Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Sozialrecht

Eine Frau, die bereits zwei schwere Geburten überstanden hat, kommt beim nächsten Kind mit vorzeitigen Wehen ins Krankenhaus. Alles deutet auf eine normale Niederkunft hin, der Muttermund ist bereits sechs Zentimeter geöffnet. Dennoch wünscht die Frau sich dringend einen Kaiserschnitt. Zu diesem Zeitpunkt ist es schon fast Mitternacht. Der Arzt klärt die Schwangere auf und führt den Eingriff durch.

Zunächst sieht alles nach einer Routine-OP aus. Unmittelbar im Anschluss an die Sectio tritt allerdings eine massive Uterusatonie auf, die Frau verliert mehr als einen Liter Blut. Weder der Oberärztin noch dem Assistenzarzt gelingt es im Folgenden, die Blutungen zu stoppen. Erstere musste zudem für eine Viertelstunde den Raum verlassen, um eine weitere Risikogeburt zu betreuen. Der später hinzugezogene Chefarzt sowie ein Gefäßchirurg können den Tod der Frau nicht mehr verhindern.

Hinterbliebene verklagen die Klinik

Der Ehemann und die beiden hinterbliebenen Kinder verlangten eine Entschädigung unter anderem für Unterhalt sowie Schmerzensgeld.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm gab ihnen recht. Es argumentierte: Bei einem medizinisch nicht erforderlichen Wunsch-Kaiserschnitt, insbesondere ab Geburtsbeginn, müssten alle personellen und organisatorischen Ressourcen sichergestellt sein. Dass sich die Oberärztin für 14 Minuten um eine weitere Risikogeburt gekümmert habe und erst später Ärzte hinzugezogen wurden, müsse sich die Klinik anlasten lassen.

Aus Mangel an Beweisen

Der Bundesgerichtshof (BGH) bewertet die Dinge anders. Nach Auffassung der Karlsruher Richter liegt nicht automatisch ein Organisationsverschulden der Klinik vor, wenn nachts zunächst nur eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme als Geburtshelfer zuständig sind (Az. VI ZR 60/20). Zudem sei nicht klar, worin genau der Behandlungsfehler bestanden habe. Nur weil eine Oberärztin, ein Assistenzarzt und eine Hebamme die Schwangere betreut hatten, belege das noch nicht, dass sich der Tod der Frau mit mehr Fachpersonal hätte verhindern lassen.

Kein Fehler der Ärzte erkennbar

Um einen Arzthaftungsanspruch zu begründen, müssten die Angehörigen der Verstorbenen belegen, dass eine unzureichende ärztliche Betreuung tatsächlich auf fehlendes Personal zurückzuführen sei, denn für ein Organisationsverschulden der Klinik komme es nicht darauf an, ob von vornherein weitere Ärzte bereitstanden, sondern darauf, wie schnell das Geburtshelferteam verstärkt werden konnte, so der BGH.

Auch könne den Ärzten nicht vorgeworfen werden, dass sie auf den Kaiserschnitt-Wunsch der Frau eingegangen sind. Wörtlich führte das Gericht in seiner Begründung aus: „(…) nur wenn die von der Kindesmutter gewünschte sekundäre Sectio unter Berücksichtigung auch der Konstitution und der Befindlichkeit der Mutter in der konkreten Situation bei einer Betrachtung ex ante keine medizinisch vertretbare Alternative war, ist das Einlassen der Beklagten auf den Wunsch der Kindesmutter als behandlungsfehlerhaft zu bewerten.“

Das OLG Hamm muss nun erneut über die Sache verhandeln und eine endgültige Entscheidung treffen.