Wirtschaftsnachrichten für Ärzte | ARZT & WIRTSCHAFT
Recht

Eine junge Ärztin hatte 2016 in einer Praxis ihre Ausbildung zur Fachärztin begonnen. 60 Monate sollte diese dauern, 42 Monate davon wollte sie in dieser Praxis absolvieren. Weil sie zu ihrem Mann ziehen wollte, kündigte sie nach etwas über zwei Jahren. Ihrem Arbeitgeber gefiel das gar nicht. Er machte wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Vertragsstrafe von drei Monatsgehältern geltend, insgesamt 13.305 Euro brutto. Er berief sich dabei auf eine entsprechende Klausel im Arbeitsvertrag.

Die junge Ärztin wollte das nicht hinnehmen. Sie hielt die Klausel für unwirksam, weil die Vertragsstrafe zu hoch sei und sie unangemessen benachteilige. Der Arbeitgeber argumentierte, die Klausel sei klar und verständlich formuliert und ließe keine Zweifel aufkommen, was im Falle einer Kündigung gefordert werde. Zu hoch sei die Vertragsstrafe auch nicht. Es gebe keinen allgemeinen Grundsatz, dass eine Vertragsstrafe höchstens eine Bruttomonatsvergütung betragen dürfe. Ihm sei es vor allem darum gegangen, sich den Wert der Arbeitsleistung während eines Zeitraums von 42 Monaten zu sichern.

Unangemessene Benachteiligung der Ärztin in Weiterbildung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte nun fest, dass die junge Ärztin durch die Vertragsstrafe in Höhe von 13.305 Euro unangemessen benachteiligt werde und die Klausel unwirksam sei (20.10.2022, Az. 8 AZR 332/21). Die Klausel sei zwar ausreichend klar formuliert. Die unangemessene Benachteiligung liege aber in der Höhe der pauschal festgelegten Vertragsstrafe begründet.

Die drei Bruttomonatsgehälter wären nämlich auch dann fällig geworden, wenn die Ärztin bereits nach der fünfmonatigen Probezeit gekündigt hätte. Zu diesem Zeitpunkt habe die Ausbildungspraxis aber erst vergleichsweise überschaubare Aufwendungen für die Ausbildung erbracht. Drei Bruttomonatsvergütungen seien hier nicht zu rechtfertigen. Ob eine so hohe Vertragsstrafe zu einem späteren Zeitpunkt angemessen wäre, musste das Gericht nicht beurteilen, da die Klausel insgesamt unwirksam war.

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter machten in ihrer Entscheidung auch allgemeine Ausführungen zur Höhe der Vertragsstrafe. Sie stellten klar, dass es keine allgemeine Regel gibt, die besagt, dass eine Vertragsstrafe, die einen Bruttomonatsverdienst übersteigt, den Arbeitnehmer stets unangemessen benachteiligt.

Keine generelle Höchstgrenze für Vertragsstrafe

Zwar hat das BAG in der Vergangenheit in Einzelfällen eine Vertragsstrafe in Höhe eines Monatsentgelts generell als geeigneten Maßstab betrachtet und auch das Bedürfnis nach einer generellen Obergrenze gesehen. Es hatte daher in der Vergangenheit im Einzelfall angenommen, dass eine Vertragsstrafe in Höhe von einem Monatsgehalt im Normalfall die finanzielle Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers berücksichtigt. Daraus folgt aber nicht, dass eine allgemeine Obergrenze in Höhe eines Bruttomonatsentgelts für eine wirksame Vertragsstrafe besteht. Das Gericht machte damit deutlich, dass es immer auf eine Beurteilung der Umstände und Interessen im Einzelfall ankommt.

Klauseln im Arbeitsvertrag
Bei den in Arbeitsverträgen verwendeten Klauseln handelt es sich in der Regel um Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. AGB sind für eine Vielzahl von Fällen vorformulierte Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dabei ist unerheblich, ob die vorformulierten Klauseln ausdrücklich als AGB bezeichnet werden. Entscheidend ist, ob sie dafür gedacht sind, in inhaltlich unveränderter Form mehrfach verwendet zu werden und ob sie dem Vertragspartner einseitig vorgegeben werden. Das ist bei Arbeitsverträgen meist der Fall, da in der Regel der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag vorgibt. AGB im Arbeitsvertrag liegen nur dann nicht vor, wenn die Klauseln im Einzelnen zwischen den Parteien ausgehandelt werden.