Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Gehen oder bleiben? Diese Frage stellen sich viele Vertragsärzte im Laufe ihres Berufslebens. Nicht wenige entscheiden sich – getriggert durch (berechtigte oder unberechtigte) Vorwürfe der Kassenärztlichen Vereinigung (KV), ihre Zulassung zurückzugeben, um sich fortan als Privatärzte zu verdingen.

Etwas anders lagen die Dinge in einem Fall, den vor Kurzem das saarländische Oberlandesgericht zu entscheiden hatte (Urteil vom 9.12.2021 – 4 U 30/21).

500.000 Euro Laborkosten pro Quartal

Konkret ging es um einen Transfusionsmediziner im Saarland. Dieser hatte erheblichen Ärger mit seiner KV und musste den Entzug seiner Zulassung befürchten. Im Raum stand nicht nur die privatärztliche Behandlung von Kassenpatienten, sondern auch die nachträgliche Änderung von Überweisungsscheinen. Zudem hatte der Arzt in nur einem Quartal Labor-Leistungen von 500.000 Euro in Auftrag gegeben. Und zwar an ein Labor, an dem er selbst beteiligt war.

Vertragsarzt entscheidet sich für Verzicht auf Zulassung

Angesichts der vielfältigen Vorwürfe holte der Transfusionsmediziner juristischen Rat ein. Nach anwaltlicher Beratung entschied er sich für einen Verzicht auf die volle Zulassung. Damit kam er dem drohenden Entzug seiner Zulassung im Saarland zuvor.

Anschließend zog er nach Rheinland-Pfalz und erwarb bei der dortigen KV eine neue, hälftige Zulassung. Er konnte sogar einen Großteil seines Patientenstammes mitnehmen. Dennoch bereute der geschäftstüchtige Mann den wenig lukrativen Verzicht auf seine alte Zulassung. Schließlich hätte er die auch gewinnbringend verkaufen können. Um sich schadlos zu halten, warf er daher seinem Anwalt einen Beratungsfehler vor und verlangte Ersatz des entgangenen (fiktiven) Verkaufserlöses.

In Anbetracht der Umstände eine kluge Taktik

Das Gericht verneinte einen Schaden des Arztes. Die Entscheidung, auf die Zulassung im Saarland zu verzichten und stattdessen eine vertragsärztliche Praxis in Rheinland-Pfalz zu eröffnen, habe der Anwalt zu Recht als sinnvolle taktische Option zur Schadensverhütung angesehen.

Da dem Arzt vonseiten der KV keine Patientengefährdung angelastet worden war, sondern die Vorwürfe vielmehr vorwiegend wirtschaftlicher Natur gewesen seien, habe der freiwillige Verzicht auf die Zulassung geeignet erscheinen dürfen, Druck aus der Angelegenheit zu nehmen und dem Arzt eine Fortführung seiner Tätigkeit zu ermöglichen.

Streng genommen sei dem Transfusionsmediziner noch nicht einmal ein Schaden entstanden, der zu ersetzen wäre. Er selbst hatte im Laufe des Verfahrens eingeräumt, dass die alte und die neue Praxis wertgleich seien. Wenn der Mann also seinen Vertragsarztsitz versilbern wolle, so das Gericht, dann könne er das auch heute noch tun und die neue Praxis verkaufen. Eine solche Veräußerung wäre aber nicht möglich, wenn er nicht – auf Basis der anwaltlichen Beratung – auf seine Zulassung im Saarland verzichtet hätte.