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Recht

Dem Urteil vom 09. Mai 2012 (Az. 14 R 650/09) lag der Fall einer Fachärztin für Psychiatrie zugrunde, die in ihrer Praxis mit einer zunächst angestellten und dann in eigener Praxis tätigen Pädagogin sowie einer Psychologin kooperierte.

Rentenversicherung vermutet Scheinselbstständigkeit

Diese Konstellation nahm die Deutsche Rentenversicherung genauer unter die Lupe und vermutete Fälle von Scheinselbstständigkeit. Im Rahmen einer Betriebsprüfung wurde für die beiden Kooperationspartner der Ärztin ein arbeitnehmerähnliches Beschäftigungsverhältnis angenommen. Die Rentenversicherung forderte von der Ärztin eine Nachzahlung von 52.000 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen. Hiergegen wendete sich die Ärztin mithilfe eines Anwalts und einer Klage. Mit Erfolg, wie das Urteil zeigt.

Das Gericht kam in seinem Urteil zu dem Ergebnis, dass beide Kooperationspartnerinnen in der Gemeinschaftspraxis überwiegend selbstständig tätig waren. Vor allem aber, und das war für das Gericht entscheidend, konnte der Ärztin kein Gestaltungsmissbrauch bei der Selbstständigkeit nachgewiesen werden. Für das Gericht war nicht festzustellen, dass vom Arzt in unzulässiger Weise Risiken auf die ehemaligen Mitarbeiterinnen abgewälzt wurden, ohne dass diese adäquate unternehmerische Erwerbschance gegenübergestanden hätten.

Selbstständig oder arbeitnehmerähnlich?

Für Praxisinhaber und selbstständige Ärzte ist es oftmals denkbar schwer, festzulegen, ob eine freiberufliche Tätigkeit tatsächlich selbstständig oder arbeitnehmerähnlich sein könnte. Einen ersten Hinweis gibt Paragraf 7 Absatz 4 SGB IV. Die Vorschrift gibt es zwar seit Ende 2002 nicht mehr, doch werden die damals festgelegten Kriterien noch heute bei der Beantwortung der Frage nach möglicher Scheinselbstständigkeit herangezogen.

  • Der Auftragnehmer beschäftigt im Kontext seiner Tätigkeit keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer, dessen monatliches Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 325 Euro  übersteigt.
  • Der Auftragnehmer ist wesentlich und auf Dauer für einen Auftraggeber nur tätig.
  • Der Auftraggeber oder ein vergleichbarer Auftraggeber lässt entsprechende Arbeiten regelmäßig durch von ihm beschäftigte Arbeitnehmer verrichten.
  • Die Tätigkeit lässt typische Merkmale unternehmerischen Handelns nicht erkennen.
  • Die Tätigkeit des Auftragnehmers entspricht dem äußeren Erscheinungsbild nach einer Tätigkeit, die er für denselben Auftragnehmer zuvor aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt hatte.

Ab drei erfüllten Punkten wird es kritisch

Die Rechtsprechung vermutet eine Scheinselbstständigkeit jedenfalls dann, wenn von diesen Kriterien mindestens drei erfüllt sind. Ein Arbeitsverhältnis ist also dann anzunehmen, wenn der Partner Art, Ort und Zeit seiner Tätigkeit nicht selbst bestimmen kann, sondern weisungsgebunden ist. Darauf sollten Sie unbedingt achten, wenn Sie eine Kooperation mit anderen Leistungserbringern anstreben. (Autor: Rechtsanwalt Steffen Holzmann)