurde noch in der Praxis der Augenärztin durchgeführt.

Die Operation erfolgte komplikationslos. Postoperativ fiel jedoch ein Visus von 0,15 auf, der sich auch nach mehreren Wochen nicht verbesserte. Schließlich wurde die Diagnose einer feuchten Makuladegeneration gestellt. Daraufhin verklagte der Patient seine Augenärztin und den Operateur.

So urteilte das Gericht

Wie das Gericht bestätigte, ist sowohl der Augenärztin als auch dem Operateur ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen. Denn die plötzliche Sehverschlechterung hätte im Vorfeld der OP weiter abgeklärt werden müssen, um festzustellen, ob tatsächlich die Linse allein für die beschwerden verantwortlich war. Es wurden aber keine weiteren präoperativen Untersuchungen durchgeführt.

Nach Auffassung der eingeschalteten Schlichtungsstelle wäre bei entsprechender Diagnose-Durchführung der reaktionspflichtige Befund festgestellt worden. Der Fehler ist der Augenärztin unterlaufen, doch der Operateur hätte ihre Diagnose auch nicht einfach übernehmen dürfen, sondern sie selbst noch einmal überprüfen müssen. Insbesondere hätte er der plötzlichen Visusverschlechterung bei mitgeteilter trockener Makuladegeneration nachgehen müssen.

Fall der sogenannten horizontalen Arbeitsteilung

Wie das Gericht erklärte, handelt es sich hier um einen Fall der sogenannten horizontalen Arbeitsteilung – Da es sich also um Ärzte der gleichen Fachrichtung handelt, ist der übliche Vertrauensgrundsatz nur eingeschränkt anwendbar. Vielmehr ist der jeweilige Arzt bei Weiter- bzw. Mitbehandlung dazu verpflichtet, die Diagnose und die vorgeschlagene Therapie eigenständig nochmal zu überprüfen. Eine Übernahme der Befunde ist zwar möglich, sollte aber die begründete Ausnahme bleiben.

Wegen der erwiesenen mangelnden Befunderhebung kam es zu einer Beweislastumkehr zum Nachteil der beiden Ärzte. Deshalb hätten sie beweisen müssen, dass die OP wirklich notwendig war und die Visusverschlechterung auch bei rechtzeitiger Behandlung passiert wäre. Da die Ärzte diesen Beweis nicht erbringen konnten, müssen sie ein Schmerzensgeld im fünfstelligen Bereich bezahlen.