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Infektionskrankheiten stellen einen erheblichen Versorgungs- und Kostenfaktor im deutschen Gesundheitswesen dar. Dies belegt die bislang umfassendste Auswertung von Krankenhausdiagnosen bei Erwachsenen, die jetzt in der Fachzeitschrift „Infection“ veröffentlicht wurde.¹ Demnach wurde bei 12% der im Jahr 2022 stationär behandelten Patientinnen und Patienten in Deutschland eine Infektionskrankheit als Hauptdiagnose festgestellt. In 28 Prozent der Fälle wurde mindestens eine Infektionsdiagnose als Nebendiagnose dokumentiert. Die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) fordert angesichts dieser Zahlen den zügigen Aufbau infektiologischer Versorgungsstrukturen – insbesondere durch die Etablierung einer Leistungsgruppe Infektiologie im Rahmen der Krankenhausreform (KHVVG).

Infektionsmedizin bleibt systemrelevant – auch jenseits pandemischer Ereignisse

Die COVID-19-Pandemie sowie zusätzliche RSV- und Influenzawellen haben in den letzten Jahren die Bedeutung einer schlagkräftigen Infektionsmedizin verdeutlicht, so der DGI. Doch auch außerhalb solcher akuten Ereignisse ist der Bedarf hoch, wie Dr. Hartmut Stocker, Erstautor der Analyse, betont: „Gerade bei älteren, immungeschwächten und komplex-kranken Menschen nehmen Infektionen kontinuierlich zu – auch als Folge moderner onkologischer Therapien.“ Zusätzlich würden Antibiotikaresistenzen sowie klimawandelbedingte Infektionserkrankungen die Versorgungslage erschweren.

Ergebnisse der Auswertung: Infektionen mit hoher Morbidität und langen Verweildauern

Die Auswertung umfasst alle im Jahr 2022 aus deutschen Krankenhäusern entlassenen erwachsenen Patientinnen und Patienten. Insgesamt 1.728.824 Fälle (12 %) wiesen eine Infektion als Hauptdiagnose auf. Die häufigsten Infektionsarten: Atemwegsinfektionen (27 %), gastrointestinale Infektionen (19 %) und Harnwegsinfekte (13 %). Sepsis wurde in rund 4 % der Fälle dokumentiert – mit hoher Dunkelziffer, da sie laut ICD-System nicht als Hauptdiagnose kodiert werden darf.

Infektionspatientinnen und -patienten zeichnen sich laut den Autoren durch komplexe Krankheitsbilder und längere stationäre Aufenthalte aus: Die durchschnittliche Verweildauer lag bei acht Tagen. Die medianen Kosten pro Patientin bzw. Patient mit infektiologischer Hauptdiagnose betrugen 2.541 Euro.

Fachliche Expertise senkt Mortalität – Strukturen fehlen vielerorts

„Die Ergebnisse unterstreichen den dringenden Bedarf an infektiologischer Fachexpertise in der stationären Versorgung“, erklärt Prof. Dr. Maria Vehreschild, Vorsitzende der DGI. Zahlreiche Studien zeigten, dass die frühzeitige Einbindung von Infektiologinnen und Infektiologen die Mortalitäts- und Komplikationsraten signifikant senken könne.² Dennoch verfügen viele Kliniken über keine entsprechenden Strukturen – weder über infektiologische Konsiliardienste noch über bettenführende infektiologische Abteilungen.

Ein Lösungsansatz liegt aus Sicht der DGI in der Einrichtung einer eigenen Leistungsgruppe Infektiologie, wie sie im Entwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG) vom Dezember 2024 noch vorgesehen war. In der aktuellen Gesetzesversion fehlt diese Regelung jedoch. Zudem fordert die Fachgesellschaft eine adäquate finanzielle Abbildung infektiologischer Leistungen innerhalb der DRG-Systematik.

Krankenhausversorgung fit für die Zukunft machen

„Ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem muss auf infektionsmedizinische Herausforderungen vorbereitet sein“, so Vehreschild. Die DGI sieht Bund und Länder in der Pflicht, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen – nicht zuletzt im Hinblick auf den demografischen Wandel und die steigende Zahl immunsupprimierter Patientinnen und Patienten.

Über die Studie

Die Publikation „Caseload, clinical spectrum and economic burden of infectious diseases in patients discharged from hospitals in Germany“ basiert auf öffentlich zugänglichen Routinedaten (InEK-Datenbrowser, G-DRG-Report-Browser) für das Jahr 2022. Analysiert wurden Haupt- und Nebendiagnosen gemäß ICD-10, Fallmerkmale, Versorgungsstrukturen sowie Kostendaten. Die retrospektive Studie wurde im April 2025 in der Fachzeitschrift Infection veröffentlicht.

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