Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer: Wann das Finanzamt mitverdient
Dr. jur. Alex JanzenImmer mehr Menschen erben ein kleines oder größeres Vermögen. Doch das Finanzamt trübt die Freude mit Steuerforderungen. Das kann auch passieren, wenn das Vermögen zu Lebzeiten verschenkt wird. Wer sich auskennt, kann die Belastung allerdings minimieren. Die rechtlichen Rahmenbedingungen der Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer erläutert Rechtsanwalt Dr. Alex Janzen im folgenden Beitrag.
Die Erbschaftsteuer und die Schenkungsteuer gehören zu den meistunterschätzten Steuerarten in Deutschland. Laut Statistischem Bundesamt setzten die Finanzämter im Jahr 2024 rund 8,5 Milliarden Euro Erbschaftsteuer und 4,8 Milliarden Euro Schenkungsteuer fest – so viel wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik. Angesichts des demografischen Wandels ist davon auszugehen, dass die Zahl der Vermögensübertragungen und damit auch die Steuerbelastung in den kommenden Jahren weiter steigen wird.
Rechtsgrundlage und Grundprinzip
Die Erbschaft- und die Schenkungsteuer sind in Deutschland im Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) geregelt. Nach § 1 Absatz 2 ErbStG gelten die Vorschriften der Erbschaftsteuer grundsätzlich auch für die Schenkungsteuer, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Juristisch handelt es sich jedoch um zwei eigenständige Steuerarten: Die Erbschaftsteuer greift beim Vermögensübergang von Todes wegen, die Schenkungsteuer bei Vermögensübertragungen zu Lebzeiten.
Erbschaftsteuer: Erwerb von Todes wegen
Gegenstand der Erbschaftsteuer
Nach § 1 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG unterliegen Erbschaften, Vermächtnisse und ähnliche Vermögensvorteile der Erbschaftsteuer. Nicht steuerpflichtig sind allerdings Zugewinnausgleichsforderungen zwischen Ehegatten (§ 5 ErbStG).
Entstehung der Erbschaftsteuer
Die Steuer entsteht grundsätzlich mit dem Tod des Erblassers (§ 9 Absatz 1 Nr. 1 ErbStG). Es gibt jedoch Ausnahmen: Für Pflichtteilsansprüche entsteht die Steuer erst mit deren Geltendmachung. Bei Auflagen oder Bedingungen entsteht die Steuer für die begünstigte Person erst bei Erfüllung der Auflage oder Bedingung. Bemerkenswert ist, dass § 10 Absatz 5 Nr. 2 ErbStG dem Erben den Abzug eines Vermächtnisses oder einer Auflage bereits bei Entstehung der Steuer erlaubt – also noch vor deren tatsächlicher Erfüllung. Diese gesetzliche Diskrepanz eröffnet Gestaltungsspielräume bei der steuerlichen Belastung des Erben – sowohl bei der Erbschaft- als auch bei der Schenkungsteuer.
Bemessungsgrundlage der Erbschaftsteuer
Nach § 10 Absatz 1 ErbStG unterliegt die Bereicherung des Erwerbers im Zeitpunkt des Todes der Steuer. Spätere Veränderungen des Nachlasswerts – etwa Kursentwicklungen oder Immobilienpreisschwankungen – bleiben unberücksichtigt. Die Bereicherung ergibt sich aus dem Gesamtwert des Vermögensanfalls (nach § 12 ErbStG) abzüglich der abzugsfähigen Verbindlichkeiten (§ 10 Absätze 3–9 ErbStG).
Steuerbefreiungen in der Erbschaftsteuer
Das ErbStG sieht zahlreiche Steuerbefreiungen vor (§ 13 ErbStG). Steuerfrei sind beispielsweise:
Hausrat bis zu 41.000 Euro und andere bewegliche Gegenstände (z. B. Fahrzeuge) bis zu 12.000 Euro bei Erwerbern der Steuerklasse I,
bestimmte Grundstücke, Kunstgegenstände oder wissenschaftliche Sammlungen, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt,
das Familienheim, wenn es auf den überlebenden Ehegatten, eingetragenen Lebenspartner oder Kinder bzw. Enkel übergeht,
Betriebsvermögen unter den Voraussetzungen der §§ 13a–13c ErbStG.
Steuerklassen und Steuerfreibeträge in der Erbschaftsteuer
Nach § 15 ErbStG gibt es drei Steuerklassen:
Steuerklasse I: Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, Kinder, Stiefkinder, deren Abkömmlinge sowie Eltern und Großeltern bei Erwerben von Todes wegen.
Steuerklasse II: Geschwister, Nichten, Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehegatten und ehemalige Lebenspartner.
Steuerklasse III: Alle übrigen Erwerber und Zweckzuwendungen.
Die Steuerklassen entscheiden über Steuerfreibeträge und über den Steuertarif in der Erbschaftsteuer. So haben Ehegatten und eingetragene Lebenspartner nach § 16 ErbStG einen Freibetrag in Höhe von 500.000 Euro, die Kinder und Kinder verstorbener Kinder einen Freibetrag in Höhe von 400.000 Euro, die Enkel im Übrigen einen Freibetrag von 200.000 Euro, die übrigen Personen der Steuerklasse I, z. B. Eltern und Voreltern bei Erwerben von Todes wegen, einen Freibetrag in Höhe von 100.000 Euro. Dagegen haben Personen der Steuerklasse II und Steuerklasse III lediglich einen Erbschaftsteuer-Freibetrag in Höhe von lediglich 20.000 Euro.
§ 19 ErbStG sieht einen progressiven Steuertarif in der Erbschaftsteuer vor. Die Erbschaftsteuersätze reichen, je nach der Höhe des steuerpflichtigen Erwerbs, von 7% bis 30% in der Steuerklasse I, von 15% bis 43% in der Steuerklasse II und von 30% bis 50% in der Steuerklasse III.
Schenkungsteuer
Gegenstand der Schenkungsteuer
Der Schenkungsteuer unterliegen nach § 1 Absatz 1 Nr. 2 bis 4 ErbStG insbesondere Schenkungen unter Lebenden, Zweckzuwendungen und Vermögensübertragungen auf Familienstiftungen. Der Begriff der Schenkung ist steuerrechtlich weiter gefasst als im Zivilrecht: Nach § 7 Absatz 1 Nr. 1 ErbStG genügt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, durch die der Bedachte auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird – ein ausdrücklicher Schenkungswille ist nicht erforderlich.
Entstehung und Bewertung
Hinsichtlich Steuerentstehung, Bemessungsgrundlage, Steuerbefreiungen, Steuerklassen, Freibeträge und Tarife gelten im Wesentlichen dieselben Regelungen wie bei der Erbschaftsteuer. Wichtig ist § 14 ErbStG: Alle Schenkungen innerhalb von zehn Jahren werden zusammengerechnet. Damit soll verhindert werden, dass Steuerfreibeträge mehrfach ausgenutzt werden.
Fazit
Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer betreffen immer mehr Menschen – nicht nur bei großen Vermögen. Wer die rechtlichen Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten kennt, kann steuerliche Belastungen deutlich reduzieren. Eine frühzeitige Nachlass- und Schenkungsplanung ist daher unverzichtbar.