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Recht

Das Landessozialgericht NRW urteilte am 13. September 2006 (Az.: L 11 KA 30/06) über folgenden Fall: Die KV beantragte beim Zulassungsausschuss den rückwirkenden Widerruf der Genehmigung einer Gemeinschaftspraxis. Begründung: der „Junior-Partner“ sei kein Partner, sondern ein Praxisangestellter. Und weil eben keine Gemeinschaftspraxis bestanden habe, forderte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) vier Jahre rückwirkend auch noch das gezahlte Vertragsarzthonorar zurück.

Gemeinschaftspraxis verlor die Zulassung

Der Zulassungsausschuss lehnte zwar die rückwirkende Rücknahme der Genehmigungen ab, nahm aber die Genehmigung der Gemeinschaftspraxis mit sofortiger Wirkung zurück. Hiergegen gingen die Ärzte in Widerspruch, Klage und Berufung.

Das Landessozialgericht setzte sich im Berufungsverfahren mit den einzelnen gesellschaftsvertraglichen Regelungen auseinander und kam dabei zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz. Die konkrete Vertragsgestaltung stand nach seiner Ansicht einer freiberuflichen, selbstständigen vertragsärztlichen Tätigkeit nicht entgegen.

Vorsicht bei der Vertragsgestaltung mit freiberuflichen Ärzten

Insbesondere sei unzutreffend, dass die Vertragsgestaltung „eher“ einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis entsprochen habe. Eine persönliche Abhängigkeit der „Junior-Partner“, wie sie für ein Beschäftigungsverhältnis charakteristisch sei, ergebe sich aus dem Vertrag nicht. Dabei sei zu berücksichtigen, dass zwischen gesellschaftsrechtlichen Einflussmöglichkeiten und arbeitsvertraglichem Weisungsrecht zu unterscheiden sei. Allein die Tatsache, dass ein Gesellschafter (“Senior-Partner”) einen dominierenden Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft habe, begründe nicht die persönliche Abhängigkeit anderer Gesellschafter im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses.

Die Ärzte waren nicht weisungsgebunden

Weisungsgebundenheit im Sinne eines Beschäftigungsverhältnisses setze vielmehr voraus, dass ein Gesellschafter dem anderen Ort, Zeit und Inhalt der Tätigkeit vorschreiben könne. Dies sei weder im Vertrag mit dem Arzt so geregelt noch tatsächlich so gehandhabt worden. Einer der „Junior-Partner“ hatte dementsprechend in der mündlichen Verhandlung auch betont, er allein habe bestimmt, wann und wie viel er gearbeitet habe.

Die Gesellschafter erhielten kein festes monatliches Gehalt, sondern nur das von ihnen individuell erwirtschaftete Honorar abzüglich des Anteils für die Kosten der Praxis. Wie bei jedem anderen Niedergelassenen hing somit der wirtschaftliche Ertrag der Tätigkeit vom Zuspruch der Patienten ab. Diese Beteiligung an den Kosten eines Betriebes sei für ein Beschäftigungsverhältnis untypisch, so das Gericht.

Das Gericht hob außerdem hervor, dass nach dem Gesellschaftsvertrag jeder Gesellschafter bzw. Ärzte berechtigt war, allein Behandlungsverhältnisse einzugehen. Insbesondere bestand nicht die Möglichkeit einer „Zuweisung“ von Patienten durch den Senior an die Junioren. Jeder Arzt behandelte vielmehr die Patienten eigenständig und eigenverantwortlich, es bestand insoweit ausdrücklich kein Weisungsrecht. Da der Gesellschaftsvertrag auch keine Regelungen über Urlaub oder die Fortzahlung des Honorars im Krankheitsfall der Ärzte in der Praxis beinhaltete, revidierte das Landessozialgericht die Auffassung der Vorinstanz.

Bildung gemeinsamen Kapitals nicht zwingend

Das Gericht hob gesondert hervor, dass es unbedenklich sei, dass die Bildung gemeinsamen Kapitals laut Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehen war und die Kassenarztpraxis in den bestehenden Praxisräumen des Senior-Partners ausgeübt werden sollte. Das Gericht wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass gesellschaftsrechtlich die Bildung eines eigenen Gesellschaftsvermögens nicht erforderlich sei. Es sei unproblematisch, dass der Senior die Praxiseinrichtung als Sachleistung in die Gesellschaft eingebracht habe, während der Gesellschaftsbeitrag der anderen Gesellschafter nur in Dienstleistungen bestand. Gesellschaftsrechtlich sei auch ein Ausschluss von Gewinn und Verlust zulässig, der Gewinnanteil könnte sogar in festen monatlichen Zahlungen bestehen. Auch die Geschäftsführung könne einem der Gesellschafter allein übertragen sein, insofern sei die Abwicklung der Abrechnungen über ein vom geschäftsführenden Gesellschafter verwaltetes Konto (nur) Ausdruck dessen Geschäftsführungsbefugnis.

Damit von einer selbstständigen Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in eigener Praxis auch im Rahmen einer Gemeinschaftspraxis gesprochen werden könne, müsse der Arzt die Möglichkeit haben, im eigenen Namen Behandlungsverträge mit Patienten zu schließen (für die Gemeinschaft oder nur für sich selbst) und er müsse auf die Gestaltung der Praxis Einfluss nehmen können, wobei ihm auch das Direktionsrecht gegenüber dem Personal gleichberechtigt zustehen müsse. Diese Voraussetzungen lagen aber im Falle des konkret vorgelegten Vertrags vor. Die aus der gesellschaftsvertraglich festgelegten Stellung resultierenden Einschränkungen (das „Vetorecht“ der Gründungsgesellschafter) müsse ein (Junior)Partner hinnehmen. Es sei aber nicht ersichtlich, dass der Vertrag insgesamt keine selbstständige eigenverantwortliche Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erlaubt hätte.

Behandeln in eigener Vollkommenheit

Die selbstständige Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis verlangt, dass jeder der beteiligten Ärzte die Möglichkeit hat, im eigenen Namen Behandlungsverträge mit Patienten zu schließen und auf die Gestaltung der Praxis Einfluss zu nehmen. Den Gemeinschaftspraxispartnern muss das Direktionsrecht gegenüber dem Personal gleichberechtigt zustehen (Urteil des LSG NRW vom 13. September 2006, Az.: L 11 KA 30/06