Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

In dem Fall ging es um die Rückzahlung von Vorausleistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Die finanzielle Unterstützung hatte eine junge Frau für ihr Medizinstudium in Anspruch genommen. Die zuständige Behörde forderte das Geld nun von ihrem Vater zurück.

Die im November 1984 geborene nichteheliche Tochter des Beklagten machte 2004 ihr Abitur mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Im Wintersemester 2004/2005 bewarb sie sich erstmals um einen Medizinstudienplatz. Mit ihrem Notendurchschnitt hatte sie zunächst schlechte Chancen, deshalb begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin. Nach der erfolgreichen Ausbildung arbeitete sie bis 2010 in diesem Beruf. Im Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen. Im September 2011 erfuhr auch der Vater von der Studienaufnahme seiner Tochter. Das Studierendenwerk hatte ihn zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse aufgefordert.

Mit 26 Jahren Beginn des Medizinstudiums

Der Mann war überrascht, denn er war über die Lebensplanung seiner Tochter nicht im geringsten im Bilde: Er hatte mit ihr und ihrer Mutter nie zusammengelebt und seine Tochter das letzte Mal gesehen, als sie 16 Jahre alt war. 2004 schrieb er ihr einen Brief und teilte ihr mit, er gehe jetzt vom Abschluss der Schulausbildung aus und auch davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Sie reagierte nicht und er stellte wie angekündigt die Unterhaltszahlungen ein.

Von ihrem Vater wollte die junge Frau offenbar kein Geld mehr, beantragte aber Bafög. Die entsprechenden Vorausleistungen wollte das Land aber von dem Mann zurück haben. Das Amtsgericht wies den Antrag auf Zahlung von insgesamt 3.452,16 Euro ab, die dagegen gerichtete Beschwerde wurde vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

So begründete das Gericht seine Entscheidung

 Zwar umfasst der Unterhalt eines Kindes auch die Kosten einer angemessenen Ausbildung, doch der Anspruch ist nicht unendlich. So müssen die Eltern ihr Kind nur bei einer Berufsausbildung unterstützen, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht. Auch die Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern müssen berücksichtigt werden. Das kann z.B. das Abitur und danach ein Studium, aber auch eine praktische Ausbildung (Lehre) oder eine Ausbildung mit folgendem Studium sein (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen. Die praktische Ausbildung und ein darauffolgendes Studium müssen sich zudem sinnvoll ergänzen.

Auch für die Kinder entsehen dabei Pflichten:  Sie müssen die Ausbildung mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufnehmen und beenden. Entscheidend ist auch, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Schließlich sollen sie auch die eigene Lebensplanung darauf einstellen können. Eine Unterhaltspflicht kommt daher umso weniger in Betracht, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Es kann sein, dass die Pflicht komplett entfällt, wenn der Zahlungspflichtige von den Plänen erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er eigentlich nicht mehr mit weiteren Ausbildungskosten rechnen muss.

Interessen des Vaters ebenfalls schutzwürdig

So sahen es die Richter im vorliegenden Fall. Das Medizinstudium der jungen Frau sei nicht allein wegen der Abiturnote unangemessen. Bei dem Alter der Tochter von fast 26 Jahren bei Studienbeginn habe der Vater auch nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen müssen. Tatsächlich hatte der Mann, im Vertrauen darauf, dass es die Verpflichtung nicht mehr gab, u.a. Kredite für andere Ausgaben aufgenommen. Dieses Vertrauen war nach Ansicht der Richter schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage ja zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte. Der Mann musste weder das Bafög zurückzahlen, noch weiteren Unterhalt während des Studiums entrichten.