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Klinik

Eine erfolgreiche chirurgischen Therapie umfasst nicht nur die korrekte Durchführung des Eingriffs an sich. Es gilt auch, bestimmte Folgerisiken der Operation richtig einzuschätzen und diesen zu begegnen. Entsprechend gehört die postoperative Thromboseprophylaxe in Deutschland zum absoluten Standard.

Ebenfalls zum Standard gehören sollte allerdings das Wissen um etwaige Nebenwirkungen dieser Maßnahme. Fehlt es, kann das dramatische Folgen haben – für den Patienten, aber auch für die Klinik. Das beweist eine aktuelle Gerichtsentscheidung.

Starke Schmerzen in den Beinen

Im konkreten Fall hatte sich eine 50-jährige Patientin für eine Herz-Operation in eine Klinik begeben. Der Eingriff per se war erfolgreich, allerdings klagte die Frau fünf Tage nach der Operation erstmals über starke Schmerzen in den Beinen.

Das Personal versorgte sie daraufhin mit Schmerzmitteln. Nach den Ursachen der Beschwerden suchte hingegen niemand.  Erst nach zehn Tagen, als die Patientin über unerträgliche Schmerzen klagte, entlastete man in der Klinik den Gewebedruck durch Öffnungen an den Beinen. Doch der erneute chirurgische Eingriff kam zu spät. Wenig später mussten die Ärzte bei der Frau eine Doppelamputation vornehmen und beide Unterschenkel unterhalb der Kniegelenke amputieren.

Die Frau ist seitdem auf den Rollstuhl angewiesen, braucht Pflege und kämpft mit psychischen Problemen. Zudem ist sie seit dem Eingriff arbeitsunfähig und bezieht Frührente.

Grober Verstoß gegen ärztliche Standards

Der Fall landete vor dem Landgericht Hamburg, das der Frau ein Schmerzensgeld in Höhe von 170.000 Euro zusprach (Az. 336 O 76/17).

Der Grund: Die Klinik habe die – wenn auch sehr seltenen – Nebenwirkungen des Thrombosemittels zu spät bemerkt, obwohl es dafür deutliche Hinweise gegeben habe. Neben den Klagen der Patientin über Schmerzen in den Beinen hätten etwa die Laborwerte eine schwere Thrombozytopenie gezeigt. Dies erkläre auch, weshalb die Durchblutung immer schlechter geworden sei.

Grober Behandlungsfehler

Es sei davon auszugehen, so das Gericht, dass der Klägerin bei einer „standardgerechten Behandlung“ sowohl die chirurgische Öffnung der Beine als auch die Doppelamputation erspart geblieben wäre. Entsprechend hatte auch der Sachverständige festgestellt, dass der Klinik ein „grober Behandlungsfehler“ zur Last zu legen sei. Neben der Zahlung des Schmerzensgeldes muss die Klinik daher auch für alle weiteren Folgen des Fehlers aufkommen.

Ob es dabei bleibt, ist allerdings abzuwarten: Der Anwalt der Patientin hat bereits signalisiert, dass er ohne eine schnelle Einigung weitere Prozesse anstrengen will – und eine Gesamtsumme von bis zu 850.000 Euro in den Raum gestellt.